Temperierte Zinsfantasien: Zinserwartungen dominieren den Aktienmarkt
Die jüngste Dynamik der Aktienmärkte bleibt im Bann von Zinserwartungen. Eine Zeitlang nährten Hoffnungen auf baldige Zinssenkungen in den USA die Kursfantasie, doch dieses Szenario erleidet aktuell einen Dämpfer. "Ein Höhenflug der US-Wirtschaft stand einer baldigen Zinskorrektur immer wieder im Wege", unterstreicht Claudia Windt von der Helaba. Angaben aus dem neuesten Protokoll der Zinssitzung der US-Notenbank wirkten ebenfalls stimmungshemmend auf die Märkte.
Die jüngsten Impulse aus dem amerikanischen Raum verwischen die Aussichten auf Zinssenkungen var den bevorstehenden US-Wahlen im November. "Gründe für einen Rückgang der Leitzinsen sind schwer beliebt", hält Windt fest. Dies spiegelte sich im deutschen Aktienmarktleitindex wider, der zunächst entgegen unseren Erwartungen abstieß von der 19.000er Marke, anstatt stabil darüber zu verharren.
Der DAX befand sich in einer Seitwärtsbewegung, die er über zwei Wochen bei 18.600 bis 18.900 Punkten beibehielt. Doch ein Bruch in der Tendenz fand statt, so beschreibt Jürgen Molnar von Robomarkets die momentane Lage signaltechnisch als „gelb“. Es droht der Sturz auf neue Tiefs, verschärft durch ein vorübergehendes Tagestief von 18.515 Punkten.
Trotz der Ungewissheiten legte der DAX im Mai fast vier Prozent zu. Jedoch führt, laut M.M. Warburg-Chefvolkswirt Carsten Klude, Blindes Vertrauen in volkstümliche Handelsregeln selten zum Ziel, da sich der Mai statistisch nicht als notorischer Verlustbringer etabliert hat.
Eine Erklärung für die bisherige Stärke liegt laut Klude in übertroffenen Gewinnerwartungen der Firmen während der Berichtssaison. Besonders die US-Technologieriesen, illustriert am Beispiel von Nvidia, übertreffen hochgesteckte Prognosen.
Aus Sicht von Jürgen Molnar bleibt die Zukunft der Inflation und Zinsentwicklung nebelhaft bis zum Herbst. Das jüngste Fed-Protokoll versetzt Anleger nicht in die Lage, einen festen Termin für die Zinswende in ihren Kalender einzutragen. Im Fokus stehen nun bevorstehende Konjunkturdaten.
Die US-Konjunkturdaten, darunter die Revidierung des Bruttoinlandsprodukts im ersten Quartal, stehen im Scheinwerferlicht der kommenden Tage. Die Dekabank prognostiziert für April einen moderaten Anstieg wichtiger Preisindexwerte in der Fed-Statistik.
In der Eurozone richtet sich das Augenmerk auf das Ifo-Geschäftsklima. Helaba-Experte Stefan Mütze setzt auf einen weiteren Anstieg – ein möglicher Indikator für eine positivere deutsche Konjunkturlage. Die resolute Zuversicht könnte jedoch durch Preisdaten aus Deutschland und der Eurozone gestestet werden, blickt Claudia Windt kritisch auf die bevorstehende Woche.
Edgar Walk, Chefvolkswirt bei Metzler, deutet an, dass die Inflationsrate in der Eurozone im Mai auf 2,4 Prozent stagniert. Walk erwartet, dass sich die Inflation erst nachgelagert auf die mittelfristige Zielmarke der EZB von zwei Prozent einpendelt, argumentierend mit Entspannungen in den Lieferketten, gesunkenen Energiepreisen und schwacher Konsumnachfrage. (eulerpool-AFX)