Porträt: Notenbanker Constâncio
Im eigenen Land gilt der 66 Jahre alte Sozialist, der als neuer Vizechef der Europäischen Zentralbank bereitsteht, jedoch alles andere als ein Prophet. Nach Meinung der meisten Medienbeobachter und der Opposition hat Constâncio an der Spitze der portugiesischen Notenbank in den vergangenen Jahren zu viele schwere Fehler gemacht. «Seine Amtszeit wird (von diesen Fehlern) befleckt», sagte am Montag eine Kommentatorin des TV-Senders «SIC».
Die linke und auch die konservative Opposition werfen Constâncio Fehlentscheidungen und falsche Defizitprognosen, vor allem aber schwere Aufsichtsversäumnisse bei verschiedenen Bankenskandalen vor. Am schlimmsten war der Fall der Banco Portugués de Negocios (BPN), die Ende 2008 verstaatlicht wurde, nachdem sie im Rahmen grober Unregelmäßigkeiten 700 Millionen Euro Verlust angehäuft hatte. Constâncio habe von diesen Unregelmäßigkeiten «nichts sehen wollen», prangerte der Linkenführer Francisco Louçã jüngst an.
Erfahrung in Sachen Währungsaufsicht kann dem Diplom-Volkswirt Constâncio allerdings niemand absprechen. Der Mann, der nach der Nelkenrevolution von 1974 Planungssekretär der Übergangsregierungen war, stand zwischen 1985 und 1986 erstmals an der Spitze der «Banco Central de Portugal». Das Amt gab er auf, um die sozialdemokratisch orientierte Sozialistische Partei (PS) des heutigen Regierungschefs José Sócrates als Generalsekretär bis 1989 anzuführen. Nach Tätigkeiten in der Politik und in der freien Wirtschaft kehrte er im Jahr 2000 zur Notenbank zurück, der er seit 2004 wieder vorsteht.
Anders als Bundesbankpräsident Axel Weber, der 2011 EZB-Chef werden könnte, gilt Constâncio als Befürworter weicher und weniger orthodoxer Maßnahmen. Der Portugiese gibt sich bescheiden. Die Nominierung zum EZB-Vize wäre kein «persönliches Verdienst», sondern Ergebnis der diplomatischen Bemühungen Lissabons, bemerkte er jüngst.