Merkel pocht auf Stabilitätsunion

Berlin (dpa) - Vor dem EU-Gipfel legt die Kanzlerin den Kurs fest: Eine echte Stabilitätsunion mit starken Institutionen und Sanktionen gegen Schuldensünder. Ängste vor deutscher Dominanz will sie zerstreuen.

In einer Regierungserklärung vor dem Bundestag sprach sich die Kanzlerin am Freitag für automatische Sanktionen gegen Haushaltssünder und mehr Durchgriffsrechte für europäische Institutionen aus. Dafür solle es auch Änderungen an den europäischen Verträgen geben.

«Wir müssen die Fundamente der Wirtschafts- und Währungsunion nachhaltig stärken», sagte Merkel. An einer Änderung der Europäischen Verträge führe kein Weg vorbei. Notfalls müssen die 17 Euro-Länder vorangehen, stellte die Kanzlerin zugleich klar. Eine Spaltung der EU in Euro-Staaten und Nicht-Euro-Staaten müsse aber vermieden werden.

Die Kanzlerin bemühte sich, Ängste vor einer deutschen Dominanz zu zerstreuen. Die klaren Vorstellungen Berlins hätten nichts damit zu tun, dass die Bundesrepublik Europa dominieren wolle. «Das ist abwegig.» Zugleich dämpfte Merkel Erwartungen an rasche Lösungen.

An diesem Montag wollen Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in Paris ein Konzept für eine Reform der Währungsunion vorlegen. Angestrebt wird eine Stabilitätsunion der 17 Euro-Länder mit schärferen Sanktionen gegen Haushaltssünder und einer strengeren Aufsicht über die Etatpläne einzelner Euro-Länder. Dazu sollen nach dem Willen von Berlin und Paris die EU-Verträge geändert werden.

Die EU-Kommission lobte Merkels Rede als «sehr wichtig». An den Anleihemärkten haben Euro-Länder Vertrauen zurückgewonnen. Die Renditen für spanische und italienische Papiere sanken, der Euro setzte seine Kurserholung fort. Hoffnungen auf eine Lösung der Schuldenkrise haben auch dem deutschen Aktienmarkt neuen Auftrieb gegeben. Merkels Rede wurde von Börsianern positiv gewertet.

Im Gegensatz zu Sarkozy sprach sich Merkel dafür aus, die Autorität europäischer Institutionen wie der EU-Kommission so zu stärken, dass glaubwürdige Durchgriffsrechte möglich werden. Sarkozy dagegen hatte vor «supranationalen» Kontrollen gewarnt.

Die Kanzlerin betonte die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB). Daher werde sie auch künftig nichts kommentieren, was die EZB tue oder lasse. Aufgabe der EZB sei es, die Geldwertstabilität zu sichern. «Und genau das tut die Europäische Zentralbank, und davon bin ich zutiefst überzeugt.» Hintergrund sind auch Forderungen, dass die EZB noch mehr Anleihen von Krisenstaaten kaufen sollte.

Die Notwendigkeit einer Stabilitätsunion ist nach den Worten Merkels inzwischen weitgehend anerkannt. «Wir reden nicht nur über eine Fiskalunion, sondern wir fangen an, sie schaffen.» Sie reise zum Gipfel mit dem Ziel von EU-Vertragsänderungen. Der zweitbeste Weg seien neue Verträge innerhalb der Eurogruppe.

Eine Blitzlösung quasi über Nacht kann es aus Sicht der Kanzlerin in der europäischen Schuldenkrise aber nicht geben. «Es gibt diesen einen Befreiungsschlag, den einen Paukenschlag nicht, es gibt keine einfachen und schnellen Lösungen - schon gar nicht (...) den angeblich letzten Schuss.» Der bevorstehende Weg sei noch lang und alles andere als einfach.

Gemeinsamen Anleihen der Euro-Länder erteilte Merkel eine Absage. CSU-Chef Horst Seehofer betonte: «Eine Vergemeinschaftung von Schulden in Europa, egal ob durch Eurobonds oder anders, kommt nicht auf den Tisch.» Den Vorstoß von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für nationale Tilgungsfonds der Euro-Länder zum Schuldenabbau begrüßte Merkel als interessanten Vorschlag.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier warf Merkel Wankelmut vor. Durch ihr Zaudern verschärfe sich die Krise immer weiter. Merkel müsse den Bürgern endlich klarmachen: «Wir Deutschen retten nicht die Griechen oder Italiener, sondern vor allem uns selbst»: die deutsche Exportwirtschaft und deutsche Arbeitsplätze.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin warf Schwarz-Gelb vor, ihre Sparvorschläge für die Krisenländer seien nicht umsetzbar. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi hält den Kurs der Kanzlerin für gescheitert. «Die Diktatur der Finanzmärkte hat sich verschärft.»

Im Streit um die Beteiligung von Privatgläubigern an Entschuldungen von Euro-Ländern im Rahmen des künftigen Rettungsfonds ESM deutete Merkel Gesprächsbereitschaft an. Es gebe zwar sehr gute Gründe für die Umschuldungsklauseln (CACs). Der Entwurf müsse aber wieder überarbeitet werden. Investoren seien verunsichert. Sie wolle den Gesprächen nicht vorgreifen, sagte Merkel. Auch Frankreich drängt darauf, die auf Druck Deutschlands vereinbarten Klauseln zu kippen.

Mit Blick auf die Stärkung der Banken durch Eigenkapitalpuffer forderte Merkel die Europäische Bankenaufsicht auf, die Entscheidung zum Refinanzierungsbedarf schnell zu verkünden, damit Sicherheit entstehe. Nach Informationen aus Finanzkreisen werden die Ergebnisse des Stresstests frühestens am nächsten Mittwoch veröffentlicht, möglicherweise auch erst Freitag. Die deutschen Banken müssten mit einer Kapitallücke von rund zehn Milliarden Euro rechnen.

EU / Finanzen
02.12.2011 · 17:29 Uhr
[0 Kommentare]
 
Hochwasserlage in Bayern weiter angespannt
Passau - Auch nach der Aufhebung aller Unwetterwarnungen bleibt die Hochwasserlage in einigen […] (00)
PUBG: Battlegrounds x NewJeans arbeiten an Kooperation
KRAFTON, Inc. kündigt eine Kooperation zwischen PUBG: BATTLEGROUNDS und der globalen […] (00)
Cheryl Burke: Für Tanzshow sollte man single sein
(BANG) - Cheryl Burke hat zukünftige ‚Dancing With The Stars‘-Kandidaten gewarnt, dass sie […] (01)
Blaulicht-Report dreht auf
Der Blaulicht-Report feierte Mitte Mai ein gutes Comeback, denn „die neuen Einsätze“ generierten zu […] (00)
QNAP präsentiert Speicher & Netzwerklösungen für KI und vieles mehr auf der COMPUTEX 2024
QNAP® Systems, Inc. (QNAP), ein führender Innovator von Computer-, Netzwerk- und […] (00)
Hiobsbotschaft vor Sommerurlaub: FTI insolvent - Und nun?
München (dpa) - Die Insolvenz des Reisekonzerns FTI macht die Pläne vieler Urlauberinnen und […] (00)
 
 
Suchbegriff