Europäische Start-ups im Verteidigungssektor verzeichnen starkes Wachstum trotz allgemeiner VC-Flaute
Die Investitionen in europäische Start-ups aus dem Verteidigungs- und Sicherheitsbereich sind 2024 um 24 Prozent auf 5,2 Milliarden Dollar gestiegen – ein Wachstum, das die Finanzierung von Künstlicher Intelligenz in Europa in den letzten zwei Jahren übertrifft.
Laut einer am Mittwoch veröffentlichten Analyse des NATO Innovation Fund und des Forschungsunternehmens Dealroom trotzt die Branche dem allgemeinen Rückgang bei europäischen Wagniskapitalfinanzierungen. Während sich das VC-Gesamtvolumen in Europa seit 2022 um 45 Prozent reduzierte, konnten Unternehmen wie die Münchner Softwareentwickler von Helsing oder der Drohnenhersteller Tekever weiterhin hohe Finanzierungsrunden abschließen.
„Verteidigung, Sicherheit und Resilienz sind die Sektoren mit dem stärksten Wachstum“, sagte Kelly Chen, Partnerin beim NATO Innovation Fund, der eine Milliarde Euro zur Unterstützung von Verteidigungs- und Deep-Tech-Start-ups bereitgestellt hat.
Besonders das anhaltende Interesse am Ukraine-Krieg und geopolitische Unsicherheiten treiben Investoren in den Sektor. Die Finanzierung von Verteidigungs-Start-ups in Europa wuchs 2024 um 41 Prozent auf 1,5 Milliarden Dollar – ein deutlicher Anstieg, der die Investitionslücke zu den USA jedoch nicht schließen konnte. Dort beliefen sich die Verteidigungs-Start-up-Investitionen auf 4,3 Milliarden Dollar, getrieben von Unternehmen wie Anduril.
Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Definition von „Verteidigung, Sicherheit und Resilienz“, die auch Robotik, Biotechnologie, Quantencomputing, Erdbeobachtungssysteme, Kernenergie sowie „Dual-Use“-KI umfasst. Insgesamt machten diese Bereiche 2024 rund zehn Prozent aller VC-Investitionen in Europa aus.
Besonders Deutschland konnte sich als neuer Investitionsschwerpunkt durchsetzen und überholte das Vereinigte Königreich als größtes Ziel für Wagniskapital im Verteidigungssektor. München entwickelte sich zu einem Zentrum der Branche und zog fast eine Milliarde Dollar an Finanzierungen an.
Ein Beispiel für diesen Boom ist das Münchner Unternehmen Helsing, das KI für militärische Anwendungen entwickelt und im Juli 2024 eine Finanzierungsrunde über 450 Millionen Euro abschloss – angeführt von General Catalyst und mit einer Unternehmensbewertung von rund fünf Milliarden Euro.
Während US-Investitionen in generative KI-Modelle weiterhin boomen, stagniert die Finanzierung europäischer KI-Start-ups seit dem Launch von ChatGPT im Jahr 2022. Im gleichen Zeitraum wuchsen jedoch die Investitionen in Verteidigungs- und Sicherheits-Start-ups um 30 Prozent.
Der NATO Innovation Fund wurde 2022 gegründet, um die Finanzierungslücke europäischer Verteidigungsunternehmen zu schließen und das Risiko einer technologischen Abhängigkeit von den USA zu verringern. Traditionell standen europäische Investoren Verteidigungsunternehmen aus ethischen Gründen skeptisch gegenüber, doch seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 hat sich diese Haltung gewandelt.
Allerdings bleiben lange staatliche Beschaffungsprozesse ein Hindernis für Start-ups. „Für dieses Ökosystem brauchen wir mehr privates Kapital. Es wird nicht nur mit staatlichen Förderungen funktionieren“, sagte Chen. Eine Beschleunigung der Beschaffungsprozesse sei entscheidend, um die wachsende Branche für weitere private Investoren attraktiv zu machen.

