Analyse: Tanz auf dem Vulkan - Italiens Kampf gegen Schuldenkrise

Rom (dpa) - Im Regierungspalast am Tiber mag man es nicht glauben: Am Montagabend wertete der Rating-Riese Standard & Poor's (S&P) die Kreditwürdigkeit Italiens weiter herab.

Doch auch viele Kritiker in Italien wie einflussreiche Wirtschaftsverbände, die Opposition, aber auch zunehmend Mitglieder der Koalition teilen die Begründung der Agentur: Angesichts der Rezessionsgefahr müsse Italien mehr tun, um die Wirtschaft anzukurbeln - der Regierung des skandalumwitterten Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi aber wird dies immer weniger zugetraut.

«Entweder setzt die Regierung die wichtigen Reformen durch, auch wenn sie unpopulär sind, oder sie muss gehen», nahm die Präsidentin des Industrieverbandes Confindustria, Emma Marcegaglia, am Dienstag kein Blatt vor den Mund. Schon am Vortag hatte sie Berlusconi mangelnden Mut vorgeworfen. Bei den notwendigen Sparpaketen handele es sich ausschließlich um Steuern. Italien brauche hingegen strukturelle, wachstumssteigernde Reformen, Privatisierungen, Liberalisierungen sowie die immer wieder aufgeschobene Rentenreform, forderte Marcegaglia.

Die Gewerkschaften sowie die linke Opposition kritisieren schon lange, die vorgesehenen Kürzungen träfen ausschließlich die Schwachen der Gesellschaft. Viele Bürger Italiens, das mit 1,9 Billionen Euro im Juli nach Griechenland im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung den zweithöchsten Schuldenstand der Eurozone aufweist, fürchten und fühlen bereits das Damoklesschwert einer Rezession. Die Armut steigt. Besonders die Jugendarbeitslosigkeit ist dramatisch. Mehr als 40 Prozent der unter 25-Jährigen suchen seit mehr als einem Jahr einen Job. Letzten Umfragen zufolge läge Berlusconis Koalition bei Neuwahlen fast 10 Prozentpunkte hinter der Opposition.

Doch das ist nicht alles: Zu den fehlenden Reformen addieren sich die unendlichen Skandale Berlusconis. Der 74 Jahre alte Premier sitzt aktuell in vier Prozessen auf der Anklagebank - unter anderem wegen Steuerhinterziehung, Korruption und Sex mit einer minderjährigen Prostituierten. Ein fünfter könnte in Kürze folgen. Dass Italiens Image unter dem Image seiner Regierung leidet, ist für viele längst eine Tatsache.

«Berlusconi würde sich in Deutschland nicht mal eine Woche an der Macht halten», brachte es «Die Zeit»-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo kürzlich auf den Punkt. Im jüngsten Skandal, der die Presse erhitzt, soll ein junger Unternehmer aus Bari von Berlusconi rund eine halbe Million Euro für Falschaussagen einkassiert haben. Wieder geht es um junge Frauen und Sexpartys. Berlusconis Weigerung, als Zeuge auszusagen, sowie massenhaft veröffentlichte pikante Auszüge aus den Ermittlungsakten schüren die Gerüchte.

Wenig überzeugend scheint da die am frühen Dienstagmorgen verbreitete verärgerte Mitteilung aus dem Regierungspalazzo Chigi, die Bewertung von S&P sei wohl «mehr von Medienberichten als von der Realität diktiert worden und durch politische Überlegungen verzerrt». Berlusconis Medienschelte ist schließlich ein alter Hut. Die EU-Kommission immerhin unterstrich die Sparbemühungen Roms. Italien handle und werde seine mit den EU-Partnern vereinbarten Sparziele erreichen.

«Wir tanzen gemeinsam auf einem Vulkan und müssen gemeinsam daran arbeiten, Italien vom Abgrund wegzubringen», wandte sich Osvaldo Napoli, Vize-Fraktionschef von Berlusconis Regierungspartei PdL im Abgeordnetenhaus, mahnend gegen die Rücktrittsforderungen. Ob der Tanz auf dem Vulkan gut endet und mit welcher politischen Besetzung, bleibt abzuwarten.

EU / Finanzen / Italien
20.09.2011 · 22:50 Uhr
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