Analyse: Staatsanwälte - der Bund der Verschwiegenen

Karlsruhe (dpa) - Die Morde und brutalen Überfälle einer rechtsextremistischen Gruppe schockieren die Menschen - und die ermittelnde Behörde schweigt. Mehr als ein «Wir widmen uns auch intensiv dem rechtsextremistischen Umfeld der Gruppe» ist dem neuen Generalbundesanwalt Harald Range nicht zu entlocken.

Ob und wann die Schlüsselfigur Beate Zschäpe aussagen wird und ob sie die Kronzeugenregelung in Anspruch nimmt? «Kein Kommentar.»

Die Ermittler verraten nicht einmal, was aus anderen Quellen wie dem nordrhein-westfälischen Justizministerium längst bekannt ist - nämlich dass die Frau, die mit einer Bombe in ihrer Wohnung wichtige Beweismittel vernichtet hat, in Köln einsitzt. «Wir müssen den Kern der Ermittlungen unter Verschluss halten», sagt Sprecher Marcus Köhler und wirbt um Verständnis. Bei allein knapp 200 Ermittlern des Bundeskriminalamtes sowie ungezählten Fahndern in den Ländern sei die Datenfülle zurzeit unüberschaubar.

Wie schnell in einer solchen Zeit falsche Informationen weitergegeben werden können, hat die Bundesanwaltschaft am vergangenen Wochenende selbst vorexerziert. Der damals noch amtierende Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum hatte in einem Interview erklärt, beim Verdächtigen Holger G. sei ein Drehbuch für einen Propagandafilm sowie eine verdeckte Schussanlage gefunden worden. Später korrigierte sein Sprecher, Griesbaum habe die Fundstellen verwechselt. Das Material habe in der Wohnung der Zwickauer Hauptverdächtigen gelegen.

Eine kleine Panne in dem Bemühen der Anwaltschaft, nur mit wirklich gesicherten Fakten an die Öffentlichkeit zu gehen. Und sichere Erkenntnisse gibt es zurzeit nur wenige. Viele Zeugen und auch Verdächtige werden noch vernommen - es ergibt sich noch kein klares Bild. Und was könnte alles passieren, wenn solche erste Ermittlungsergebnisse zu schnell herausposaunt werden? Ein Mittäter könnte gewarnt, ein Attentäter aufgescheucht oder ein Unschuldiger gehetzt werden.

Doch damit allein ist das Schweigegelübde nicht zu erklären. Es liegt auch in den Strukturen begründet. Sobald ein Terrorverdacht vorliegt, zieht die Bundesanwaltschaft wie der große Bruder aller Fahnder die Ermittlungen aus den Ländern an sich. Die Beamten am Ort reagieren nicht selten verschnupft, weil sie in ihren Rechten beschnitten werden.

Der ein oder andere von ihnen gibt deshalb bereitwillig sein Wissen der Öffentlichkeit weiter - selbstverständlich ohne Namensnennung. Dass angesichts der aufgeheizten Stimmung nicht alle Informationen unter der Decke gehalten werden können, ist auch den Bundesanwälten klar. Aber sie wollen die Lecks so klein wie möglich halten - und mit gutem Vorbild vorangehen.

Nicht von ungefähr hat Harald Range, der in seinem früheren Amt als Generalstaatsanwalt in Celle auch die Rolle des kleinen Bruders kennt, bei seiner Amtseinführung am Donnerstag eine bessere Kooperation angekündigt. Der Föderalismus, weiß Range, hat seine Eigenheiten, die auch in der Zusammenarbeit mit ausländischen Ermittlern nicht immer einfach zu erklären sind. Dieses System sei fremden Staatsanwälten oft nicht ganz geheuer.

Der Vorwurf, die Bundesanwaltschaft tue sich vor allem bei rechtsextremistischen Straftaten mit Auskünften schwer, lässt sich nicht erhärten. Klar ist jedoch, dass die Staatsanwälte in den vergangenen Jahrzehnten vor allem von Linksterroristen und Islamisten in Atem gehalten wurden. Bei rechtsextremistisch begründeten Straftaten fehlte oft der entscheidende Schritt, der die Ankläger in Karlsruhe erst ins Spiel bringt: der Nachweis einer Organisation.

Dort, wo Neonazis organisiert auftraten und nicht als lose zusammengewürfelte Schlägertruppen, griff der Generalbundesanwalt schon vor Jahren hart durch. Zuletzt stufte der Bundesgerichtshof 2005 die Neonazi-Band «Landser» als kriminelle Vereinigung ein. War doch in mehreren Prozessen deutlich geworden, dass rechte Schläger von «Landser»-Songs zu ihren Taten angestachelt worden waren.

Dennoch herrscht in Juristenkreisen nach wie vor die Auffassung, dass sich Rechtsradikale nur selten feste Strukturen schaffen, und wenn, dann nicht annähernd so effektiv wie Linksradikale. Eine «braune RAF» - bislang kaum denkbar. Noch schweigt die Bundesanwaltschaft zu diesen Fragen. Spätestens im Verfahren gegen die NSU wird sich zeigen, wie gut die Rechtsextremisten wirklich organisiert sind.

Extremismus / Kriminalität
17.11.2011 · 22:14 Uhr
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