Analyse: Jetzt ist der Bundespräsident am Zug

Berlin (dpa) - Es waren zähe Verhandlungen beim Kamingespräch mit der Kanzlerin. Bis zum Morgen feilschten die Ministerpräsidenten der Union mit CDU-Chefin Angela Merkel in Hessens Landesvertretung um Geld aus der Atomsteuer.

Als Ausgleich für die im Schnitt zwölf Jahre längeren Laufzeiten sollen die Konzerne bis 2016 jährlich 2,3 Milliarden Euro an den Bund zahlen. Am Morgen nach der Nachtrunde ist es Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), der kurz vor der entscheidenden Bundesratssitzung weißen Rauch aufsteigen lässt.

Der Bund prüft als Kompromiss bis Mitte 2012 die Folgen der Steuer für die Länderhaushalte - somit könnte es am Ende Geld für die Länder geben. «Ich glaube, das ist ein vernünftiger Kompromiss», sagt Bouffier. Weil die Konzerne die Aufwendungen als Betriebsausgaben absetzen können, fürchten Länder und Kommunen Ausfälle von bis zu 600 Millionen Euro jährlich bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer.

Um es schwarz auf weiß zu haben, musste Merkels Staatsminister im Kanzleramt, Eckart von Klaeden (CDU), im Bundesrat eine Kompromiss- Erklärung zu der Atomsteuer abgegeben. Im Gegenzug verzichteten die Unionsländer darauf, zusammen mit den SPD-Ländern den Vermittlungsausschuss anzurufen. Das hätte die Einführung der milliardenschweren Steuer verzögern können. Die Folge: weniger Einnahmen.

Ein Teil des Geldes aus der Besteuerung von Brennelementen soll auch in die Sanierung des maroden Atommülllagers Asse fließen. Und dabei sieht sich die Regierung wieder mit dem Problem konfrontiert, dass sie mit längeren Atomlaufzeiten hunderte Tonnen mehr an radioaktiven Abfällen erlaubt. Rund um die Asse, so wird bekannt, gibt es eine deutlich erhöhte Zahl von Blutkrebserkrankungen. Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass tatsächlich das Atommülllager dafür verantwortlich ist.

Merkel dürfte froh sein, dass ihr nach der Eskalation bei der Atomabstimmung im Bundestag eine Schlappe durch die eigenen Länderfürsten im Bundesrat erspart geblieben ist. Während die Länder ihr Atompaket passieren lassen, ist sie wenige hundert Meter entfernt auf einer hinteren Bank des Bundestags scherzend und tuschelnd mit FDP-Vizekanzler Guido Westerwelle zu sehen. Gemeinsam blättern sie im Buch des früheren SPD-Finanzminister Peer Steinbrück zur Finanzkrise.

Aber so ganz sicher, kann sie sich auch jetzt noch nicht sein. Denn Bundespräsident Christian Wulff wird in den nächsten Wochen eingehend prüfen, ob die Atomgesetze rechtens sind - ob der Bundesrat das Atompaket mit den längeren Laufzeiten nur abnicken durfte und ob er nicht hätte die Möglichkeit bekommen müssen, es komplett zu stoppen.

So wie die Länder von der Atomsteuer betroffen sind, müssen sie auch mit ihrer Atomaufsicht kontrollieren, ob die Atomkraftwerke (AKW) bei den im Schnitt zwölf Jahre längeren Laufzeiten weiter sicher sind. Auch millionenschwere Nachrüstungen der in die Jahre gekommenen Meiler müssen sie abnehmen. Die letzten der 17 deutschen AKW waren 1988 ans Netz gegangen, sie sind aber durch regelmäßige Revisionen auf dem modernsten Stand und mit die sichersten, argumentieren die Betreiber.

Wulffs Problem ist, dass in seiner Zeit als niedersächsischer CDU- Ministerpräsident sein Sprecher eine Zustimmung des Bundesrats für erforderlich hielt. Er selbst hielt sich bedeckt. Über 120 000 Menschen haben sich bereits mit einem Online-Appell unter dem Motto «Wulff tu's nicht» hinter die Forderung gestellt, «einen kalkulierten Verfassungsbruch zu stoppen».

Bis heute hat die Regierung nach Meinung der Opposition nicht öffentlich detailliert dargelegt, warum sie trotz eines anderslautenden Gutachtens für das Umweltministerium das deutliche Laufzeitplus auch ohne Bundesratszustimmung für rechtens hält. SPD, Grüne und Linke wettern, die Regierung habe ihr Atomgesetz mangels eigener Mehrheit in der Länderkammer nach ihrem Gutdünken zurechtgezimmert.

Wenn Wulff unterschreibt, gibt es daher für Merkel immer noch keine Sicherheit, ob der Kompromiss das Jahr 2011 übersteht. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) betont, dass die SPD-geführten Länder «das Bundesverfassungsgericht anrufen werden, um das Atompaket zu kippen». Man rede hier nicht über irgendeinen Interessenkonflikt, sondern über eine Frage, die von elementarster Bedeutung für die Sicherheit der Menschen sei.

Energie / Atom / Bundesrat
27.11.2010 · 12:18 Uhr
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