Das Imperium der Wölfe

Original: L´empire des Loups
Regie: Chris Nahon
Darsteller: Arly Jover, Philippe Bas
Laufzeit: 129min
FSK: ab 16 Jahren
Genre: Thriller, Action, Drama (Frankreich)
Verleih: Tobis Film
Filmstart: 25. August 2005
Bewertung: 7,0 (1 Kommentar, 1 Vote)
Ein Hightech-Labor, hell erleuchtet: Eine junge Frau der guten Pariser Gesellschaft, Anna Heymes (Arly Jover), unterzieht sich einer neurologischen Untersuchung. Körpersprache und Gestik deuten auf große Anstrengungen, ja Schmerzen hin. Aber alles läuft gut, bis bei einem der Tests das Foto eines Mannes projiziert wird, den sie nicht erkennt: Die Fotografie zeigt ihren Ehemann Laurent (Philippe Bas). Er ist ein hoher Beamter im Innenministerium, und Anna ist seit acht Jahren mit ihm verheiratet. Laurent, der Anna von der Untersuchung abholt, ist sehr besorgt. Wie kann es sein, so fragt er Professor Ackermann (Didier Sauvegrain), dass seine Frau seit ungefähr einem Monat immer wieder Aussetzer hat, ihn nicht erkennt oder auch Teile ihrer gemeinsamen Vergangenheit einfach aus der Erinnerung gelöscht hat? Laurent rät seiner Frau, sich einer Biopsie bei Professor Ackermann zu unterziehen. „Niemals!“ stößt sie verzweifelt hervor, sie ist doch kein Versuchskaninchen. Paris liegt unter einem permanenten Regen: In der vornehmen Chocolaterie, in der Anna arbeitet, berichtet sie ihrer Kollegin kurz von der Untersuchung und ihrer Ratlosigkeit, dann muss sie einen Mann bedienen, der öfter kommt und sie schon seit einer Weile nervös macht. Sie weiß nicht, woher sie diesen Mann kennt, ahnt aber, dass sie ihm schon mal begegnet ist. Wer ist dieser Mann? Und warum erkennt er sie nicht? Nur ein paar Kilometer entfernt und doch in einer ganz anderen Welt: Im Sentier, dem Textilviertel von Paris wird eine Leiche aus dem Wasser gezogen. Es ist das dritte Opfer innerhalb kurzer Zeit – und es gibt nicht die geringste Spur. Der junge Polizist Paul Nerteaux (Jocelyn Quivrin) weiß sich nicht anders zu helfen, als den ehemaligen Bullen Schiffer (Jean Reno) zu reaktivieren. Schiffer hatte das Textilviertel, auch Klein-Türkei genannt, fast 20 Jahre fest im Griff, bis sich seine Methoden zur Verbrechensbekämpfung kaum mehr von denen der Kriminellen unterschieden und er suspendiert wurde. Schiffer ist ein Typ, an den sich niemand bei der Polizei gern erinnert. Nerteaux stattet dem Zwangspensionierten einen Besuch ab. Er zeigt dem schlecht gelaunten Schiffer Fotos einer schwer misshandelten Toten: weiblich, 25 Jahre alt, türkischer Abstammung, illegal in Frankreich, rothaarig und wahrscheinlich Näherin. Als Schiffer schließlich einwilligt, Nerteaux zu unterstützen, kramt er eine Halskette mit einem goldenen Anhänger unter seinem schäbigen Hemd hervor und erklärt: „Das ist mein einziger Wegbegleiter auf der Suche nach unserem Mörder.“ Gemeinsam fahren die beiden in die Pathologie, um sich das letzte Opfer anzusehen. Die Frau wurde offensichtlich über Stunden gefoltert. 70 Knochenbrüche sind bei der Toten festzustellen. Auffällig ist auch, dass sie, genau wie die beiden anderen Opfer auffällige Schnitte im Gesicht hat: Eine Spur? Sind es irgendwelche Zeichen, die die beiden nur nicht deuten können? Die Art der Misshandlungen und die Tatsache, dass auch die anderen beiden Opfer illegal in Frankreich waren, machen die Sache für Schiffer ganz eindeutig: Der Weg zum Mörder führt über „Iskele“. „Iskele“ ist der Name eines türkischen Mafia-Netzwerkes, das sehr gut organisiert ist und illegal Einwanderer nach Paris schleust, um die kleinen Werkstätten des Sentier mit billigen Arbeitskräften zu versorgen. Schiffer kennt ihren Boss Malek (Vincent Grass), der sich Marius nennt, und er schlägt vor, ihn aufzusuchen. Unterdessen im vornehmen achten Arrondissement: Immer mehr verdichtet sich für Anna, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmt. In ihr keimt Misstrauen, vor allem gegenüber ihrem Mann. Die schöne Ordnung ihrer Existenz erscheint ihr plötzlich abgründig. Was ist das für eine Amnesie, die sich nur auf Laurent bezieht und wodurch wurde sie ausgelöst? Sie beschließt, eine psychiatrische Praxis aufzusuchen. Anna erzählt der Ärztin Mathilde Urano (Laura Morante) ihre Geschichte. Sie möchte endlich wissen, was passiert ist. Während der Behandlung taucht die Hypothese auf, dass ihr Mann sein Gesicht verändert haben könnte. Aber andererseits, warum sollte er das getan haben und warum offenbart er sich ihr nicht? Als Anna nachts nicht schlafen kann, untersucht sie den Kopf ihres Mannes auf Narben, kann aber nichts finden. Erst am nächsten Morgen, nach der Dusche entdeckt sie im Spiegel Narben – aber an sich, auf ihrem Kopf. Sie hat also Recht und doch ist es ganz anders – noch rätselhafter: Ihr Gesicht wurde verändert. Panisch verriegelt sie die Badezimmertür und flüchtet, nachdem Laurent versucht sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen, durchs Fenster. Sofort alarmiert Laurent seine Kollegen aus dem Ministerium, die auch erstaunlich schnell zur Stelle sind und die Verfolgung aufnehmen. Annas Angst wird zur Gewissheit, sie kann niemandem in ihrer Umgebung mehr trauen. Gegen sie findet ein Verschwörung statt. Anna flüchtet in ein Krankenhaus, wo sie ihren Kopf röntgen lässt. Der untersuchende Arzt wundert sich, dass die Patientin ihm nichts von ihrem Unfall erzählt hat. Sie indessen fragt sich, von welchem Unfall der Arzt spricht. Als sie sich die Aufnahme anschaut, stellt sie fest, dass ihr Schädel voller Metallklammern ist. Verzweifelt sucht sie Mathilde Urano auf. Sie zeigt ihr die Röntgenaufnahme und bittet sie um Hilfe. In der Zwischenzeit hat Schiffer mit seinen alten zweifelhaften Methoden Marius überzeugt, die Iskele-Akten der drei ermordeten Mädchen heraus zu geben. Bei Durchsicht der Dokumente stellen Nerteaux und Schiffer fest, dass sich die drei Opfer zum Verwechseln ähnlich sahen. Hat der Mörder also möglicherweise ein bestimmtes Mädchen gesucht, und er hat sich bei den drei bisherigen Morden nur geirrt? Die beiden Polizisten ziehen durch die Nähstuben des Sentier. In einer bekommen sie einen Tipp. Hinter einem Spind, den sie beiseite schieben, steigen sie in eine weitläufige und belebte Katakomben-Welt hinab. In heller Aufregung läuft ein junger Bursche weg. Als Schiffer ihn stellt, brüllt er, dass der Mafiaboss Gurdilek (Jean-Marc Huber) ihn beschützt. Schiffer aber ist nicht der Typ, der sich von großen Namen einschüchtern lässt – für wen er arbeitet, will Schiffer unsanft aus ihm herauspressen. „Für Bozkurt“, stöhnt der Junge irgendwann vom Schmerz erschöpft. Dieser Name steht für die „Grauen Wölfe“, eine rechtsradikale türkische Terrororganisation. Schiffer kennt die Grauen Wölfe. Sie zählen zu den unerbittlichsten Terrorgruppen, die es gibt. Als Nerteaux und Schiffer den Mafiaboss Gurdilek aufsuchen, erfahren sie, dass die Polizei irgendwie in den Fall involviert ist: Am Tatort des ersten Frauenmordes haben Polizeibeamte eine Zeugin, die sich einmischen wollte, mit aufs Revier genommen. Diese Zeugenaussage tauchte aber nicht in den Akten auf. Wer die Zeugin war, will Nerteaux wissen, doch bevor Gurdilek weiter sprechen kann, wird sein Körper von Maschinengewehrkugeln durchbohrt. Nerteaux und Schiffer können dem Anschlag der Grauen Wölfe gerade noch entgehen. Anna bei Mathilde Urano: Inzwischen glaubt auch die Ärztin an ein Komplott. Die beiden Frauen wollen herausfinden, wer Anna wirklich ist. Offensichtlich haben Annas Mann und seine Kollegen ihre Erinnerung gelöscht. „Aber was dem Gehirn verloren gegangen ist, bleibt im Körper dennoch eingeschrieben“, erklärt die Ärztin. So beschließt Mathilde, zu einem befreundeten Biologen zu fahren, der mittels komplexer Tests mehr Aufschluss über Annas Identität gibt: Der Prozentsatz roter Blutkörperchen in ihrem Kreislauf, entspricht dem eines Hochleistungssportlers, in ihren Zellen ist hohe Radioaktivität eingelagert und ihr wurde früher einmal extreme Gewalt zugefügt. Außerdem findet der Biologe unter ihren Fingernägeln Henna, als dessen Herkunft er Anatolien ausmacht. Langsam drängt sich der Verdacht auf, das Annas Geheimnis in der Türkei zu finden ist. Mathilde Urano hat inzwischen herausgefunden, dass Prof. Ackermanns Institut geheime neurologische Forschungen betreibt. In Berichten ist von Projekten über Persönlichkeitsmanipulation mit Hilfe von Radioaktivität die Rede. Ackermann arbeitet total abgeschottet und untersteht direkt dem Innenministerium. Das muss die Spur sein. Anna und Mathilde lauern Ackermann auf und nötigen ihn zu sprechen: Charlier (Patrick Floersheim), der Chef der Anti-Terror-Brigade, verfolgte nach dem 11. September 2001 die Idee, ein Geheimprogramm zu starten, mit dem man Informanten in terroristische Organisationen einschleusen kann. Dazu wollten sie Terroristen kidnappen und mit dem radioaktiven Stoff Oxygen 15 behandeln, der in hohen Dosen verabreicht, die Erinnerung beeinflussen kann. So wird die Persönlichkeit durch künstliche Erinnerungen ersetzt. Anna war ein Experiment, um zu testen, wie weit man gehen kann. Sie war eine ideale Kandidatin: ohne Papiere, irgendwo aufgegriffen, mit unklarer Identität. Ihr Verschwinden konnte leicht vertuscht werden. Anna ist außer sich. Sie will wissen, wer sie ist und fährt mit Mathilde und Ackermann in sein Institut, um durch einen erneuten Eingriff, ihre Erinnerungen zurück zu gewinnen. Als Anna nach dem Eingriff wieder zu sich kommt, sagt sie wissend: „Ich wünschte, ich wäre wirklich Anna Heymes.“ Zwischenzeitlich konnten Laurent und seine Männer Annas Spur ausfindig machen. Sie tauchen im Institut auf und wollen sie still stellen. Die junge Frau, jetzt wieder mit dem Bewusstsein ihrer wahren Identität, kämpft die Männergruppe mühelos nieder. Sie agiert wie eine Killermaschine. Als Anna und Mathilde schließlich im Auto davon rasen, erzählt Anna, dass sie eigentlich Sema Gokalp heißt und als Drogenkurier für die Grauen Wölfe nach Paris kam. Die letzte Lieferung hat sie gestohlen, weil sie mit dem Geld ein neues Leben beginnen wollte. Um von den Wölfen nicht geschnappt zu werden, hat sie ihr Gesicht verändern lassen und ihre Haare nicht mehr rot gefärbt. Anna erinnert sich jetzt auch wieder an den Mann, der ein paar Mal in der Chocolaterie war. Er heißt Azer Zeki (David Kammenos), gehört zu den Wölfen und ist der brutalste Killer, den man sich vorstellen kann. Er sollte Sema umbringen. Dass Sema inzwischen nicht mehr existierte, weil aus ihr Anna geworden war, wusste er nicht. Unterdessen betreiben Nerteaux und Schiffer die Ermittlungen weiter. Nerteaux gelingt es, ein Bild von der jungen Frau – Anna Heymes – zu beschaffen, die nach dem ersten Mord als Zeugin auf die Wache gebracht und dort am nächsten Morgen von Kollegen der Anti-Terror-Gruppe abgeholt wurde. Warum hat sie sich bei dem ersten Anschlag so beherzt eingemischt? Weil sie wusste, dass jemand anderes, vielleicht sie selbst, die Zielscheibe war? Andererseits: wenn sie das Mädchen ist, das die Grauen Wölfe suchen, warum haben die sich bei ihrem ersten Gemetzel so gründlich vertan? Unter mehreren Spekulationen erscheint die, dass sie vielleicht ihr Äußeres, ja ihre gesamte Existenz verändert hat, als die naheliegendste. Als hätte sich plötzlich ein Sinnenwandel in Schiffer vollzogen, will er sich sofort aus dem Fall zurückziehen. Er will möglichst spurlos daraus verschwinden und zwar sofort. Das gleiche rät er auch Nerteaux. „Das war nie unser Fall mein Kleiner“, sagt er noch. Nerteaux ist empört. Jetzt kneifen? Niemals! Zumal er sich näher denn je an der Lösung seines Falles glaubt! Mit Hilfe des Bildes seiner Zeugin klappert Nerteaux alle Schönheitschirurgen der Stadt ab. Als er endlich fündig wird, ist der Graue Wolf Azer Zeki ihm auch schon auf den Fersen. Zeki tötet den Arzt, bringt das Bild mit Annas neuem Gesicht in seinen Besitz und setzt an, dem jungen Polizisten ebenfalls Male ins Gesicht zu schneiden. Mit letzter Anstrengung gelingt es Nerteaux, sich zu befreien. Zeki flüchtet. Zumindest hat Nerteaux den Killer der drei Mädchen nun schon einmal aus der Nähe gesehen. In der verwüsteten Praxis des toten Chirurgen zurück geblieben: eine Kette, die Zeki beim Kampf verloren hat. Daran ein Anhänger – den gleichen, den Schiffer ihm einst zeigte. Jeder Schritt zur Lösung wirft dreimal so viel neue Fragen auf: Ist Schiffer auch ein Grauer Wolf? Was spielt er für eine Rolle in diesem Fall? In welche Intrigen zwischen rechtsradikalem Terror, gemeinem Mord und hinterhältigen Verschleierungstaktiken der Staatsorgane ist seine Zeugin da verstrickt? Und bedeutet Zekis Auftritt beim plastischen Chirurgen, dass die Terroristen ganz dicht auf ihrer Spur sind? Anderntags wird Nerteaux vom Dienst suspendiert. Sein Büro wird geräumt, sein Recherchematerial wird vom Staatsschutz einkassiert. Zeki hat sich zwischenzeitlich in die Türkei abgesetzt. Anna alias Sema Gokalp ist ebenfalls verschwunden, und Schiffer scheint tot zu sein – gestorben bei einem Sprengstoff-Anschlag Semas in Paris. Nerteaux ahnt, dass er sich zur Entwirrung des großen Geheimnisses ebenfalls auf den Weg in die Türkei machen muss...

Kommentare

(1) blue.shift vergibt 7 Klammern · 20. August 2005
Anfangs recht verworren, allerdings sind bereits etwa zur Hälfte die meisten Verbindungen klar, wenn man gut aufpasst. Spannend gemacht, kamera- und schnitttechnisch interessant gestaltet, stellenweise allerdings recht langatmig. Für Sneak => gut!