Streit über Konsequenzen nach Atomunfall

Berlin (dpa) - Als Konsequenz aus dem Atomunfall in Japan hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Überprüfung der Sicherheitsstandards bei den deutschen Atomkraftwerken angekündigt.

Dies werde gemeinsam mit den zuständigen Länderministern geschehen. «Die Geschehnisse in Japan sind ein Einschnitt für die Welt», sagte Merkel am Abend in Berlin.

Wenn in einem derart hoch entwickelten Land wie Japan mit höchsten Sicherheitsstandards ein solcher Unfall passiere, könne «auch Deutschland nicht einfach zur Tagesordnung übergehen». Allerdings sei es zu früh, abschließende Schlussfolgerungen zu ziehen, fügte Merkel mit Blick auf die neu entfachte Debatte um die Laufzeitverlängerung für deutsche Meiler hinzu. Sicherheit sei für sie stets das oberste Gebot.

Oppositionspolitiker, Verbände und Initiativen forderten hingegen, die deutschen Anlagen baldmöglichst abzuschalten. SPD, Grüne und Linke kritisierten die von der Koalition im Herbst beschlossene Verlängerung der Laufzeiten um durchschnittlich 12 Jahre und betonten, die Kernkraft sei auch hierzulande nicht völlig beherrschbar. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) lehnte es angesichts der Schreckensbilder von der Erdbebenkatastrophe in Japan wie Merkel ab, jetzt schnell eine innenpolitische Debatte zu führen. Er räumte aber ein, dass sich auch für Deutschland die Frage nach der Beherrschbarkeit der Atomrisiken stelle.

Atomkraftwerke «sind gegen das Risiko einer Kernschmelze nicht gefeit», betonte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin in Berlin. In Deutschland stünden Atomanlagen, «die genau diesen Störfall nicht beherrschen. Genau diese Anlagen sind gerade von der Bundesregierung in der Laufzeit verlängert worden», sagte Trittin «Spiegel online».

Die Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir kritisierten Röttgen: «Vorschnell und unüberlegt sind die Beteuerungen von Umweltminister Röttgen, den Menschen in Deutschland drohe selbst bei einem GAU in Japan keinerlei Gefahr, und seine unhaltbare Behauptung, die Atomkraftwerke in Deutschland seien sicher.» Özdemir forderte in der «Welt am Sonntag» einen Atomgipfel mit allen Fraktions- und Parteivorsitzenden im Kanzleramt.

Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, forderte: «In den kommenden Wochen müssen wir auch in Deutschland die Atomfrage erneut auf die Tagesordnung setzen. Daher fordere ich die Bundesregierung auf, nicht auf Karlsruhe zu warten und die Laufzeitverlängerung sofort zurückzunehmen.» Mehrere Bundesländer haben gegen die entsprechenden Gesetze vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt.

Die Linkspartei ist für einen weltweiten Stopp des Ausbaus der Atomkraft. «Die japanischen Meiler galten als die sichersten», gaben die Vorsitzenden der Linkspartei, Klaus Ernst und Gesine Lötzsch, sowie Linksfraktionschef Gregor Gysi zu bedenken. «In Deutschland müssen wir zu einer Politik der systematischen Reaktorabschaltung kommen, unverzüglich und unumkehrbar.»

Röttgen erklärt die Debatte mit Blick auf die akute Notlage in Japan für unangemessen. «Ich halte das, um es ganz zurückhaltend zu sagen, für völlig deplatziert», sagte er beim nordrhein-westfälischen CDU-Landesparteitag in Siegen. In einem Gespräch mit Radio WDR 2 ergänzte er: «Die Grundfrage der Beherrschbarkeit von Gefahren, die ist mit dem heutigen Tag neu gestellt und der werden wir uns auch zuwenden.» Zuvor müsse aber klar sein, wie es zu dem Vorfall in der japanischen Anlage habe kommen können.

Angesichts des tausendfachen Leids sei nicht die Zeit für parteipolitische Debatten über die Risiken der Atomkraft, sagte auch FDP-Chef Guido Westerwelle, der wegen der Lage in Japan vorzeitig vom EU-Außenministertreffen in Ungarn nach Berlin zurückgekehrt war. Ähnliche argumentierte SPD-Chef Siegmar Gabriel in einer Erklärung: «Wir sollten das Leid der Japaner nicht für unseren innenpolitischen Streit instrumentalisieren.» Bei «Spiegel Online» sagte er später aber: «Für die SPD und auch für mich ist seit langem klar: Die Risiken der Atomenergie sind völlig unvertretbar und wir müssen so schnell wie möglich dort aussteigen.»

Aus Sicht des atomkritischen CSU-Bundestagsabgeordneten Josef Göppel stellt die Lage in Japan die Laufzeitverlängerung infrage. «Der Druck wird steigen, Kernkraftwerke älterer Bauart planmäßig vom Netz zu nehmen», sagte der Umwelt-Obmann der Unionsfraktion dem Berliner «Tagesspiegel» (Sonntag). Zudem forderte er eine Untersuchung und gegebenenfalls Nachrüstung deutscher Kernkraftwerke.

Der Technikvorstand des Energiekonzerns RWE, Gerd Jäger, sieht keinen Grund, die Laufzeitverlängerung für deutsche Meiler bis 2035 zu überdenken. «In Deutschland werden mit gutem Grund höchste Sicherheitsstandards für Kernkraftwerke angesetzt, und sie werden von uns erfüllt», sagte er der «Welt am Sonntag».

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet nach dem Reaktorunfall in Japan mit einer Neubewertung der Kernenergie in Deutschland. «Der Druck auf Bundeskanzlerin Merkel wird zunehmen, den Atomkonsens mit der Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke wieder zurückzunehmen», sagte die DIW-Energie-Expertin Claudia Kemfert «Handelsblatt Online».

Der Präsident des Naturschutzbundes NABU, Olaf Tschimpke, forderte die Bundesregierung auf, ältere «Schrottmeiler» sofort stillzulegen. Ähnlich argumentiert die Umweltschutzorganisation Greenpeace: «Atomkraft ist verantwortungslos», sagte ihr Atomexperte Jörg Hein.

Erdbeben / Atom / Japan / Deutschland
13.03.2011 · 08:43 Uhr
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