Sorgen über US-Kurs nach Trump-Rundumschlag

Washington/Berlin (dpa) - Der designierte US-Präsident Donald Trump hat mit harscher Kritik an Deutschland, EU, Nato und Autoindustrie große Sorgen über seinen Kurs als mächtigster Mann der Welt geweckt.

So bewertete Trump die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Interview von «Bild» und Londoner «Times» als «äußerst katastrophalen Fehler». Der Europäischen Union sagte er ohne Bedauern weitere Austritte voraus, die Verteidigungsallianz nannte er im jetzigen Zustand «obsolet», den deutschen Autobauern drohte er Strafzölle an.

Mit Irritation und Unverständnis, aber auch mit Appellen für mehr Selbstbewusstsein reagierten Spitzenpolitiker in Deutschland und Europa auf den Rundumschlag. Merkel sagte am Montag in Berlin zu Trumps Äußerungen über ihre Asylpolitik, der Kampf gegen den Terrorismus sei eine große Herausforderung für alle, sie würde das aber «von der Frage der Flüchtlinge noch einmal deutlich trennen».

Die Kanzlerin forderte die EU auf, sich nicht beirren zu lassen: «Also, ich denke, wir Europäer haben unser Schicksal selbst in der Hand.» Mit wirtschaftlicher Stärke und effizienten Strukturen könne man viele große Probleme bewältigen. Trump hatte zuvor gesagt, die EU sei lediglich «ein Mittel zum Zweck für Deutschland».

Abwertende Ansichten Trumps zur Nato seien in Brüssel mit Besorgnis aufgenommen worden, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier. «Wir müssen sehen, was daraus für die amerikanische Politik folgt.» Das Militärbündnis selbst versuchte, Trumps Äußerungen herunterzuspielen. Generalsekretär Jens Stoltenberg sei «absolut zuversichtlich», dass auch die neue US-Regierung zur Nato stehe. Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault meinte indes, Trumps Worte machten betroffen und erforderten Geschlossenheit. «Die beste Antwort auf das Interview des amerikanischen Präsidenten ist die Einheit der Europäer.»

Der designierte Präsident hatte in dem Interview Leitlinien seiner an diesem Freitag beginnenden Amtszeit umrissen. So sagte er der EU nach dem Brexit - dem geplanten Austritt Großbritanniens - schwere Zeiten voraus. «Wenn Sie mich fragen, es werden weitere Länder austreten.» Der Zustand der EU sei ihm aber nicht sehr wichtig. «Schauen Sie, zum Teil wurde die Union gegründet, um die USA im Handel zu schlagen, nicht wahr? Also ist es mir ziemlich egal, ob sie getrennt oder vereint ist, für mich spielt es keine Rolle.»

Über deutsche Autohersteller sagte Trump: «Sie können Autos für die USA bauen, aber sie werden für jedes Auto, das in die USA kommt, 35 Prozent Steuern zahlen.» Der Hersteller BMW, der 2019 eine Fabrik in Mexiko eröffnen will, solle das Werk in den USA bauen.

Diese Aussage kommentierte Steinmeier in Brüssel so: «Wir gehen davon aus, dass unser amerikanischer Partner sich auch weiterhin an die völkerrechtlichen Verpflichtungen und WTO-Regelungen hält.» Die WTO ist die Welthandelsorganisation.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, er rate, nicht hektisch zu werden. «Wir haben keine Angst vor Wettbewerb.» Der SPD-Chef warnte: «Würden wir uns derart abschotten wie es der neue US-Präsident vorhat, würden wir Hunderttausende von Arbeitsplätzen verlieren.»

Zum Thema Migration und Flüchtlinge erklärte Trump, Deutschland habe «all diese Leute» ins Land gelassen, wo auch immer sie hergekommen seien. Die USA würden von seinem ersten Amtstag an auf sichere Grenzen setzen. «Die Leute wollen nicht, dass andere Leute in ihr Land kommen und es zerstören.» Es gehe um Muslime «aus verschiedenen Teilen der Welt, die viele Probleme mit Terrorismus haben».

Der scheidende EU-Parlamentspräsident Martin Schulz rief ebenfalls zur Gelassenheit auf. Viele der Trump-Aussagen seien «in sich nicht schlüssig, widersprechen den Aussagen aus seinem Team, und sie werden sich so auch nicht umsetzen lassen», sagte der SPD-Spitzenpolitiker der Funke Mediengruppe. Er könne gleichwohl verstehen, dass Trump Irritationen hervorrufe, weil das Interview in Form, Wortwahl und Inhalt stellenweise befremdlich wirke. Der Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), sagte der Zeitung «Die Welt» (Dienstag): «Auch wir können die Daumenschrauben für die US-Konzerne anziehen, wenn es sein muss.»

Der britische Außenminister Boris Johnson begrüßte in Brüssel Trumps Äußerungen zu einem möglichen amerikanisch-britischen Handelspakt nach dem Brexit. «Ich denke, es sind sehr gute Nachrichten, dass die USA ein gutes Freihandelsabkommen mit uns abschließen wollen und dass sie es schnell machen wollen.»

Trump äußerte sich auch über die Sanktionen des Westens gegen Russland und stellte dies in Zusammenhang mit atomarer Abrüstung. «Zum einen finde ich, dass es deutlich weniger Nuklearwaffen geben sollte und sie erheblich reduziert werden müssten, das gehört dazu. Aber da sind diese Sanktionen, und Russland leidet im Moment schwer darunter.» Der Kreml nahm dies zurückhaltend auf. «Nun brauchen wir etwas Geduld, warten wir auf den Moment, in dem Herr Trump das Amt übernimmt, und sehen wir mal, welche Initiativen er umsetzt», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge in Moskau.

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Was von einigen Interview-Aussagen Trumps zu halten ist

Donald Trump lobt den Brexit und sieht ziemlich schwarz für die Europäische Union - und die Kontakte nach Brüssel sind wohl auch noch ausbaufähig. In der «Bild»-Zeitung berichtete Trump: «Ich habe mit dem Chef der Europäischen Union geredet, ein sehr angenehmer Herr rief mich an.» Die Nachfrage, ob es sich um Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gehandelt habe, bejahte Trump.

Allerdings hatte Juncker schon vor Wochen klargestellt, dass keineswegs er mit Trump gesprochen habe, sondern EU-Ratspräsident Donald Tusk. Tatsächlich telefonierten Tusk und Trump nach dpa-Informationen am 18. November.

Regierung / International / Wirtschaft / EU / Präsident / USA / Deutschland / Russland
16.01.2017 · 17:39 Uhr
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