Schwarz-Gelb ringt nach Wulff-Wahl um Einigkeit

Berlin (dpa) - Schwarz-Gelb sucht nach dem Abstimmungskrimi bei der Wahl von Bundespräsident Christian Wulff nach einem Rezept für Führungsstärke und besseren Teamgeist. Die CSU verlangt von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mehr Orientierung, die CDU setzt auf besseres Zusammenspiel.

Dagegen will sich die FDP-Spitze am liebsten nicht lange mit der Ursachenforschung beschäftigen und wie Merkel schnell wieder Sacharbeit machen. Wulff sah sich am Donnerstag seinen neuen Amtssitz an - am Freitag wird das Staatsoberhaupt vereidigt.

SPD und Grüne warfen der Linken am Tag nach der bisher längsten Bundesversammlung vor, Schuld an der Niederlage des rot-grünen Präsidentschaftskandidaten Joachim Gauck zu sein. Die Linken-Spitze konterte, SPD-Chef Sigmar Gabriel habe Gauck «verheizt». Bei einer Ausgrenzung der Linken gebe es keine Mehrheit für rot-grüne Projekte, sagte Linken-Chef Klaus Ernst dem ZDF. Die Grünen warfen der Linkspartei Politikunfähigkeit vor.

Wulff war am Mittwochabend erst im dritten Wahlgang gewählt worden. Am Ende bekam er 625 Stimmen - zwei mehr, als für die absolute Mehrheit notwendig, die er in den ersten beiden Wahlgängen gebraucht hätte. Im ersten Durchgang hatten ihm mindestens 44 Wahlleute aus dem schwarz-gelben Lager die Zustimmung verweigert, im zweiten waren es noch mindestens 29.

Trotz der Wahl im dritten Anlauf sieht sich Wulff ausreichend politisch gestärkt. «Am Ende eine absolute Mehrheit zu haben, mehr als alle anderen zusammen zu haben, das ist doch eine ausreichende Rückenstärkung», sagte er SAT.1. Ähnlich äußerte er sich bei RTL. Die ersten Auslandsreisen will Wulff zur Europäischen Union nach Brüssel sowie nach Frankreich und Polen unternehmen, sagte er der ARD.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe verlangte nach der Zitterpartie mehr Teamgeist von Union und FDP. In einer Koalition sei politische Führung «Mannschaftsspiel», sagte er im ZDF. «Und schon vor der Bundespräsidentenwahl wussten wir alle: Das muss besser werden, dieses Mannschaftsspiel.»

Auch Wulff plädierte in der ARD für mehr Einigkeit. «Ich liebe Deutschland und vor allem die deutsche Fußballnationalmannschaft. Die zeigen, was man mit Teamwork leisten kann. (...) Ich glaube, die Politik kann sich was davon abgucken», sagte er.

Die Union wies Vorwürfe von FDP-Generalsekretär Christian Lindner zurück, die Abweichler seien vorwiegend aus dem CDU/CSU-Lager gekommen. In einem Brief an die Parteimitglieder betonte Gröhe: «Was wir jetzt nicht brauchen, ist das Suchen nach Abweichlern oder wechselseitige Schuldzuweisungen durch die drei Koalitionspartner.»

Vizekanzler und FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, der Ablauf der Präsidentenwahl belaste die Regierung nicht. «Ich finde, dass die Politik insgesamt, auch die Koalition, sich weniger mit sich selbst beschäftigen sollte, sondern mit der Lösung der Probleme, die wir für unsere Bürger auch lösen müssen.»

Merkel hatte direkt nach der Wahl Wulffs gesagt, sie rechne nicht damit, dass die Regierungsarbeit schwieriger werde. Jetzt komme es darauf an, «dass die Regierung ihre Arbeit macht». CSU-Chef Horst Seehofer mahnte dagegen stärkere Führung in der Koalition an. Union und FDP dürften nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren, es müsse Schluss sein mit «den abstrakten Diskussionen».

Aus den CDU-Landesverbänden kamen Rufe nach Konsequenzen und einer besseren Zusammenarbeit der Koalition. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) sagte der «Mitteldeutschen Zeitung» zur Hängepartie bei der Wahl Wulffs: «Das ist eher eine Art Ausrufezeichen und die Aufforderung: Beschäftigt Euch mal mit Euren inneren Problemen!» Sein saarländischer Amtskollege Peter Müller (CDU) appellierte im Saarländischen Rundfunk: «Die Koalitionsparteien in Berlin müssen sich intensiver abstimmen, und auch die Abstimmung im Verhältnis Bund-Länder muss intensiviert werden.» 

Der langjährige FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sagte im ZDF, die Koalition habe den Neustart verpasst. «Sie ist bis heute nicht in der Lage, ein Management von Themen und Strategien vorzunehmen und das auch an die Bürger rüberzubringen.» Unterdessen wurde in Hannover David McAllister am Donnerstag als Nachfolger Wulffs zum neuen niedersächsischen Ministerpräsidenten gewählt. Mit 39 Jahren ist er der jüngste Regierungschef in Deutschland.  

Grünen-Chefin Claudia Roth warf Merkel Respektlosigkeit vor dem Amt des Bundespräsidenten vor. Um ein Signal für Schwarz-Gelb zu erreichen, habe sie das Amt für machttaktische Spielchen funktionalisiert. «Sie hat sich verzockt.» Den Linken warf Roth Politikunfähigkeit vor, da sich ihre Delegierten mehrheitlich enthalten hatten, statt für Gauck zu stimmen. Es werde zwar weiterhin Gespräche mit der Linkspartei geben, doch die Chancen für eine Normalisierung der Beziehungen sei vertan.

Wulff ließ sich am Tag nach seiner Wahl inoffiziell seine neuen Arbeitsräume zeigen. Das neue Staatsoberhaupt wird an diesem Freitag in einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat im Reichstag vereidigt. Anschließend will Wulff dort in einer kurzen Rede die Schwerpunkte seiner Arbeit umreißen. Am Nachmittag wird er von der Bundeswehr mit militärischen Ehren in seinem Amtssitz begrüßt, dem Schloss Bellevue. Am Abend empfängt er bis zu 5000 Gäste aus Politik und Gesellschaft zum Sommerfest des Bundespräsidenten.

Bundespräsident / Wahlen
01.07.2010 · 18:33 Uhr
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