Risen 3: Titan Lords – Ein Relikt aus alten Tagen
Sucht man nach dem Urvater der Computer-Rollenspiele, wird meist die Gothic-Reihe von Publisher Deep Silver genannt (zumindest die Teile 1 & 2). Damals konnte das Rollenspiel mit Story, der offenen Welt und den damit verbundenen Möglichkeiten, sowie den zahlreichen Quests bei den Leuten punkten. Leider nahm die Qualität im Laufe der Jahre zunehmend ab, bis mit Gothic 4 im Jahr 2010 der Tiefpunkt erreicht wurde.
Nebenher wurde aber mit Risen eine andere Marke nach und nach aufgebaut, die zwar auch nicht durchgehend überzeugen konnte, aber immerhin noch das Flair vergangener Tage einfängt. Bei Risen 3: Titan Lords von Entwickler Piranha Bytes ist auch heute noch das Motto: Was früher schon funktioniert hat, weiß auch heute noch zu begeistern. Nur ein neuer Anstrich würde der bröckligen Fassade nicht schaden.
Seelenräuber auf Beutezug
Ein schöner Strand in der sonnigen Karibik, eine Buddel Rum und einem dicken Schatz auf der Spur. Das Leben könnte schlimmer sein. Wäre da nicht der plötzliche Einstieg bei Risen 3, der den Spieler mitsamt des (natürlich) namenlosen Helden sofort in eine Schiffsschlacht wirft. Okay, die Sache dient natürlich als schnelles Tutorial, bevor das Abenteuer so richtig startet. Die Kampfmechaniken sind bei der übersichtlichen Steuerung schnell erlernt und so ist der IST-Zustand nach wenigen Minuten folgender: Schöner Strand, Sonnige Karibik, Buddel Rum, dicker Schatz.
Dieser will natürlich ganz Piraten-like auch ausgebuddelt werden. Nach einigen weiteren Kämpfen auf der Krabbenküste steht man also nun mitten in einem alten Azteken-Tempel, der erwähnte Schatz zum Greifen nahe. Nur blöd, dass das genau einer der Orte ist, aus dem die Schattenlords ihre Heerschar an Dämonen über die Welt ergießen. Noch blöder kommt es allerdings, wenn sich einer der Schattenlords die Seele des Helden greift, und dieser damit über die Reling geschickt wird. Der trauernde Schwester Patty (deren Mieder gerade so das Nötigste in Zaum halten kann) bleibt also nichts anderes übrig, als sich noch um die Beerdigung zu kümmern und dann weiterzusegeln.
Gefühlte Monate später wird man aber von Bones, einem ehemaligen Schiffsarzt und nun Eingeborenen per Voodoo wiederbelebt. Dieser stellt auch bereitwillig seine kleine Barke als erstes Fortbewegungsmittel zur Verfügung, denn auch Risen 3 ist nach kurzem Start ein Spiel der unbegrenzten Möglichkeiten. Alle Orte des Spiels werden bereits am Anfang auf der Übersichtskarte angezeigt, ein einfacher Klick befördert einen auch gleich zum gewünschten Ziel. Natürlich gibt es aber noch zwei große Hauptziele für den Helden wider Willen: Seine gestohlene Seele zu beschaffen und den Schattenlords Einhalt gebieten.
Das X markiert die Stelle
Wie bereits erwähnt, darf nach dem kurzweiligen Prolog jede der Inseln direkt angesteuert werden, das Questbuch gibt lediglich für alle Unentschlossenen die ungefähre Richtung vor. Kaum auf einer Insel gelandet, geht auch schon die Erkundung los. Bereits nach den ersten Metern trifft man meistens gleich auf Leute, die einen bereitwillig den Weg zur nächstgelegen Stadt zeigen. Dort angekommen explodiert meist nach ein paar Minuten schon das Questbuch, da jeder der Einwohner, der einen richtigen Namen hat, meist auch einen Nebenquest bereithält. Praktisch ist auch gleich die Möglichkeit, sich die jeweiligen Questziele direkt auf der Karten anzeigen zu lassen. So erspart man sich meist unnötige Laufwege oder sieht auf einen Blick, ob sich der Held denn überhaupt auf der richtigen Insel zur Erledigung der Quest befindet. Die oldschooligen Veteranen sehen das natürlich gar nicht gerne, aber die Möglichkeit ist schließlich auch optional. Auf jedenfall sorgt die Option dafür, dass immer ein gewisser Spielfluss gegeben ist und es zu keinem Leerlauf kommt.
Auch kann es durchaus vorkommen, dass eine Quest über mehrere Inseln verteilt ist. Darauf hat aber Risen 3 auch eine sehr bequeme Lösung gefunden: Per Knopfdruck kann man, egal auf welchem Fleck der Held gerade steht, zum Schiff zurückgehen (eigentlich teleportieren). Da das Schiff meistens in der Nähe der Hauptstadt liegt, kann dieses Feature gut als Schnellreisemöglichkeit genutzt werden. Auch sind auf den Inseln immer wieder Teleporter versteckt, mit denen innerhalb der Insel schnell von einen zum anderen Fleck gereist werden kann. Zur Aktivierung der einzelnen Teleporter werden aber Teleportseine benötigt, die überall in den Winkeln der Welt verteilt sind. Auch dient das Schiff generell als zentrale Anlaufstelle. Dort kann in aller Ruhe geschlafen oder mit den jeweiligen Crewmitgliedern geplaudert werden. Im Laufe des Abenteuers gesellen sich nach und nach immer mehr Mitglieder dazu, meistens aber erst nach erledigen einer spezifischen Quest. Auch bietet dies die perfekte Möglichkeit für alle, die nicht alleine herumrennen wollen. Sobald ein Mitglied der Crew angesprochen wird, gibt es immer die Option, dieses auch mitzunehmen. So ist man nie alleine in der Welt unterwegs und hat noch zusätzlich einen weiteren Waffenarm als Hilfe.
Die Nebenquest sind aber nicht nur als Zeitvertreib gedacht, sondern haben auch noch einen anderen Nutzen: Ruhm (Erfahrung) einheimsen, der zum Leveln der jeweiligen Attribute benötigt wird. Richtige Levelups gibt es nämlich im eigentlichen Sinne nicht, das Steigern der Attribute führt zur stetigen Charakterverbesserung. Neben den üblichen Verdächtigen wie Nah- und Fernkampf sind auch List, Magie oder Härte zu finden. Selbstverständlich werden die Ruhm-Kosten für jede weitere Steigerung von mal zu mal teurer. Auch die aus den Gothic- oder Risen-Teilen bekannten Trainer gibt es wieder an allen Ecken und Enden zu finden. Jeder von ihnen kann den Helden neue Fähigkeiten beibringen, da dieser ja zu Beginn des Abenteuers als komplettes Greenhorn startet und außer kämpfen und geradeaus laufen noch nicht viel auf dem Kasten hat. So kann unter anderem das Schmieden, Runenmagie oder Alchemie gelernt werden, während andere Trainer die Fähigkeiten für Schwerter, Pistolen, Musketen oder Armbrüste verbessern.
Fraktionswahl und leblose Inseln
Eine der wichtigsten Aufgaben im Laufe des Abenteuers ist aber zweifelsohne das Auswählen einer Fraktion. In Risen 3 gibt es drei von ihnen, nämlich die Dämonenjäger, Wächter und Voodoo-Piraten. Jede der einzelnen Fraktionen steht dabei auch für einen bestimmten Spielstil. Während die Dämonenjäger für Nahkämpfer gedacht sind, setzen die Wächter voll auf Magie. Die Voodoo-Piraten sind ein Mischmasch aus beiden, sie kombinieren Nahkampf mit Magie. Generell ist es aber für jeden möglich, Magie auszuüben. In den jeweiligen Hauptsitzen der Fraktionen sind allerlei Lehrer verteilt, die einen mit Hilfe von “altem Wissen” (Steintafeln) Zaubersprüche beibringen. So haben auch die gewillten Nahkämpfer immer noch ein Ass im Ärmel, wenn sie sich selbst heilen oder Begleiter heraufbeschwören können. Natürlich haben sie aber nicht das Repertoire an zerstörerischer Magie, darauf können nur die Wächter oder Voodoo-Piraten zurückgreifen.
Generell muss aber leider gesagt werden, dass die Fraktionen mehr Schein als Sein sind. Bevor man überhaupt von ihnen rekrutiert wird, muss erst ein großer Batzen an Quests erledigt werden. Und mehr ist es dann im Endeffekt auch gar nicht. Ist der Held nämlich erst einmal aufgenommen worden, wartet danach wieder eine Reihe an Quests, die abgearbeitet werden sollen. Lediglich die jeweilige Gildenkleidung und die unterschiedlichen Zaubersprüchen unterscheiden die einzelnen Fraktionen untereinander. Dafür wird aber das Spiel mit einem Schlag leichter, sobald man sich einer angeschlossen hat. Die Rüstung ist widerstandsfähiger, die erlernten Zauber eine riesige Erleichterung und die erhaltenen Waffen sind auch zumeist besser als alles, mit dem sich zuvor verteidigt wurde. Generell dauert es nämlich bei Risen 3 einige Zeit, bis der Held durch Erledigen von bestimmten Quests oder durch das Schmieden eigener Waffen an gute Ausrüstung kommt. Für letzteres werden aber meistens Materialien benötigt, die entweder von Gegnern oder durch das Ernten von Erzen beschafft werden können.
Doch nicht nur die Wahl der Fraktion ist etwas belanglos, sondern auch die jeweiligen Inseln und deren Bewohner. Die Inseln sind nämlich nicht sonderlich belebt, alle Questgeber sind meistens schnell gefunden. Auch gehen die Einwohner keinen wirklichen Tagewerk nach, sie stehen alle immer wie angewurzelt an der selben Stelle. So werden die Inseln schnell nach den wichtigen Personen für die Quests abgegrast und werden nach erledigen dieser auch genauso schnell wieder verlassen.
Urlaubsflair und Rentner-Kämpfe
Wenn man den Entwicklern von Piranha Bytes eines nicht vorwerfen kann, dann ist es das Erschaffen von stimmigen Schauplätzen. Das karibische Flair ist generell perfekt eingefangen, und die Lichteffekte setzen diese schön in Szene. Die Umgebung ist genau so, wie man es sich in der Karibik vorstellt. Weiße Sandstrände, Vegetation wohin das Auge reicht, alte Tempelanlagen, modrige Höhlen und Dschungeldickicht, hier fühlt sich der Pirat heimisch.
Leider kann dies von der Grafik und dem Sound nicht behauptet werden. Auf den Konsolen erhält man fast den Eindruck, dass gerade Gothic 2 im Laufwerk rotiert, auf dem PC ist es minimal besser. Matschige Texturen, kopflose Personen und ständigen Popups sind im Jahr 2014 einfach ein absolutes No-Go. Auch setzt der Sound an manchen Stellen komplett aus oder ist asynchron, von fehlender Mimik, Gestik oder Lippenbewegungen will man gar nicht erst sprechen. An manchen Stellen mit Schatten ist das Spiel dann auch so dermaßen dunkel, dass man sich mit zusammengekniffenen Augen in kurzer Distanz vor den TV stellen muss, um überhaupt etwas zu erkennen.
Genauso staubig wie die Grafik kommt dann aber auch das Kampfsystem daher. In Zeiten von immer komplexeren Kampfsystemen braucht Risen 3 nicht einmal eine Handvoll Tasten. Ein (nochmals: EIN) Button für das Angreifen, einer zum Wegrollen (Ausweichen) und einer für das Blocken, mehr gibt es nicht. So ist das Rezept für Kämpfe auch schnell herausgefunden: Entweder mit zwei bis drei schnellen Attacken oder einer schweren Attacke angreifen und sofort wieder wegrollen. Die verschiedenen Gegnertypen kämpfen aber allesamt genau nach demselben Muster. Ist der Held einmal in einer Dreier-Kombination von ihnen gefangen, kommt er selten auch wieder davon raus, da die Attacken sehr schnell ausgeführt werden. Deswegen einfach immer Angreifen, Ausweichen, Angreifen, Ausweichen, also immer wieder das Setzen von gezielten Nadelstichen. Bevor man überhaupt angreifen kann, muss aber jedes mal erst das Schwert gezogen werden.
Generell hat Risen 3 viele alte, aber auch von den Fans geliebten Mechaniken im Spiel gelassen. Die bekannten Monster wie Snapper, Scavenger oder Termiten sind auch wieder im Spiel, genauso wie das gemütliche Grillen von Fleisch. Die Energie im Spiel kann nur durch das Essen von Proviant, dem Trinken von Alkohol oder Wasser, sowie schlafen aufgefrischt werden. Eine automatische Regeneration, wie es in den heutigen Spielen der Fall ist, gibt es nämlich nicht. Ob diese Mechaniken nun positiv oder negativ sind, muss jeder im Endeffekt für sich selbst wissen.
Für die Hauptquest von Risen 3 werden ungefähr 15 bist 20 Spielstunden benötigt. Wer allerdings alles von der Welt sehen und jede Nebenaufgabe im Spiel erledigen will, ist gut und gerne zwischen 30 und 40 Stunden unterwegs.
Risen 3 erschien am 14. August für Xbox 360, Playstation 3 und PC.
Fazit Belakor
Den meisten Leuten, die Risen 3 in ihr Laufwerk schieben und die erste Stunde gespielt haben, wird es wohl so wie mir gehen. Der erste Gedanke ist dann erst einmal: “Was zur Hölle?!” Das Kampfsystem ist lahm, die Grafik ein Graus für die Augen, die Popups ein ständiges Ärgernis und die Soundaussetzer eigentlich nicht zumutbar. Auch die ersten Schritte mit der schwachen Ausrüstung kombiniert den anfangs doch recht starken Feinden machen einem das Leben nicht unbedingt leichter. Und dann kommen auch noch die Inseln mit ihren leblosen Bewohnern, die einen nicht gerade dazu einladen, wirklich ihre Quests erledigen zu wollen.
Hat man seinen inneren Schweinehund aber erst einmal überwunden und sich einer Fraktion nach ein paar Stunden Spielzeit angeschlossen, öffnet sich die Welt komplett. Die Ausrüstung wird besser und somit auch das Spiel zugänglicher. Feinde werden mehr und mehr erledigt und ausgenommen, deren Fleisch wird dann als wichtige Lebensversicherung sogleich über den nächsten Lagerfeuer gebraten. Das Questbuch füllt sich immer mehr und mehr mit Aufgaben, der eingebaute Questmarker erleichter die Suche nach deren ungemein. Schnell wollen alle Probleme der Einwohner gelöst und jeder legendäre Schatz geborgen werden.
Bevor dieser positive Aspekt erst einmal eintritt, trennt sich aber in den ersten Spielstunden schon die Spreu vom Weizen. Diejenigen, die von der grafischen Aufmachung, dem zähen Anfang und vom angestaubten Gameplay abgeschreckt sind. Und diejenigen, die nach einer gewissen Zeit (so wie ich selbst) nur noch einen Gedanken fassen können: “Nur noch eine Quest. Nur noch diese eine Quest. Was, schon so spät?” Letztere können trotz den anfänglichen und grafischen Unzulänglichkeiten bedenkenlos zugreifen.