Grass behält Nobelpreis - Debatte um SPD-Wahlkampf

Berlin/Stockholm (dpa) - Günter Grass darf trotz des Wirbels um sein Israel-kritisches Gedicht den Literaturnobelpreis behalten. Die Schwedische Akademie sieht keinen Anlass, Grass den 1999 verliehenen Preis abzuerkennen.

Das erklärte der Sekretär der Akademie, Peter Englund, am Dienstag. Grass habe den Preis ausschließlich wegen seiner literarischen Verdienste erhalten, betonte Englund in einem Beitrag, den er in seinem Blog veröffentlichte. In Israel war gefordert worden, über eine Aberkennung des Preises nachzudenken.

In Deutschland warnten führende SPD-Politiker vor Schnellschüssen, nachdem einige Sozialdemokraten sich gegen einen eventuell möglichen Einsatz von Grass im SPD-Bundestagswahlkampf 2013 ausgesprochen hatten. «Ich halte nichts davon, dass die SPD nun gewissermaßen wie der Staat Israel Günter Grass zur Persona non grata (unerwünschte Person) erklärt», sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) am Dienstag im Deutschlandfunk. Er warnte davor, Grass zum Antisemiten zu erklären.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles betonte: «Es war unangemessen, Israel als eine Gefahr für den Weltfrieden zu bezeichnen oder die israelische Politik mit der des Iran zu vergleichen.» Aber es wäre auch falsch, nun Grass in der politischen Kultur Deutschlands zur Unperson zu erklären. «Günter Grass war immer ein streitbarer Literat, dessen inhaltliche Positionen heftiger Kritik ausgesetzt waren. Das galt immer auch für seine Auseinandersetzung mit der SPD und umgekehrt», betonte Nahles.

In dem Gedicht «Was gesagt werden muss» hatte Grass geschrieben, die Atommacht Israel bedrohe den Weltfrieden und könne das iranische Volk mit einem Erstschlag auslöschen. Israels Innenminister Eli Jischai von der strengreligiösen Schas-Partei verhängte daraufhin ein Einreiseverbot gegen den Autor. Grass selbst will sich dazu derzeit nicht äußern, wie sein Sekretariat am Dienstag der dpa mitteilte.

Aus der Bundes-SPD hieß es, eine Debatte über Wahlkampfauftritte 2013 sei derzeit viel zu früh. Der 84-Jährige setzt sich seit 1961 für die SPD ein, 1969 machte er in einer mehrmonatigen Tour mit einem VW-Bus Stimmung für einen Kanzler Willy Brandt. In den letzten Jahren hatte sich sein Einsatz auf vereinzelte Auftritte im Bundestagswahlkampf beschränkt.

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) nannte das von Israel verhängte Einreiseverbot für Grass nachvollziehbar. «Israel hat jedes Recht der Welt, ehemalige SS-Leute nicht ins eigene Land zu lassen», sagte Niebel der «Leipziger Volkszeitung» (Mittwoch) mit Blick auf die Mitgliedschaft des Schriftstellers in der Waffen-SS während seiner Jugend. Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Rainer Stinner, nannte den Schritt in der «Süddeutschen Zeitung» hingegen eine «Überreaktion der israelischen Regierung».

Auch zu seiner Zukunft als SPD-Wahlkämpfer will sich Grass vorerst nicht äußern. Für den Landtagswahlkampf in Schleswig-Holstein, wo am 6. Mai ein neuer Landtag gewählt wird, spielt der Wirbel keine Rolle. «Grass ist nicht Teil unseres Wahlkampfes», sagte SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig der dpa in Kiel. Dies sei aber schon lange vor dem aktuellen Streit klar gewesen. Man habe Grass zwar für eine Veranstaltung zur Kulturpolitik angefragt, er habe aber aus Termingründen abgesagt.

Bundestagsvizepräsident Thierse betonte, es sei völlig offen, ob der Schriftsteller überhaupt erneut Wahlkampf für die SPD machen wolle. «Er hat nie alle Positionen der SPD vertreten, sondern war ihr in kritischer Solidarität verbunden.» Thierse fügte hinzu: «Wenn man Günter Grass wegen dieser einseitigen kritischen Position zum Antisemiten macht, dann ist das fatal.»

Literatur / SPD / Israel / Iran
10.04.2012 · 18:08 Uhr
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