Ungarisches Parlament billigt umstrittene Verfassung

Budapest (dpa) - Das ungarische Parlament hat am Montag die umstrittene neue Verfassung gebilligt. 262 Abgeordnete stimmten dafür, 44 dagegen, ein Parlamentarier enthielt sich der Stimme.

Vorgelegt hatte den Entwurf die rechtsnationale Regierungspartei Fidesz (Bund Junger Demokraten), die im Parlament über die für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit verfügt. Die oppositionellen Sozialisten (MSZP) blieben der Abstimmung fern. Die neue Verfassung soll am 1. Januar 2012 in Kraft treten.

Das Auswärtige Amt in Berlin äußerte am Montag Zweifel daran, ob die neue Verfassung mit «Werten der Europäischen Union vereinbar» sei. Die Grünen-Fraktion im Europa-Parlament beanstandete, dass von EU-Mitgliedern der Respekt vor Grundrechten nicht verlangt werde. Fidesz erklärte, jeder Ungar könne auf diese Verfassung «stolz» sein. Der Vorsitzende der ungarischen Sozialisten, Attila Mesterhazy, bezeichnete die neue Verfassung als «illegitim» und «vorübergehend».

Aufgrund dieser Verfassung kann Fidesz das Land umgestalten, die eigene Macht festigen und jede Nachfolgeregierung handlungsunfähig machen. Wird das Staatsbudget nicht rechtzeitig angenommen, kann der Staatspräsident das Parlament auflösen. Ein von Fidesz über neun Jahre hinweg kontrollierter Haushaltsrat kann das Budget jederzeit durch Veto blockieren.

Die Verfassung beginnt mit dem ersten Vers der ungarischen Nationalhymne «Gott schütze den Ungarn». Die Präambel heißt «Nationales Glaubensbekenntnis» und verankert Gott, Christentum, Krone, den Stolz auf die Geschichte sowie eine nicht näher definierte «historische Verfassung» als Rechtsmaßstäbe. Kritiker erinnert dies an die faschistische Ideologie der 30er Jahre.

Nicht mehr jeder Ungar darf vor dem Verfassungsgericht klagen, auch Kommunen ist dieser Weg verschlossen. Nur Staatspräsident, Regierung oder eine Gruppe, die aus mindestens einem Viertel der Parlamentarier gebildet ist, darf künftig die Überprüfung von Gesetzen auf Verfassungsmäßigkeit verlangen. Das Verfassungsgericht darf nicht mehr über Gesetze urteilen, die den Staatshaushalt betreffen. Verankert ist im Grundgesetz, dass die Staatsverschuldung 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten darf.

Die Bürger haben deutlich weniger Möglichkeiten, die Politik mitzugestalten. Volksbegehren soll es gar nicht mehr geben. Gänzlich ausgeschlossen werden Referenden zu Verfassungsänderungen oder zu den Wahlgesetzen. Die Kommunalwahlen sollen nicht mehr alle vier, sondern nur noch alle fünf Jahre stattfinden.

Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt, erklärte am Rande eines Besuchs in Tunis dazu, Deutschland betrachte die Entwicklung in Ungarn mit Sorge: «Die Anfang des Jahres in Kraft getretenen Mediengesetze zeugen von einem Grundrechtsverständnis, das (...) nur schwer mit den Werten der Europäischen Union vereinbar ist», sagte er. Sorgen in diesem Zusammenhang seien nun durch die neue Verfassung «bestärkt statt entkräftet» worden.

Daniel Cohn-Bendit, Co-Fraktionsvorsitzender der Grünen im EU-Parlament, bezeichnete die Entwicklung in Ungarn als «dramatisch, denn Demokratie ist nicht nur das Recht der Mehrheit zu regieren, sondern auch die Verpflichtung, die Rechte der Minderheit zu respektieren und zu schützen». Seine Kollegin im Fraktionsvorsitz, Rebecca Harms, verlangte eine Grundsatzdebatte in der EU: «Es kann nicht sein, dass die Einhaltung der Menschenrechte und freiheitlicher Grundrechte zwar für den Beitrittsprozess eines Landes relevant sind, aber nach dem Beitritt missachtet werden können.«

Innenpolitik / Parlament / Ungarn
18.04.2011 · 19:04 Uhr
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