Tod

Umso wichtiger ist es, dass man lernt damit umzugehen.
Seh ich auch so. Aber dann verstehe ich nicht:
Der Tod mag normal sein und zum Leben dazu zu gehören, aber bitte erkläre das einem Menschen, der einem anderen beim Sterben zugesehen hat.
Ich finde es nicht normal und ich will das auch nicht noch einmal erleben. Weil ich nicht weiß, ob ich jetzt abgebrühter bin oder das ganze gar nicht mehr verkrafte.
Ich kann da nur für mich selbst reden, aber ich bin nicht abgebrühter. Ich finde, ein Sterbender hat Anspruch auf Begleitung. Da bin ja nicht nur ich, sondern da ist auch jemand der stirbt. Und irgendwann wird es mal umgekehrt sein. Ich weiß nicht, ob ich dann froh bin, wenn jemand bei mir ist, aber es könnte durchaus sein.
 
@Taliesyn:
das kommt natürlich a) auf dein Menschenbild an
und b) auf die Erfahrungen, die du mit dem Tod gemacht hast.
eventuell auch ob c) deine Lebenseinstellung auf "weltliche" Güter ausgerichtet ist, oder eben auf philosophische...

Ich glaube, der Fall liegt sehr viel einfacher (ausnahmsweise), und es ist einfach nur eine Frage des jeweiligen Charakters.

für nen Humanisten, wie mich, der sehr stark an sozialen Bindungen interessiert ist und der schon einige (zu viele) Erfahrungen mit dem Phänomen Tod gemacht hat, ist das schon nochmal was ganz anderes... ;)

Humanismus ist ein schwieriger Begriff, finde ich. Der wurde unzählige Male in verquerer Weise gebraucht - ich würde mich auch als Befürworter des Humanismus bezeichnen, ohne zugleich die Menschlichkeit darin zu betonen, oder eine andere der historischen Interpretationen. Auf jeden Fall relativiere ich den Wert von "sozialen Bindungen" immer im Bezug auf ihre zeitliche Begrenztheit. Wenn sich ein irgendwie geartetes zwischenmenschliches Verhältnis nicht mit der Zeit von selbst auflöst, wird es durch den Tod aufgelöst - meine Überlegung ist also, dass jeder Kontakt eh nur zeitlich begrenzt ist, und der Tod da nicht bedeutender ist als eine andere Art des Kontaktverlusts.

Ich finde es in dem Fall nur "leicht" irrational, warum man da dann zum Tagesgeschäft übergeht und bei ner Person aus dem Bekanntenkreis plötzlich nen Monat in psychische Behandlung muss.

Eines von vielen Beispielen für die Inkonsequenz der Menschen...
Ich würde nie auch nur heucheln, dass mich der schlagartige Tod von tausenden Menschen, die ich allesamt nicht kenne, auch nur im Geringsten berührte - für mein Leben hat das schließlich keinerlei Auswirkung.
 
meine Überlegung ist also, dass jeder Kontakt eh nur zeitlich begrenzt ist, und der Tod da nicht bedeutender ist als eine andere Art des Kontaktverlusts.

Doch, ich finde den Tod schon bedeutender. Denn er ist endgültig.
Die normalen Kontaktverluste, die so durch das Leben geistern sind etwas anderes. Umzug, Trennung, aus den Augen verlieren oder anderweitige Sachen - bei diesen Dingen hat/hätte man rein theoretisch immer noch die Möglichkeit Kontakt aufzunehmen, alte Freunde wieder zu treffen, mal zu telefonieren oder sonstiges.
Beim Tod geht das nicht und je nach dem wie abrupt er ist, bleiben mitunter Fragen offen, die niemals beantwortet werden können. Und es gibt Menschen, die trifft das eben hart, härter als jeder andere Kontaktverlust.
 
Umzug, Trennung, aus den Augen verlieren oder anderweitige Sachen - bei diesen Dingen hat/hätte man rein theoretisch immer noch die Möglichkeit Kontakt aufzunehmen

Rein theoretisch, ja. Aber deswegen das eine schlimmer einstufen als das andere? Wenn der Kontakt sich endgültig erledigt, wird wohl niemand einen Gedanken daran verschwenden, seine theoretische Möglichkeit zu gebrauchen, oder? Insofern nimmt sich das in meinen Augen nichts...
 
Warum soll denn der Gedanke an eine Wiederaufnahme des Kontakts Verschwendung sein? Ich hab mal gehört, es soll Leute geben, die alte Freunde gern wieder sehen/hören würden. So erklärt sich vllt. auch der Erfolg von Stayfriends etc.
 
Warum soll denn der Gedanke an eine Wiederaufnahme des Kontakts Verschwendung sein? Ich hab mal gehört, es soll Leute geben, die alte Freunde gern wieder sehen/hören würden. So erklärt sich vllt. auch der Erfolg von Stayfriends etc.

Ich sprach von Kontakten, die sich endgültig erledigt haben, wo jeder Wunsch danach (im übertragenen Sinne) gestorben ist. "Alte Freunde", an denen man noch Interesse hat (sonst würde man sie nicht wieder sehen/hören wollen) fallen wohl kaum in diese Kategorie ;)
 
Auch bei Leuten, mit denen man aus eigenem Willen keinen Kontakt mehr hat, kann der Tag kommen, an dem man das bereut und es sich anders überlegt. Bei Toten muß man auf die Gelegenheit zur erneuten Kontaktaufnahme meist ne Weile warten.
 
Meine persönliche Erfahrungen mit dem Tod: Ein Verwandter, der "seinen Frieden mit Gott" gemacht hatte, ist fröhlichen Herzens gestorben, sogar mit einem lächeln im Gesicht. Er war alt und "lebenssatt" und freute sich darauf, zu Gott zu kommen.

Und wenn ich die Geschichten meiner Frau aus dem Krankenhaus höre bin ich davon überzeugt, dass Menschen, die an Gott glauben, mit weniger Angst vor dem Tod leben und sterben.
 
Und wenn ich die Geschichten meiner Frau aus dem Krankenhaus höre bin ich davon überzeugt, dass Menschen, die an Gott glauben, mit weniger Angst vor dem Tod leben und sterben.
Selbst wenn es so wäre, was ich hier erstmal stark bezweifeln würde (wofür gibts denn vor allem theologiesche Seelsorge? ;) ), würde ich lieber mit Angst als mit der Unwahrheit sterben. Und wenn man sich richtig mit dem Thema und seinen Überzeugungen des Weltbildes beschäftigt (was keinen Gott und kein Leben nach dem Tod beinhaltet) wird der Tod wohl deutlich leichter fallen.
Solche Kommentare, in denen man ein Leben mit einem Gottesbild positiv darstellt, mag ich überhaupt nicht. Deswegen hab ich mal meine Meinung zu dem Thema dargelegt.
 
Solche Kommentare, in denen man ein Leben ohne ein Gottesbild positiv darstellt, mag ich überhaupt nicht. :ugly:

Ich kann dieses selbstherrliche "ich weiss doch wohl besser, dass es ihn nicht gibt"-Gehabe nicht verstehen. Du weisst nämlich genausowenig wie ein "Gläubiger". ;)

Aber wir driften wieder ab... back to topic.
 
Auch bei Leuten, mit denen man aus eigenem Willen keinen Kontakt mehr hat, kann der Tag kommen, an dem man das bereut und es sich anders überlegt. Bei Toten muß man auf die Gelegenheit zur erneuten Kontaktaufnahme meist ne Weile warten.

Es gibt auch den Fall, dass des Willens des anderen wegen keinen Kontakt hat - man selbst möchte ihn vielleicht aufrecht erhalten, der andere aber nicht.
Ich meine ja nur, dass dieser Unterschied für mich zu gering ist, als dass ich den Tod eines nahen Menschen für schlimmer erachten könnte.
 
Selbst wenn es so wäre, was ich hier erstmal stark bezweifeln würde ...

...Solche Kommentare, in denen man ein Leben mit einem Gottesbild positiv darstellt, mag ich überhaupt nicht. Deswegen hab ich mal meine Meinung zu dem Thema dargelegt.

Danke, dass du mich der Lüge bezichtigst. Ich habe berichtet, was meine Frau in ihrem Krankenhaus erlebt. Nicht mehr aber auch nicht weniger! Zum zweiten Teil: Ich habe nicht das "Leben mit einem Gottesbild" sondern das Sterben beschrieben.

@Taliesyn: Mann oh Mann, du bist ja im Umgang mit deinen Mitmenschen rational bis zur Vereisung! Wenn du sagst, dass dich der Tod tausender nicht berührt...8O
Natürlich ändert das Unglück auf Haiti mein Leben nicht, deswegen empfinde ich trotzdem Mitleid und such nach Möglichkeiten, den Betroffenen zu helfen. Und genauso reagiere ich, wenn in meinem Umfeld jemand stirbt. An manchen Stellen brauchen Betroffene keinen Beistand, weil der Verstorbene mit seinem Leben abgeschlossen hatte. Aber wenn es nicht so ist dann denke ich, dass Beistand den Hinterbliebenen gut tut und auch ein Zeichen der Menschlichkeit ist.
 
@Taliesyn: Mann oh Mann, du bist ja im Umgang mit deinen Mitmenschen rational bis zur Vereisung! Wenn du sagst, dass dich der Tod tausender nicht berührt...8O

Das höre ich öfter...^^ Aber mal im Ernst, wem ist mit Mitleid und Bedauern geholfen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun, Mitleid und Bedauern führen in der Regel dazu, dass man bereit ist, den Betroffenen (Hinterbliebenen) zu helfen...

Danke für den Hinweis, ist korrigiert ^^

Die These wage ich nicht zu bestätigen; es dürfte wohl weit mehr mitfühlende und betroffene Menschen geben, als solche, die tatsächlich in irgendeiner Weise helfen.
 
Die Frage ist nicht, wie viele Menschen trotz Mitleid nicht helfen sondern wie viele ohne Mitleid bereit zur Hilfe sind. Und meine Vermutung geht dahin, dass dieser Anteil wesentlich geringer ist!
 
Die Frage ist nicht, wie viele Menschen trotz Mitleid nicht helfen sondern wie viele ohne Mitleid bereit zur Hilfe sind. Und meine Vermutung geht dahin, dass dieser Anteil wesentlich geringer ist!

Ich bin, was das Mitleid angeht, immer etwas skeptisch. Der Mitleidende ist sich schließlich seiner eigenen, im Moment besseren, Situation bewusst, d.h. er weiß (oder sollte wissen), dass sein Mitleid eben keine echte, weil ursprünglich in ihm ausgelöste Aktion ist, sondern nur eine auf Entferntes ansprechende Reaktion. Insofern betont das Mitleid nur den Leidenszustand des eigentlich Leidenden, und es muss schon eine wirkliche Perversion der Verhältnisse vorliegen, wenn dieser das als positiv empfindet...
Und was die Hilfe betrifft: wenn es erst des Mitleids bedarf, um die Hilfsbereitschaft zu erwecken, dann ist diese Hilfsbereitschaft in meinen Augen nicht viel wert.
 
Ich bin, was das Mitleid angeht, immer etwas skeptisch. Der Mitleidende ist sich schließlich seiner eigenen, im Moment besseren, Situation bewusst, d.h. er weiß (oder sollte wissen), dass sein Mitleid eben keine echte, weil ursprünglich in ihm ausgelöste Aktion ist, sondern nur eine auf Entferntes ansprechende Reaktion. Insofern betont das Mitleid nur den Leidenszustand des eigentlich Leidenden, und es muss schon eine wirkliche Perversion der Verhältnisse vorliegen, wenn dieser das als positiv empfindet...
Und was die Hilfe betrifft: wenn es erst des Mitleids bedarf, um die Hilfsbereitschaft zu erwecken, dann ist diese Hilfsbereitschaft in meinen Augen nicht viel wert.

1. Vllt. ist der Begriff "Mitleid" in deiner Sichtweise etwas negativ belegt, seis drum.

2. Wie wird Hilfsbereitschaft denn deiner Meinung nach geweckt?
 
Danke, dass du mich der Lüge bezichtigst. Ich habe berichtet, was meine Frau in ihrem Krankenhaus erlebt. Nicht mehr aber auch nicht weniger! Zum zweiten Teil: Ich habe nicht das "Leben mit einem Gottesbild" sondern das Sterben beschrieben.
Deinen Persönlichen Fall meinte ich gar nicht, sondern den zweiten Teil deines Satzes in dem du sagst, dass Menschen, die an einen Gott glauben, weniger Angst vor dem Tod haben. :roll:

Übrigens gehn mir die 200k Tote auch wie Taliesyn am Arsch vorbei. Ich brauche keine einzelne Ereignisse um mich emotional aufzuputschen :roll: Und das auch immer in ähnlichen Abständen (Kathrina,911,Überschwemmungen etc.)
Da berührt mich der Anfang von "Up" (Oben) dafür umso mehr.
 
1. Vllt. ist der Begriff "Mitleid" in deiner Sichtweise etwas negativ belegt, seis drum.

Liegt vielleicht daran, dass ich mich nicht prinzipiell dem Jubelchor der Nächstenliebe anschließe, sondern erstmal nachhake ;)

2. Wie wird Hilfsbereitschaft denn deiner Meinung nach geweckt?

Im Idealfall durch eine ganz rationale Überlegung, oder durch eine aufrechte, also aktive Anteilnahme (die eigene Betroffenheit einschließt); bloß reaktives Handeln ist dagegen zweitklassig.