Volkskrankheiten: Sind Adipositas und Diabetes ansteckend?
Krankheiten wie Adipositas, Diabetes, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören zu den häufigsten Leiden der Menschen. Sie werden auch als Volkskrankheiten bezeichnet und sind für den Großteil der nicht natürlichen Todesfälle auf der Welt verantwortlich. Eine Kombination aus genetischer Veranlagung, Lebensstil und anderen äußeren Faktoren gilt als Hauptursache für diese Krankheiten. Forscher der University of British Columbia in Vancouver l haben nun eine interessante Theorie postuliert: Ihnen zufolge könnte es sein, dass diese Volkskrankheiten auch durch Ansteckung übertragen werden können.
Mikrobielle Lebewesen im Körper beeinflussen unsere Gesundheit
Nach dem aktuellen Stand der Forschung gelten Krankheiten wie Diabetes oder Adipositas im Gegensatz etwa zu Viruserkrankungen nicht als ansteckend. Dies klingt im ersten Moment auch logisch: Warum sollte Übergewicht auch per Ansteckung übertragbar sein?
Ein Team rund um Brett Finlay von der University of British Columbia in Vancouver stellt dieses Dogma nun in Frage und behauptet, dass es sehr wohl sein könnte, dass die sogenannten Volkskrankheiten ansteckend sind. „ Wenn sich unsere Hypothese als richtig herausstellt, wird sie unsere Auffassung der öffentlichen Gesundheit völlig neu definieren„, so Finley.
Zentraler Ausgangspunkt der Hypothese der kanadischen Forscher ist die Erkenntnis, dass bei vielen Krankheiten das Mikrobiom – also die Masse an mikrobiellen Lebewesen in unserem Körper – einen nicht unwichtige Rolle spielt. So ist etwa die Darmflora bei Patienten mit Übergewicht, Diabetes Typ 2 oder entzündlichen Darmerkrankungen oft verändert.
Ist das Mikrobiom übertragbar?
Die Theorie, dass eine veränderte Zusammensetzung des Mikrobioms mitverantwortlich für Erkrankungen sein könnte, wird auch experimentell untermauert. So lässt sich etwa durch die Entnahme des Mikrobioms einer fettleibigen Maus und dessen Übertragung auf eine gesunde Maus bei letzterer ebenfalls Übergewicht induzieren.
Das Team rund um Finley fand mehrere Hinweise darauf, dass eine solche Übertragung des Mikrobioms nicht nur gezielt erfolgen kann, sondern mitunter auch von selber stattfindet. „ Hält man Labortiere wie Süßwasserpolypen zusammen, gleicht sich zunächst ihr Mikrobiom und in der Folge auch ihre äußere Erscheinungsform an. Wir konnten nachweisen, dass dabei die Mikroben direkt von einem Individuum zum anderen gelangen„, so Thomas Bosch von der Christian-Albrechts-Universität Kiel, ein Mitautor des Papers.
Dies würde bedeuten, dass das Mikrobiom nicht nur durch äußere Einflüsse entsteht, sondern genauso übertragen werden kann. „ Möglicherweise findet diese Übertragung des Mikrobioms auch beim menschlichen Zusammenleben statt, zum Beispiel durch intensive soziale Kontakte oder in gemeinsamen Wohnungen„, so Bosch weiter.
Lose Theorie mit großen Auswirkungen
Sollte sich die Theorie der Forscher bestätigen, wäre dies von großer Bedeutung für die Gesundheit der Gesellschaft. Allerdings handelt es sich bisher tatsächlich nur um eine lose Theorie, die noch viele Fragen offen lässt. Deshalb wollen die Forscher in Zukunft das Ansteckungspotential der bisher als nicht ansteckend betrachteten Volkskrankheiten weiter untersuchen und dabei etwa herausfinden, wie das Mikrobiom mit Umweltbedingungen und genetischen Faktoren zusammenwirkt.
„ Die neue Hypothese macht klar, dass wir Störungen der mikrobiellen Besiedlung des Körpers viel stärker als bisher als Krankheitsursache in Betracht ziehen und auch die potenziellen Übertragungswege näher erforschen müssen„, erklärt Bosch.