Im Test: Borderlands: The Pre-Sequel
Die alte Konsolengeneration ist noch lange nicht tot! Nicht nur, dass aktuelle Next-Gen-Blockbuster noch immer auf deren angestaubten Vorgängern erscheinen, es gibt in diesem Monat sogar noch einen namenhaften Last-Gen-Exklusivtitel zu feiern. Borderlands: The Pre-Sequel fungiert, wie es Titel bereits her gibt, als Sequel zu Borderlands und Prequel zu Borderlands 2. Technisch gesehen macht dies den Titel zu einem Borderlands 1.5, eine eher weniger schmeichelhafte Versionierung, die eine halbgare Umsetzung nach dem Motto „Vollpreis-DLC“ impliziert.
Anhänger der Serie haben allerdings nichts zu befürchten, denn Borderlands: The Pre-Sequel ist durchaus ein berechtigtes Vollpreisabenteuer in der Welt von Pandora und den Fault-Huntern, welches das Gameplay sinnvoll erweitert, am Ende jedoch auch einige altbekannte Schwächen offenbart.
Jack of all trades
Dreh- und Angelpunkt des Abenteuers ist der charismatische Antagonist aus Borderlands 2, Handsome Jack, der sich im Laufe der Story von einem einfachen, aber heldenhaften Hyperion-Angestellten zum altbekannten Sackgesicht mausert. Und wir? Wir helfen ihm dabei! In fast schon gewohnter Routine schnappen wir uns nach dem gewohnt lässigen und musikuntermalten Action-Intro einen von vier Vault-Huntern, um uns dann direkt in die Action zu schmeißen bzw. uns mit einer riesigen Kanone auf den Mond schießen zu lassen. Einer durchaus unangenehmen Reisemethode, die sich, wie wir hoffen, in der Zukunft nicht durchsetzen wird. Gesparte Reisezeit kann schließlich nicht mit Komfort aufgewogen werden.
Wer die anderen Teile der Serie, und im besten Fall sogar deren DLC, gespielt hat, der wird die zur Auswahl stehenden Vault-Hunter ohne Zweifel direkt wieder erkennen. Wilhelm The Enforcer ist uns bereits im zweiten Teil als augmentierter Boss-Gegner mit Drohnenunterstützung auffällig geworden, während Trisha The Lawbringer ebenfalls im zweiten Teil einen Auftritt hatte und Athena ist aus dem General Knoxx-DLC von Borderlands bekannt. Der prominenteste spielbare Charakter ist aber wohl unumstößlich der kleine ADS-Roboter Claptrap, der in den vorherigen Teilen eher als quirliger Sidekick fungierte und nun das kontrollierbare Chaos in Person mimt.
La-Le-Lu…
Wie bereits erwähnt, verschlägt es uns auf Geheiß von Jack auf den Mond von Pandora, der zwar rein optisch zwar nicht viel mit dem uns bekannten Mond zu tun hat, dafür aber in zwei Schlüsselelementen übereinstimmt: Gravitation und Sauerstoffgehalt. Dank fehlender Schwerkraft fliegen wir mit einem kleinen Sprung förmlich über die Gegnerhorden und und flankieren neuerdings mal von oben herab. Apropos „herab“ – wer den Höhenunterschied in der Atmosphäre effektiv verringern möchte, der kann per Knopfdruck per „Arschbombe“ zurück auf den Boden schnellen und dabei ebenfalls eine ganze Schippe an Schaden austeilen, im späteren Verlauf sogar mit zusätzlichem Element-Schaden.
Der Mangel einer geregelten Sauerstoffzufuhr nagt zusätzlich noch physisch an den Protagonisten, ja selbst am Roboter, bei dem laut eigener Aussage psychosomatische Zustände vorherrschen. Lange Rede, kurzer Sinn: Bereits in der zweiten Mission gilt es sich ein sogenanntes OZ-Kit zu beschaffen, das uns mit Sauerstoff versorgt. Zwar sollte dieses kleine Helferlein immer mit genug Sauerstoff gefüllt sein und kann durchaus auch einmal leer ausgehen – schwierig zu managen ist unser O2-Gehalt jedoch bei Weitem nicht. Überall auf dem Mond gibt es kleine Sauerstoffkrater, sauerstoffversorgte Bereiche und Sauerstoffflaschen, die uns schnell wieder mit genügend lebensschenkenden Gasen ausstattet. Doch warum eine neue Ressource einführen? Ganz einfach weil der Sauerstoff und das OZ-Kit in Borderlands noch mehr können als die lebenserhaltenden Maßnahmen. Befinden wir uns in der Luft, können die Oz-Kits auch ohne weiteres als Jet-Packs benutzt werden und selbige machen ebenfalls erst unsere extravaganten Arschbomben möglich.
Der kleine Schauplatzwechsel macht also bereits einiges am Gameplay aus, und auch wenn das alles mehr nach kleinen Veränderungen klingt — die Auswirkungen sind größer als gedacht. Diese kleinen Dreingaben an Gameplay-Mechaniken öffnen neue Spielweisen und machen das ganze Spiel noch chaotischer, schneller und spaßiger. Natürlich verfügen unsere Gegner über ähnliche Fähigkeiten und eröffnen ein Gefecht gerne per Arschbombe oder schweben durch das ganze Areal, um uns ohne Deckung zu erwischen. Abgesehen davon spielt sich Borderlands: The Pre-Sequel genau so wie wir es erwartet haben. Schnell, chaotisch, fordernd, lustig und eine Wonne für alle Sammelwütigen, die stundenlang Loot aus allen Ritzen der bunten Levelabschnitte ziehen. Hier hakt der 1.5te Teil wirklich alle Kästchen wie erwartet ab und fügt sogar noch einige spaßige hinzu.
Roboteraction neu definiert
Abseits davon stehen natürlich die Vault-Hunter im Mittelpunkt, die allesamt ihre Daseinsberechtigung haben. Es ist fast schade, dass drei davon im alles einnehmenden Schatten von Claptrap stehen. Wenn etwas diesen Teil für Fans der Serie zu einem Must-Buy macht, dann ist es sicherlich dieses kleine mechanische Kerlchen. Die Sprüche sind gewohnt flach, aber liebevoll und das komplette Charakterdesign inklusive Skill-Trees ist abgedreht und verwirrend. Dies beginnt bereits bei Claptraps Spezialfähigkeit, der „Beta von VaultHunter.exe“. Diese kleine Software-Schätzchen scannt die Umgebung und aktiviert auf Basis dessen verschiedene Spezialfähigkeiten. Dies reichen von einer Verwandlung in ein Piratenschiff, über Hologrammduplikate, über eine Granatenarmada unterlegt von mexikanischer Musik, über eine laserschießende Disko-Kugel (und, und , und), bis hin zu profanen Doppelwaffen-Boni.
Generell sind Claptraps Fähigkeiten von einer gewissen Willkür gezeichnet, so können wir Skill Points in eine Fähigkeit investieren, die wahllos einen Boni in einer Waffenkategorie gewährt, die anderen jedoch deutlich verschlechtert. Ähnliche Fähigkeiten gibt es für Schild- und Lebensregeneration. Ebenfalls möglich ist das Initiieren eines High-Five auf den die Teamkameraden reagieren können und sollten. Wird von einem Mitspieler eingeklatscht, so bekommt das ganze Team diverse Boni, wenn nicht, dann bekommt nur Claptrap die entsprechenden Boni (Zitat:“Because screw you guys!“). Dieser Grundton zieht sich durch alle Claptrap-Fähigkeiten und Boni und stellen das Gameplay hier und da doch etwas auf den Kopf. Wer in seiner Anspielsession also keinen Claptrap an der Seite hat, der verpasst hier eine der absoluten Stärken des Spiels!
Da stehen die verbleibenden Charaktere im direkten Vergleich doch etwas blass da. Zwar hat auch Wilhelm mit seinen beiden Drohnen (eine zum Angriff, eine zum Heilen) und Athena mit ihrem Schild (absorbiert Schaden und gibt diesen an Gegner zurück) sehr sehenswerte und nützliche Fähigkeiten – bei denen jedoch dieser ironische Coolness-Faktor etwas auf der Strecke bleibt. Nichtsdestotrotz ergänzen sich die Charaktere wunderbar und jeder einzelne davon macht einen Heidenspaß – wenn auch nicht so sehr wie der kleine Roboter.
Die Lacher sind auf unserer Seite
Doch spaßiges Gameplay ist nicht das einzige, was ein Borderlands auszeichnen sollte. Auch der Humor stimmt über weite Strecken, wenn auch Jack in diesem Teil nicht annähernd die Topform erreicht wie in Borderlands 2. Die Story ist für Anhänger durchaus interessant nachzuvollziehen, insgesamt allerdings nicht so fokussiert und wichtig wie im vorhinein vielleicht angenommen wurde. Die Kehrseite der Medaille ist zudem, dass der Titel in vielen Aspekten immer noch sehr an Borderlands 2 erinnert und das ist in einigen Belangen nicht unbedingt gut. Denn technische Probleme sind an allen Ecken und Enden unangenehm auffällig. Seien es eklatante Framerate-Einbrüche im Koop-Modus (Konsolen-Version) oder Gegner, die sich in Wände verkanten oder Questgeber, die partout nicht mit uns sprechen möchten, obwohl sie es eigentlich sollten. Einzeln kein Beinbruch, als Summe jedoch auffallend. Was im direkten Vergleich ebenfalls auffällt, ist das Missionsdesign, das hier und da einige Schwächen aufweist. Wer Borderlands kennt, der weiß, dass uns Quests immer wieder mal an bereits besuchte Orte schicken, um andere Aufgaben zu erledigen. Dies passiert hier leider durchaus oft und bietet zudem nicht wirklich viel Abwechslung, so dass besonders im späteren Verlauf Side-Quests zu einer kleinen Qual werden und mehr Langeweile als Spielspaß versprühen. Auch wirken einige Story-Missionen sehr unklar und unnatürlich in die Länge gezogen.
Dennoch schafft es The Pre-Sequel nicht an die Spielzeit eines Borderlands 2 zu kommen, den ersten Teil übertrifft es jedoch deutlich. Wer sich wirklich durch alle Sidequests schleppen will, der kann hier gut und gerne 30+ Stunden lassen, wenn er oder sie denn so will.
Insgesamt ist Borderlands: The Pre-Sequel eine runde Sache für Fans wie Neulinge der Serie. Der Schwerelosigkeits-Gameplay-Twist und Claptrap als Charakter tragen diesen Teil auf ihren Schultern und das bekannte spaßige Gameplay der Reihe tut ihr übriges. Es ist keine Neuerfindung des Rads, aber es ist mit Sicherheit eine unglaublich verrückte und spaßige Koop-Erfahrung, die es so leider noch nicht auf Next-Gen-Konsolen gibt. Wenn es also einen Grund gibt noch etwas länger die alten Konsoleneisen zu befeuern, dann ist es dieser Ausflug auf den Mond.