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- 25 April 2006
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Folgende News wurde am 17.08.2020 um 17:55:31 Uhr veröffentlicht:
Polizeigewalt oder berechtigter Einsatz?
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Polizeigewalt oder berechtigter Einsatz?
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Düsseldorf (dpa) - Was ist am Samstagabend in der Düsseldorfer Altstadt passiert? Ein 28-Sekunden-Video zeigt Szenen eines Polizeieinsatzes, deren erster Anblick selbst Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) erschreckt hat, wie er sagt.
Um den Einsatz, bei dem ein 15-Jähriger von einem Beamten mit dem Knie am Kopf zu Boden gedrückt wurde, ist eine Debatte entbrannt. Vergleiche zum Tod des US-Amerikaners George Floyd werden gezogen. Tatsächlich gibt es laut Ermittlern eine Vorgeschichte - die nicht im Video zu sehen ist.
Die Aufnahme eines Augenzeugen hatte sich am Wochenende rasant im Internet verbreitet. Man sieht den 15-Jährigen gefesselt am Boden, ein Polizist kniet auf seinem Rücken, der andere auf seinem Kopf. Aus dem Hintergrund hört man die Stimme eines Unbeteiligten, vermutlich des Filmers: «Hol' man dein Knie runter... Bruder, das ist nicht lustig.»
«Auch ich habe mich erschrocken», sagte Innenminister Reul am Montag über den ersten Moment, in dem er das Video sah. Er habe bereits einen Zwischenbericht zu dem Vorfall bekommen. Demnach sei die Polizei am Samstagabend zunächst wegen zehn Randalierern zu einem Schnellrestaurant gerufen worden. Der 15-Jährige, der offenbar nichts mit dem eigentlichen Einsatz zu tun hatte, habe sich eingemischt und einen Beamten angegriffen.
Ein Sprecher der Düsseldorfer Polizei bestätigte auf dpa-Anfrage, dass der Jugendliche sich während der Maßnahmen gegen die Randalierer «physisch» eingemischt habe. Laut mehreren Zeugen habe er die Beamten bepöbelt, Faustschläge angedeutet und schließlich Polizisten auch körperlich attackiert. Davon, dass der 15-Jährige die Beamten unter anderem als «Hurensöhne» betitelt haben soll, sieht man im Internet nichts - wie aus Ermittlerkreisen zu hören ist, war es so.
Wie Innenminister Reul am Montag ausführte, wären Knie und Schienbein auf Ohr und Schädel des jungen Mannes durch die Einsatzvorgaben der Landespolizei durchaus gedeckt gewesen. Auf dem Hals wäre dies wegen der Verletzungsgefahr nicht erlaubt. Was genau in dem Moment passiert sei, müsse daher nun «objektiv geklärt werden».
Gegen den Polizisten mit dem Knie am Kopf wird laut Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt ermittelt. Auch gegen den Jugendlichen liegen mehrere Anzeigen vor - wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, Beleidigung und tätlichen Angriffs. Er sei nach bisherigen Erkenntnissen ebenso wenig verletzt worden wie der Beamte, den er angegriffen haben soll, hieß es.
Aus Neutralitätsgründen hat die Polizei Duisburg zusammen mit der Staatsanwaltschaft Düsseldorf die Ermittlungen übernommen. Der betroffene Beamte macht vorläufig Innendienst. «Ich will den Einsatz am Samstagabend in keiner Weise rechtfertigen, ich will ihn aber auch nicht vorschnell verurteilen», sagte Reul. Körperliche Gewalt durch Polizisten sei keineswegs per se rechtswidrig, wie manche glaubten, sondern oft angebracht, zulässig und zwingend erforderlich.
Das Internet-Video rief unterdessen die Opposition auf den Plan. Die SPD-Abgeordneten Sven Wolf und Hartmut Ganzke schrieben: «Wir hatten gehofft, dass wir solche Bilder nach dem tragischen Tod von George Floyd in Deutschland niemals zu sehen bekommen würden. Ein starker Staat muss verhältnismäßig mit seiner Macht umgehen.» Die SPD-Fraktion beantragte ebenso wie die der Grünen eine Aktuelle Viertelstunde zu dem Thema am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags; Reul selbst hatte das Thema zuvor für die Sitzung angemeldet. Die Innenexpertin der Grünen, Verena Schäffer, twitterte: «Dass Polizisten sich auf Kopf/Hals einer am Boden liegenden, bereits fixierten Person knien, kann nicht verhältnismäßig sein.»
Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, stellte sich teils hinter die Beamten: «Polizeiliches Handeln ist rechtsstaatlich überprüfbar - und niemand darf vorverurteilt werden. So muss auch der ganze Sachverhalt rechtsstaatlich untersucht werden. Und nicht nur anhand einer kurzen Videosequenz beurteilt werden.»