Fabeln, Legenden, Märchen ...

raptor230961

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24 Juli 2016
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Eine alte Fabel der Zulu:
Wie der Gepard zu seinen Tränenspuren im Gesicht kam.

Es war einmal vor langer Zeit, dass ein hinterlistiger, fauler Jäger unter einem Baum die Hitze des Tages verbringen wollte, anstatt für seinen Stamm mit dem Speer auf Jagd zu gehen. Dabei beobachtete er eine Herde Springböcke, die friedlich in der Steppe graste. Da nahm er eine Bewegung wahr. Es war eine Gepardin, die sich bei ihrer Jagd nach Fleisch langsam Zentimeter für Zentimeter gegen der vorherrschenden Windrichtung, ständig in guter Deckung, langsam aber sicher, der Herde näherte. Einer der Böcke missachtete alle Vorsicht und hatte sich so von dem Schutz der Herde entfernt. Plötzlich schnellte die Gepardin aus ihrer Deckung hervor und stürzte sich
pfeilschnell auf den Springbock, bevor dieser flüchten konnte und tötete ihn. Sie war vor Anstrengung ganz außer Atem und zog den Kadaver an den Rand der Steppe zu einem Gebüsch. Der Jäger bewunderte neidisch die Geschwindigkeit, den Fleiß und das Können des Tieres. Erst jetzt bemerkte er, dass die Gepardin in dem
Gebüsch drei Junge versteckt hatte.
Der Jäger kam daraufhin auf eine teuflische Idee: Wenn er ein Junges stehlen würde könnte er mit einem so geschickten Geparden, wie der Mutter bequem Fleisch erbeuten – ohne sich selber anstrengen zu müssen. Er beschloss, eines der Jungen zu stehlen, groß zu ziehen und abzurichten. Heimtückisch wartete er in einem Versteck
seine Chance ab. Denn er war nicht nur faul – er war auch feige. Er wusste, dass die Mutter ihr Junges verteidigen würde. Als die Nacht hereinbrach machte sich die Mutter auf den Weg, ihren Durst zu stillen. Das nutzte der Jäger sofort aus. Aber er konnte sich in seiner Gier nicht entscheiden, welches der Jungen er stehlen sollte. Drei fleißige und geschickte Gehilfen sind besser als nur einer überlegte er. Und so raubte er gleich alle drei Jungtiere.
Die Mutter kam kurz darauf zurück und musste entsetzt feststellen, dass alle ihre Jungen fort waren. Mit einem gebrochenen Herzen trauerte sie und weinte die ganze Nacht und die folgenden Tage. Sie weinte, bis dunkle Streifen unwiederbringlich von den Augen das ganze Gesicht herunter verliefen.Zwischenablage01.jpg
Dieses Wehklagen hörte ein weiser alter Zulu. Da er in der Natur bewandert war und großen Respekt hatte erkannte er sofort, was geschehen war. Die Entführung ließ ihn zornig werden. Der faule Jäger war nicht nur zu einem Dieb geworden – er hatte die althergebrachten Gesetze Der Zulu gebrochen! Ein Jäger darf nur durch seine Geschicklichkeit, seine Kraft und Ausdauer Für sein Volk das benötigte Fleisch jagen. Eine andere Art zu jagen ist nur eine Schande für einen Zulu. Er ging zum Dorf und berichtete die Geschehnisse. Die Zulu waren sehr aufgebracht. Sie verbannten den Täter aus dem Dorf für immer. Der weise Zulu jedoch nahm die drei Jungen
Und brachte sie zurück zur Mutter. Seit jener Zeit tragen die Geparden die für immer ins Gesicht gezeichneten Spuren der Tränen im Gesicht. Ewig sollten die Jäger der Zulu erinnert werden, dass es eine Schande ist, auf andere Art zu jagen, als es von je her überliefert ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
:LOL:Mal etwas lustiges

Ein trauriges Leben
(Sei vorsichtig, mit dem, was Du Dir wünschst)
Oder: Eine Historie, die so nicht in der Bibel zu finden ist

Gott erschuf den Esel und sagte zu ihm: „Du bist ein Esel. Du wirst unentwegt von morgens bis abends arbeiten und schwere Sachen auf deinem Rücken tragen. Du wirst Gras fressen und wenig intelligent sein. Und du wirst 50 Jahre leben." Darauf entgegnete der Esel: „50 Jahre so zu leben ist viel zu viel, gib mir bitte nicht mehr als 30 Jahre!“
Und es war so.

Dann erschuf Gott den Hund und sprach zu ihm: „Du bist ein Hund, du wirst über die Güter der Menschheit wachen, deren ergebenster Freund wirst du sein. Du wirst das essen, was der Mensch übrig läßt und 25 Jahre leben.“ Der Hund antwortete: „Gott, 25 Jahre so zu leben, ist zu viel. Bitte nicht mehr als 10 Jahre.“
Und es war so.

Dann erschuf Gott den Affen und sprach: „Du bist ein Affe, du sollst von Baum zu Baum schwingen und dich verhalten wie ein Idiot. Du wirst lustig sein, und so sollst du für 20 Jahre leben.“ Der Affe sprach: „Gott, 20 Jahre als Clown der Welt zu leben ist zu viel. Bitte gib mir nicht mehr als 10 Jahre.“
Und es war so.

Schließlich schuf Gott den Mann und sprach zu ihm: „Du bist ein Mann, das einzige rationale Lebewesen, das die Erde bewohnen wird. Du wirst deine Intelligenz nutzen, um dir die anderen Geschöpfe untertan zu machen. Du wirst die Erde beherrschen und für 20 Jahre leben.“ Darauf sprach der Mann: „Gott, Mann zu sein für nur 20 Jahre ist nicht genug. Bitte gib mir die 20 Jahre, die der Esel ausschlug, die 15 des Hundes und die 10 des Affen."

Und so sorgte Gott dafür, dass der Mann 20 Jahre als Mann lebt, dann heiratet und 20 Jahre als Esel von morgens bis abends arbeitet und schwere Lasten trägt. Dann wird er Kinder haben und 15 Jahre wie ein Hund leben, das Haus bewachen und das essen, was die Familie übrig läßt. Dann, im hohen Alter, lebt er 10 Jahre als Affe, verhält sich wie ein Idiot und amüsiert seine Enkelkinder.
Und so ist es bis heute!!!
 
Persische Fabel:
Der Frosch und der Skorpion
Der Skorpion wollte einen Fluss überqueren. Da traf er am Ufer einen Frosch und bat diesen:
„Lieber Frosch, nimm mich bitte auf deinem Rücken mit zum anderen Ufer!“
„Ich bin doch nicht lebensmüde. Wenn wir dann auf dem Wasser sind und Du mich stichst, dann muss ich sterben“,
entgegnete ihm der Frosch.
„Wie könnt ich Dich stechen, dann gehen wir ja beide unter und müssen beide sterben“,
antwortete der Skorpion.
Der Frosch überlegte kurz und sagte dann:
„Das leuchtet mir ein. Steig auf meinen Rücken.“
Kaum waren sie einige Meter geschwommen, spürte der Frosch einen stechenden Schmerz.
Er schrie den Skorpion an:
„Jetzt hast Du mich doch gestochen. Wir müssen beide sterben!“
Der Skorpion jedoch antwortete:
„Ja, es tut mir leid. Aber ich bin nun einmal ein Skorpion - und Skorpione stechen nun mal!“

Die Moral der Geschichte:
Als Mensch sollte man besser auch seine Gewohnheiten und seine von ihm erwarteten Entscheidungen, ändern können.
Andernfalls ist man nicht besser als ein Tier – als ein Skorpion, der von seinen Instinkten geleitet wird.
(Die selbe Geschichte gibt es auch mit einem Skorpion und einem Fuchs in der indianischen Fabelwelt)
 
Der Löwe und das Mäuschen
(Äsop – griechischer Dichter, ca 6. Jahrhundert)
Ein kleines Mäuschen lief über einen schlafenden Löwen. Der Löwe erwachte und ergriff es mit seinen gewaltigen Pranken.
Das Mäuschen flehte: "Verzeih´ mir meine Unvorsichtigkeit - und schenk´ mir mein Leben. Ich will Dir dafür ewig dankbar sein. Ich habe dich nicht stören wollen."
Der Löwe schenkte ihr großmütig die Freiheit. Aber er dachte für sich lächelnd, wie ein kleines Mäuschen wohl einem Löwen Dankbarkeit zeigen wolle.
Kurze Zeit darauf hörte das Mäuschen in seinem Loche das fürchterliche Gebrüll eines Löwen und lief neugierig dort hin, von wo das Gebrüll kam. Sie fand ihren Wohltäter in einem Netze gefangen. Sogleich eilte sie herzu und zernagte einige Knoten des Netzes, so dass der Löwe mit seinen Tatzen das übrige zerreißen konnte. So vergalt das Mäuschen die ihm erwiesene Großmut.

Die Moral der Geschichte:
Selbst Unbedeutende können einem helfen, darum behandle auch den Geringsten nicht überheblich.
 
Die Zwei Wölfe
Der alte Indianer saß am Feuer. Seine Haut glänzte golden. Sie war wie eine Landschaft, durchzogen von vielen kleinen Linien, Hügeln und Tälern. Die schwarzen, funkelnden Augen lagen in tiefen Höhlen. Schneller Pfeil, der Enkelsohn, setzte sich zu seinem Großvater. Er hörte ihm gern zu. Doch man wusste nie, ob der Großvater auch zum Sprechen aufgelegt war. Manchmal sagte er stundenlang kein einziges Wort. Schneller Pfeil schaute ins Feuer und wartete. Die dicken Holzscheite knackten in der Hitze und wurden von den hungrigen Flammen zum Glühen gebracht. Plötzlich sagte der Großvater: „Mein Sohn, lerne, Dich zu entscheiden.“ „Aber wie kann ich das lernen, Großvater“, fragte Schneller Pfeil. „Indem Du auf die zwei Wölfe achtest“, antwortete der alte Indianer. „Welche zwei Wölfe?“ fragte der Junge. „Die zwei Wölfe in Dir drin.“ Der Indianerjunge wunderte sich. Was sollte das schon wieder bedeuten? Er kannte nur die Wölfe in der Wildnis. „Bitte erklär es mir“, bat er. Der Großvater nickte. „Pass auf, in jedem Menschen kämpfen zwei Wölfe, und jeder von ihnen will herrschen. Einer ist wild und rücksichtslos, er lässt nicht zu, dass Dir jemand weh tut oder Dir etwas wegnimmt. Er passt auf Dich auf und beißt zu, wo immer es geht. Der andere Wolf ist schlau, aber kein guter Aufpasser. Er will Spaß haben, dazu gehören und gemocht werden. Es kümmert ihn nicht, ob Dir etwas weh tut oder Du etwas verlierst. Er macht alles mit.“ „Und welcher Wolf gewinnt?“ fragte der Enkelsohn. „Der, den man füttert“, antwortete der alte Indianer. „Und was soll ich nun tun?“ Schneller Pfeil fand, dass das ganz schön kompliziert war mit diesen Wölfen. Der alte Indianer schaute seinem Enkel tief in die Augen. „Du wirst es mit jeder Entscheidung besser lernen, mein Sohn. Nutze Deine Wölfe, aber füttere keinen so, dass er Dich beherrscht.“
 
Der Löwe, der Wolf und der Fuchs
(Äsop – griechischer Dichter, ca 6. Jahrhundert)
Der alte Löwe lag krank in seiner Höhle. Alle Tiere des Waldes besuchten ihn - nur der Fuchs zögerte. Der Wolf ergriff diese erwünschte Gelegenheit, seinem Todfeind zu schaden. Er brachte eine harte Klage gegen den Fuchs vor: Es sei Stolz und Verachtung, dass er seinem Herrn und König nicht den schuldigen Besuch mache.
Wie der Wolf noch so sprach, kam gerade der Fuchs dazu und vernahm aus dem Schluss der Rede, dass er verleumdet worden sei. Kaum sah er den Zorn des Löwen, als er auch schon schnell eine List bei der Hand hatte, sich zu verteidigen.
Demütig bat er den Löwen um die Erlaubnis, reden zu dürfen, und als er sie mit Mühe erhalten hatte, begann er seine Rede:
"Gibt es wohl ein Tier, das mehr um das Leben unseres großmütigen Königs besorgt wäre als ich? Kaum hatte ich Kunde von Eurer Krankheit erhalten, als ich auch schon unermüdlich nach einem Mittel suchte, Eure Gesundheit herzustellen. Glücklicher Weise habe ich es vor einer Stunde gefunden."
Bei dieser Rede legte sich der Zorn des Löwen, und er fragte schnell, was das denn für ein Mittel sei.
Daraufhin erwiderte der Fuchs: "Hülle Deinen Bauch und Deine Rippen in eine frisch abgezogene, noch warme Wolfshaut, so bist du bald wiederhergestellt."
Erfreut ließ der Löwe dem Wolf lebendig die Haut abziehen. Dies Geschäft besorgte der Fuchs selbst und raunte dem Wolf zu: "Wie du mir, so ich dir."

Die Moral der Geschichte:
Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.
 
Der beliebte König und sein Sohn
Im Reich brach eine Hungersnot aus. Der Löwe Hekima - König der Tiere - half den anderen Tieren in der großen Not. Hekima schickte ihnen jeden Tag genug zum Fressen. Er war natürlich bei allen Tieren sehr beliebt. Doch eines Tages, wurde Hekima alt und schwach. Die Tiere des Waldes kamen alle, um Hekima zu besuchen und ihm zu helfen. Hekima musste bald sein Zepter seinem Sohn Akono übergeben. Aber Akono war der Meinung, dass das Volk für ihn da sei – und nicht der König für das Volk. Akono hatte kein Interesse daran, den Tieren ihm Dorf zu helfen. Er war ein Egoist. Alle Tiere merkten das sehr schnell und keiner wollte etwas mit ihm zu tun haben. Es dauerte dann auch nicht lange, dass Akono krank wurde. Aber im Gegensatz zu seinem beliebten Vater kam bei Akono kein Tier um ihm zu helfen. Da erst merkte Simba, dass er bei den Tieren im Dorf sehr unbeliebt war.

Die Moral der Geschichte:
Wer nur seinen Vorteil sucht schafft sich keine Freunde. Egoisten bleiben in der Not alleine.
 
Das gute Krokodil
(Die Krokodillegende aus Osttimor)
„Eines Tages fand ein Junge ein Krokodilbaby, das versuchte von der Lagune ins Meer zu kommen. Weil es sehr schwächlich war, nahm der Junge das kleine Krokodil und trug es zum Meer. Das Krokodil war sehr dankbar und versprach dem Jungen sich zu revanchieren. Es sagte dem Jungen, es wolle mit ihm auf Reisen gehen. Der Junge solle zum Meer kommen, es rufen und das Krokodil würde ihm helfen.
Nach einiger Zeit erinnerte sich der Junge an das Versprechen des Krokodils und ging zum Ufer der See. Er rief das Krokodil dreimal. Als das Krokodil erschien, waren beide sehr froh über das Wiedersehen. Das Krokodil sagte dem Jungen, er solle sich auf seinen Rücken setzen und das Krokodil trug den Jungen viele Jahre lang auf vielen, vielen Reisen.
Aber obwohl das Krokodil und der Junge Freunde waren, blieb das Krokodil immer noch ein Krokodil. Es fühlte den unwiderstehlichen Drang den Jungen zu fressen. Dies störte das Krokodil und so fragte es bei anderen Tieren um Rat. Es fragte den Wal, den Tiger, den Wasserbüffel und viele andere Tiere und alle sagten, „Der Junge war nett zu Dir, Du kannst ihn nicht fressen“. Schließlich fragte das Krokodil den weisen Affen. Nachdem der Affe sich die Geschichte angehört hatte, verfluchte er das Krokodil und verschwand.
Das Krokodil schämte sich und entschied, den Jungen nicht zu fressen. Stattdessen nahm er den Jungen wieder auf seinen Rücken und zusammen reisten sie, bis das Krokodil sehr alt wurde. Das Krokodil fühlte, es würde niemals die Güte des Jungen vergelten können und sagte deswegen zum Jungen: „Ich werde bald sterben. Aber mein Körper wird ein neues Land bilden, für Dich und Deine Nachkommen.““
Aus dem Krokodil wurde die Insel Timor, die auch heute noch die Form eines Krokodils hat. Der Junge hatte viele Nachkommen, die von ihm seine Güte, seine Freundlichkeit und seinen Sinn für Gerechtigkeit erbten. Heute nennen die Bewohner Timors das Krokodil Großvater und immer wenn sie einen Fluss überqueren, rufen sie: „Krokodil, ich bin Dein Enkel – friss mich nicht.“
 
Der Affe und Der Fuchs
Eines Tages trafen sich ein Affe und ein Fuchs. Während sie durch den Wald schlenderten waren sie schnell gute Freunde geworden. Plötzlich vernahmen sie ein lautes Gebrüll. Beide erschraken zunächst sehr – machten sich aber dann doch erst einmal keine Sorgen. Aber kurz darauf hörten sie erneut das fürchterliche Brüllen – dieses Mal aber viel näher. So versteckten sich der Fuchs und der Affe in einem Gebüsch. Als das fürchterliche Gebrüll verstummte wagte sich der Affe aus dem Versteck, um sich umzuschauen. Als er den Löwen sah meinte er: „Ach so! Das war die ganze Zeit der dumme Löwe der so gebrüllt hat! Und ich hatte schon Angst dass es ein großes Raubtier wäre, das mich fangen und essen könnte!" Der Fuchs flüsterte dem Affen zu: „Hey Affe, sei still! Und kommt schnell zurück in das sichere Versteck. Noch hat dich der Löwe nicht gesehen!" „Nein, wenn der Löwe mich fangen will, klettere ich einfach auf einen Baum.", schrie der Affe zurück. Das hatte aber nun der Löwe mitbekommen. Er schaute sich um, entdeckte den Affen und stürzte sich auf ihn. Der Affe wollte zwar noch schnell auf den Baum klettern, doch der Löwe war schneller. Er packte den Affen und verschlang ihn genüsslich.

Die Moral der Geschichte:
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!
 
Der Igel und das Kalb
(Leo Tolstoi)
Ein Kalb entdeckte einen Igel und sprach: „Ich fresse Dich!“ Der Igel wusste nicht, dass Kälber keine Igel fressen, erschrak aber, rollte sich ein und fauchte: „Versuch es doch!“ Mit erhobenem Schwanz fing nun das einfältige Kalb an zu hüpfen, stieß mit den Hörnern in die Luft, spreizte die Vorderfüße und beleckte den Igel.
„Au, Au, Au!“, brüllte das Kalb und rannte zur Mutter-Kuh und beklagte sich: „Der Igel hat mich in die Zunge gestochen.“ Die Kuh hob den Kopf, blickte nachdenklich drein und riss weiter Gras ab. Der Igel trollte sich indes in eine dunkle Höhle unter einer Ebereschenwurzel und meinte fröstelnd: „Ich habe ein riesiges Tier besiegt. Ich muss ein Löwe sein!“
Der Ruf über die Tapferkeit des Igels eilte bis weit hinter den blauen See, bis hinter den dunklen Wald. „Wir haben einen Igel, der ist ein Recke“, flüsterten ängstlich die Tiere.

Die Moral der Geschichte:
Eine unüberlegte leere Drohung stärkt oftmals nur den Gegner!
 
Der Wolf und der Storch
Eines Tages verschlang ein Wolf ein Schaf so gierig, dass ihm ein Knochenstück im Hals stecken blieb. Er konnte noch so würgen, es half nichts. Der Wolf geriet darüber in große Angst. Schon konnte er kaum noch atmen, da erblickte er einen Storch im hohen Gras.
„Storch, mein Freund mir steckt ein Knochen im Hals. Wenn du mich davon befreist, will ich dich reich belohnen.“ Winselte der Wolf. Der Storch kam vertrauensvoll näher und schaute in den aufgerissenen Rachen des Wolfes. „Rette mich!“, gurgelte der Wolf. „Nichts leichter als das“, sagte der Storch. „Halte durch und gleich ist alles wieder in Ordnung.“ Der Storch schob seinen langen Schnabel in den Wolfsrachen, packte das Knochenstück und zog es behutsam heraus. Dann erinnerte er den Wolf an die versprochene Belohnung. Der Wolf aber sprach: „Du willst auch noch einen Lohn haben? Danke Gott, dass ich dir den Hals nicht abgebissen habe. Du solltest mir etwas schenken, dass du lebendig aus meinem Rachen gekommen bist.“

Die Moral der Geschichte:
Wer anderen einen Dienst erweist, sollte keinen Lohn oder Dank erwarten.
 
Die Einhörner
In etwa zu der Zeit, als noch das wunderschöne Atlantis irgendwo auf dieser Welt existierte, lag nicht weit davon entfernt die Insel der Einhörner. Die Erde war noch lange nicht so dicht besiedelt wie heute, und die Menschen hatten so viel Platz, dass sie sich noch nicht ständig über den Weg liefen. Da es so viel freien Raum gab, verstanden sich die unterschiedlichen Völker, und sie führten auch noch keine Kriege gegeneinander. Die Aufgabe der Einhörner war es das Gute in den Menschen zu bewachen, und das fiel ihnen auch überhaupt nicht schwer.
Die Einhörner waren wunderschöne Pferde mit langen weiß-silbrigen Mähnen, und auf dem Kopf trugen sie ein einziges Horn.
Dieses Horn war etwas ganz Besonderes, denn in ihm bewahrten die Einhörner den Frieden und die Zufriedenheit auf. Gab es einmal Ärger unter den wenigen Menschen, so schütteten die Einhörner des Nachts über ihren Schlafstellen etwas Staub aus ihrem Horn über die schlafenden, und am nächsten Morgen schon mussten diese über den gestrigen Streit lachen und versöhnten sich wieder. Solange die Einhörner das Horn auf ihren Köpfen trugen, würden die Menschen immer einen Weg finden, ihre Streitigkeiten ohne Waffen auszutragen.
Die Zeit verging, und es gab auf der Welt immer mehr Menschen, und der Platz den der einzelne zur Verfügung hatte, wurde immer weniger. Durch die Enge, stritten sich die Menschen immer öfter, aber es blieb bei Streitigkeiten, und niemand fügte dem anderen ein ernsthaftes Leid zu.
Die armen Einhörner aber wussten bald nicht mehr, wo sie des Nachts zuerst beginnen sollten, um die vielen Streitereien in Vergessenheit geraten zu lassen. Man muss wissen, dass es die Tiere nur in sehr kleiner Anzahl gab, denn dass die Menschen sich so schnell vermehren würden hatte niemand vorhersehen können. So dauerte es nicht lange, und die armen Tiere kamen mit der Ausschüttung des Staubes, der den Streit vergessen ließ nicht mehr hinterher. Je länger aber ein Streit dauerte, um so schwieriger war es auch, ihn beizulegen, und der Zauberstaub konnte nur bei Streitigkeiten etwas ausrichten, die nicht älter als drei Tage waren.
So gab es bald immer mehr Menschen, die verbittert waren und deren Streit nicht mehr zu schlichten war. Die Einhörner aber wurden vor Verzweiflung, dass sie den Menschen nicht helfen konnten ganz krank. Und so beschlossen sie eines Tages, weil der Hass unter den Erdbewohnern immer größer geworden war, ihre Hörner abzulegen und dorthin zurückzukehren, wo sie bevor sie auf die Erde gekommen waren gelebt hatten, nämlich ins Meer. Einigen sehr weisen Menschen aber vermittelten sie vorher noch im Traum die Erkenntnis, dass Kriege alles nur verschlimmern. Und noch ein besonderes Geschenk machten sie diesen Auserwählten. Sie vermittelten ihnen die Gabe, von anderen geachtet und anerkannt zu werden und auch das Wissen, wie man am besten zwischen Menschen vermittelt, die sich streiten oder gar Kriege gegeneinander führen.
Erst nachdem sie das getan hatten, legten die Einhörner ihre Hörner ab und trabten an den weißen Strand, der die Insel umgab, auf der sie lebten. Und in dem Augenblick, als sie im Wasser verschwanden, verwandelten sie sich in Seepferdchen, die wir heute noch manchmal zu sehen bekommen. Schade, dass nur Kinder ahnen, wer das Seepferdchen, das sie gerade sahen einmal war!
 
Die Rehe
Ein wilder, freiheitsdurstiger Kitzbock kehrte erschöpft von seinen kühnen Streifzügen am Morgen nach Hause zurück. Seine Mutter hatte sich schon längst im Moos ihr Bett bereitet. »Du kommst spät, mein Sohn«, sagte sie, »ich glaube, Du wagst dich immer zu weit von Vater und mir fort. Du springst im Wald umher, als gäbe es dort keine Feinde.« Der junge Bock hörte gar nicht auf seine Mutter, sondern berichtete begeistert: »Stell Dir vor, was ich heute entdeckt habe; einen ganz klaren Bach habe ich gesehen. Das Wasser ist viel frischer als das von dem mickrigen Rinnsal in der Schlucht.« »Was«, rief die Mutter voller Entsetzen, »Du warst am Wasser? Weißt Du denn nicht, dass am Bach das Reich des Tigers ist?« »Was ist ein Tiger?« fragte der Kitzbock unbeeindruckt. »Der Tiger ist unser schrecklichster Feind; ein widerliches Scheusal ist er, ein grässliches, garstiges Tier. Sein fürchterliches Gesicht verrät Dir sofort sein düsteres, mörderisches Gemüt. Oh, dieser gräuliche Widerling«, ereiferte sich die sonst sanftmütige Rehmutter, »sein Rachen raucht geradezu vom Blute seiner Opfer. Weder der Bär noch der Löwe sind so schrecklich wie dieses abstoßende Ungeheuer.« Der kleine Bock unterbrach seine Mutter: »Schon gut, jetzt kenne ich diesen bösen Herrn. Ich verspreche Dir, ich werde mich vor ihm in Acht nehmen.« Am Abend zog es den kleinen Rehbock wieder zum Bach, obwohl auch sein Vater mit ihm gezankt hatte, als er ihm von seiner Entdeckung erzählte, und ihm ausdrücklich verboten hatte, das Gebiet des Tigers zu betreten. »Mutter hat mir gesagt, wie der Tiger aussieht«, dachte der kleine Bock sorglos, »es kann mir also nichts geschehen.« Am Wasser erblickte er ein fremdes Tier, das friedlich im hohen Gras lag und ruhig um sich schaute. »Das ist bestimmt kein Tiger«, sagte der Kitzbock zu sich, »denn es ist ein sehr schönes Tier mit einem so hübschen Fell. Auch blickt es fast ein wenig traurig in die Welt. Nein, dieses Tier sieht nicht wie ein Mörder aus. Und wie groß und kräftig es ist! So möchte ich auch einmal werden.« Jetzt hatte der Tiger den Kitzbock gewittert, und mit wenigen, langen Sprüngen war er bei dem überraschten Bewunderer. Verwirrt rannte dieser davon und lief um sein Leben. Der Tiger hatte ihn verfehlt und jagte ihm nun grimmig nach. Aber der junge Bock hatte an diesem Abend Glück und konnte seinem Verfolger entwischen. Der Vater schalt sehr mit seinem waghalsigen, ungehorsamen Sohn, als er hörte, welcher Gefahr er gerade entronnen war: »Musst Du immer so übermütig herumtollen? Wenn Du nicht auf deine Eltern hörst, so wirst Du wohl kaum Deine ersten Hörner erleben.« Der zu Tode erschrockene Kitzbock zitterte noch am ganzen Körper. »Das ist gemein!« empörte er sich. »Mutter hat mir zwar gesagt, wie ein Tiger ist, aber nicht, wie er wirklich aussieht. Wie konnte ich wissen, dass hinter so einem schönen Wesen ein mörderisches Scheusal steckt.« »Einfältiges Kind«, beruhigte der Vater seinen Sohn, »nicht jeder Bösewicht zeigt sich in seiner wahren Gestalt. Meistens tarnt er sich mit Glanz und falschem Schein.« Und die Rehmutter machte sich bittere Vorwürfe, dass sie ihrem Sohn ein so einseitiges Bild von dem Tiger gegeben hatte.
 
Der Fuchs Und Der Hase
Ein Fuchs sah plötzlich einen Hasen des Weges hoppeln. Er dachte sich eine List aus: Der Fuchs wusste, dass nicht weit von seinem Fuchsbau sich ein tiefes Loch im Boden befand. Er fragte den Hasen: „Wollen wir nicht zusammen etwas unternehmen? Schon lange wollte ich dir eine Stelle zeigen, wo die dicksten Möhren wachsen.“ Erfreut willigte der Hase ein. Der Fuchs wies ihm die Richtung und sagte: „Lauf nur schon voraus. Du bist schneller als ich.“ Der Hase machte sich also auf den Weg, und der Fuchs folgte ihm. Während der Hase aber mit einem riesigen Satz über das Loch sprang, hatte der Fuchs voller Schadenfreude gar nicht auf den Weg geachtet und fiel direkt hinein. Der Fuchs jaulte: „Hol mich hier raus!“ Der Hase aber erkannte den Trick und hatte sowieso keine Idee, wie er dem Fuchs helfen könnte. Und so hoppelte der Hase davon.

Die Moral der Geschichte:
Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.
 
Die Bienen und der Bär
Eine russische Fabel
Die wilden Bienen hatten ihr Nest in einem ausgehöhlten Baumstamm. Der alte Bär erfuhr davon, und auf seine Kraft bauend, kam er zu den Bienen und sprach:"Gebt mir euren Honig, ihr winzigen und schwächlichen Geschöpfe, ansonsten reiße ich den Baum aus, fresse Euren Honig auf und zerdrücke Euch alle." "Einverstanden," sagten die Bienen "versuch' s! Überwältigst Du uns, ergeben wir uns." Die Frechheit der Bienen erzürnte den alten Bären, er steckte sogleich den Kopf in die Baumhöhle und streckte gierig die Zunge nach dem Honig aus. Augenblicklich verspürte er jedoch einen solch rasenden Schmerz, dass er seine Bärenkraft vergaß. Die Bienen aber bearbeiteten mit ihren Stacheln seine Zunge, Nase und Ohren so dass er floh, ohne darauf zu achten, was die Bienen hinter ihm herriefen: "Denke daran, dass auch winzige Geschöpfe sich zu verteidigen wissen!"

Die Moral der Geschichte:
Zusammen ist man stark
 
Der Adler und der Fuchs
(Äsop – griechischer Dichter, ca 6. Jahrhundert)
Im Gipfel einer Eiche hatte ein stolzer Adler sein Nest. Am Fuß derselben Eiche wohnte ein Fuchs in seinem Bau. Adler und Fuchs vertrugen sich gut und pflegten eine vorbildliche Nachbarschaft. Eines Tages kehrte der Adler von einer erfolglosen Jagd zurück. Er war hungrig und die Jungen in seinem Nest bettelten eindringlich um Futter. Zur selben Zeit verließ der Fuchs seinen Bau. Auch er hatte Junge zu versorgen und begab sich auf die Jagd und die Suche nach Nahrung. Ungeachtet der alten Freundschaft nutzte der Adler die Abwesenheit des Fuchses. Er stürzte sich auf dessen Junge, tötete sie und brachte sie seinen eigenen Jungen zum Fraß.
Als der Fuchs von der Jagd zurückkehrte erkannte er bald, was vorgefallen war. Vor Wut und Entsetzen beschimpfte er den Adler und nannte ihn einen niederträchtigen Mörder, der die bisherige gute Nachbarschaft grob missbraucht hätte. Der Adler jedoch schaute arrogant auf den Fuchs herab und rief ihm zu: „Was willst du armer Tropf gegen mich. Ich bin stärker als du und kann sogar durch die Lüfte fliegen." Er spreizte seine Flügel und startete zu einem neuen Beuteflug. Nicht weit entfernt feierte eine Gruppe von Menschen ein Grillfest. Im Sturzflug stieg der Adler herab und schnappte sich mit seinen Krallen und seinem Schnabel einige von den gebratenen Fleischstückchen. Dann erhob er sich wieder in die Luft und brachte das Fleisch zu seinen Jungen. Dabei hatte er übersehen, dass an einem der Fleischbrocken noch etwas Glut hing. Die entzündete sich und verbrannte das Nest. Die Jungen, die noch nicht fliegen konnten, erlitten schwere Verbrennungen und fielen zu Boden. Dort konnte der Fuchs sich darüber her machen und sie auffressen.

Die Moral der Geschichte:
Wer Böses tut, muss immer mit Strafen rechnen.
 
Die Möwe und die Krabbe
Als eine Möwe ihren Strand überflog sah sie eine Krabbe, wie sie das Meer verließ. Die Möwe wunderte sich über das sechsbeinige Tier, weil sie so etwas noch nie gesehen hatte. Stielaugen und Scherenarme hatte das merkwürdige Geschöpf auch noch dazu.
„Wer bist denn Du?“ fragte die Möwe ein wenig abfällig und landete elegant auf dem heißen Sand. „Ich bin eine Strandkrabbe.“ antwortete die Gefragte wahrheitsgemäß und gutmütig.
„Eine Strandkrabbe? Noch nie gehört!“ erwiderte der weiß-graue Vogel. „Warum bist Du so ungelenk und hässlich? Wozu die riesigen Scheren? Nicht einmal fliegen kannst Du.“
„Fliegen, wozu sollte ich denn fliegen wollen?“ wunderte sich das Meerestier. „Ansonsten komme ich mit meinen Fähigkeiten ganz gut zurecht“, antwortete die Krabbe zufrieden.
„Pfff, das denkst Du nur, weil Du nichts Anderes kennst.“ erwiderte die Möwe. „Warum sollte ich etwas kennen wollen, womit ich nichts anfangen kann?“ „Mit dir kann ich nicht diskutieren, Du bist eh nur ein Tier, das gerne im Dreck herumstochert“, sagte die Möwe überheblich und flog auf eine kleine Insel unweit der Küste. „Bleib‘ doch gerne in Deiner kleinen und beschränkten Welt.“ raunte der Vogel ihr im Flug zu. „Eingebildet ist sie auch noch“, dachte die Strandkrabbe und wollte ihren Weg fortsetzen, als sie plötzlich Schreie von der kleinen Insel hörte. „Bitte, hilf mir!“ rief die Möwe verzweifelt. Die Krabbe ging im Krebsgang langsam aber zielstrebig ins Wasser. Als sie die Insel erreichte, stellte sie fest, dass es sich dabei um eine große Ansammlung von Plastikmüll handelte, die die Menschen achtlos weggeworfen hatten. Die Seemöwe verfing sich mit ihrem rechten Flügel in einem Plastikring, der sich nur noch fester zuzog, als sie sich zu befreien versuchte. „Warte kurz“, sagte die Krabbe und zerschnitt den Ring mit einer Schere. „Danke – und entschuldige bitte meine Arroganz“, sagte der Vogel beschämt und schüttelte sich. „Wie kann ich mich nur revanchieren?“ „Deine Worte sind mir Dank genug“, sagte die Strandkrabbe, „mir ist nur wichtig, dass Du niemand mehr geringschätzig behandelst. Jeder ist auf seine Art wertvoll und wichtig. Und außerdem geht jeder mit seiner eigenen Geschwindigkeit durch das Leben.“
 
Der Fuchs und die Katze
(Gebrüder Grimm)
Es trug sich zu, dass die Katze in einem Walde dem Herrn Fuchs begegnete, und weil sie dachte: „Er ist gescheit und wohl erfahren, und gilt viel in der Welt“, so sprach sie ihm freundlich zu. „Guten Tag, lieber Herr Fuchs, wie geht’s? Wie steht’s? Wie schlagt Ihr Euch durch in dieser teuren Zeit?“ Der Fuchs, alles Hochmutes voll, betrachtete die Katze von Kopf bis zu Füßen und wusste lange nicht, ob er eine Antwort geben sollte. Endlich sprach er: „Oh, du armseliger Bartputzer, du buntscheckiger Narr, du Hungerleider und Mäusejäger, was kommt dir in den Sinn? Du unterstehst dich zu fragen, wie es mir gehe? Was hast du gelernt? Wie viele Künste verstehst du?“ – „Ich verstehe nur eine einzige“, antwortete bescheiden die Katze. „Was ist das für eine Kunst?“ fragte der Fuchs.
„Wenn die Hunde hinter mir her sind, so kann ich auf einen Baum springen und mich retten.“ – „Ist das alles?“ sagte der Fuchs, „ich bin Herr über hundert Künste und habe überdies noch einen Sack voll Listen. Du jammerst mich, komm mit mir, ich will dich lehren, wie man den Hunden entgeht.“ Da kam ein Jäger mit vier Hunden daher. Die Katze sprang flink auf einen Baum und setzte sich in den Gipfel, wo Äste und Laubwerk sie völlig verbargen. „Bindet den Sack auf, Herr Fuchs, bindet den Sack auf“, rief ihm die Katze zu, aber die Hunde hatten ihn schon gepackt und hielten ihn fest. „Ei, Herr Fuchs“, rief die Katze, „Ihr bleibt mit Euren hundert Künsten stecken. Hättet Ihr herauf kriechen können wie ich, so wäre es nicht um Euer Leben geschehen.“

Die Moral der Geschichte:
In der Not muss man das können, was gebraucht wird.
 
Der Affe und der Vogel
Ein Affe schlug zur Winterszeit auf einem Baume sein Nachtquartier auf. Vor Kälte zitternd, sah er zu seiner Freude am Fuße des Baumes ein Leuchtkäferchen flimmern, das er für einen Lichtfunken hielt. Unverweilt eilte er zu dem Lichtlein hinab, um trockenes Holz und etwas Stroh, das er in der Nähe liegen sah, herbeizuholen. Über dem Leuchtkäferchen türmte er diesen Brennstoff dann auf und mit vollen Backen blies er nun auf das Leuchtwürmchen ein, um eine Flamme zu entfachen. Ein Vogel sah diesem fruchtlosen Beginnen erheitert zu, hüpfte herbei und sagte: »Nimm mir's nicht übel, Freund, wenn ich Dir rate, Zeit und Mühe hier nicht nutzlos zu vergeuden! Was Du allem Anscheine nach für ein Feuerfünkchen hältst, das ist nichts anderes als ein kleines Tier, das von Natur leuchtet.« »Vorwitziger Vogelfratz Du!« erhielt er zur Antwort. »Kehre in Dein Nest zurück, und geh schlafen! Mit Deinen guten Lehren aber, um die ich Dich nicht gebeten habe, verschone mich! Was ich zu tun oder zu unterlassen habe, das Lass getrost meine Sorge sein!« Diese Verachtung seiner Weisheit konnte der törichte Vogel nicht verschmerzen. Wieder und wieder redete er auf den Affen ein, um ihn eines Besseren zu belehren. Der aber verlor ob dieser Zudringlichkeit die Geduld. Zornig sprang er auf den Weisheitsprediger zu, erhaschte den Vogel und zerriss ihn in blutige Stücke. Das nun hatte der dumme Schwätzer davon, dass er seine Weisheit durchaus auch dort an den Mann bringen wollte, wo man ihrer nicht begehrte.
 
Der alte Löwe
Kraftlos lag der alte Löwe nun vor seiner Höhle und erwartete den Tod. Die Tiere, deren Schrecken er bisher gewesen war, bedauerten ihn nicht. Sie freuten sich richtig, dass sie ihn nun bald los sein würden. Einige von ihnen, die noch immer das Unrecht schmerzte, das er ihnen einmal angetan hatte, wollten nun ihren alten Hass an ihm auslassen. Der arglistige Fuchs kränkte ihn mit beißenden Reden. Der Wolf sagte ihm die ärgsten Schimpfworte. Der Ochse stieß ihn mit den Hörnern. Das Wildschwein verwundete ihn mit seinen Hauern. Selbst der träge Esel gab ihm einen Schlag mit seinem Huf. Das edle Pferd allein blieb schweigend stehen und tat ihm nichts, obgleich der Löwe seine Mutter zerrissen hatte. Da fragte der Esel: „Willst Du nicht dem Löwen auch eins hinter die Ohren geben?“ Das Pferd aber antwortete: „Ich halte es für niederträchtig, mich an einem Feinde zu rächen, der mir nicht mehr schaden kann.“

Die Moral der Geschichte:
Wenn einer am Boden liegt, tritt man nicht nach!