Folgen von "Republikflucht" aus der DDR und anderen Ostblockländern

Wieso bitte musste es erst die Wiedervereinigung geben, bevor getrennte Familien sich wiedersehen konnten? Ging das nicht auch ohne politische Vereinigung? Hätte man eine "neue" DDR erstellt mit demokratischerem Machtapparat als in der BRD hätte das doch auch geklappt.

Ich war 18. Ich hätte nichts anderes gewollt, aber es lag nicht in meiner Hand. Ich hätte es auch besser gefunden, wenn die DDR irgendwie einen Weg gefunden hätte selbständig bleiben und ein besseres System aufzubauen.
Ich kann dir noch nicht mal sagen, wer oder was letztendlich den Anstoß gegeben hat, ich weiß nichts von Wahlen, ich weiß von gar nichts. Meine Tochter wurde Juli 1990 geboren, da war es von den Ämtern schon Fakt, dass sie BRD Bürger ist. Ich müsste jetzt mal glatt googlen, wann die Wahlen waren, wann der Vertrag geschlossen wurde usw. Ich kenne nur den 3. Oktober als Feiertag und der berührt mich im Grunde vom 1. Jahr nicht, außer das der Tag frei ist und irgendwelche tollen Festen stattfinden. Nicht mehr und nicht weniger.

Ist es das, wenn man über die Freiheit der Jugend diskutiert? Wenn mir jemand erzählt, wie toll seine Kindheit war?

Was willst du denn hören? Das ich keine schöne Kindheit hatte? Das ich keine tollen Freunde hatte? Die Schule Spaß machte und ätzend war, das Fach Staatsbürgerkunde hingenommen wurde und unseren tollen Apelle einfach nur lästig? Ich konnte fange spielen, eis essen, mich auf den einschlägigen Spielsplätzen rumtreiben und später als Jugendliche genauso auf die Kacke hauen, wie es heute auch ist. Ich hab mich in die Disco für die Großen eingeschlichen, Zigaretten geraucht und heimlich Bier probiert, hab Schule geschwänzt, Tadel und Verweise eingeheimst, Mist gebaut in der Gruppe und wir haben zusammen gehalten. Wir alle ohne Ausnahme. Ob als Klasse in der Schule oder als Clique außerhalb der Schule. Wir hatten Gesetze und an denen hielten wir uns alle.
Jedenfalls dort, wo ich aufgewachsen bin.


Richtig, aber im Gegensatz zur DDR haben wir heute jede Möglichkeit, das zu ändern, was uns nicht gefällt. Ganz einfach per Mehrheitsbeschluss.

Wenn das jetzt hier in der BRD alles so einfach ist, dann sage mir doch bitte, wie ich z.B. Gesetze ändern kann zur Bestrafung von Kinderschändern oder Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen bis zum Tod der Kinder. Die Strafen gefallen mir nicht. Was kann ich als Einzelperson tun, um das z.b. zu ändern bzw. ändern zu lassen?

Mein Opa hat immer gesagt: "Die HJ hat keinem geschadet, wir waren immer an der frischen Luft und es hat Spass gemacht. Und gleichzeitig haben wir noch gelernt, was die Juden wirklich mit Deutschland anstellen."

Ich habe keine Ahnung, was andere aus ihrer Jugendzeit und ihrer Zugehörigkeit bei den Pionieren oder FDJlern mitgenommen haben, aber ich habe Freundschaft, Respekt, Hilfe für andere raus genommen. Ältere Menschen hat man zu helfen, zu respektieren, jüngeren Schülern wird über die Straße geholfen, denen zeigt man, wie man bastelt, wie man sich in einer Gruppe verhält, wir haben Zeltlager gebaut, Lieder gesungen und Feste organisiert, Lernprojekte und Nachhilfen. Ich habe gelernt, die Menschen zu respektieren, egal wo sie leben und egal was sie sind.
Ich habe nicht gelernt, dass die BRD schlecht ist oder die Menschen, sondern das System wäre schlecht, weil es auf Egoismus des Einzelnen aufgebaut ist. Das habe ich vom Kapitalismus gelernt. Ich habe gelernt, dass es besser für die Gemeinschaft ist, für andere da zu sein, zu teilen und ggf. zu verzichten um den anderen zu helfen. In der Gemeinschaft bist du stark, in der Einsamkeit verloren.
Ich habe gelernt, das Politik und sämtliche Machenschaften für mich gar nichts ist. Ich mochte damals keine Politiker und heute auch nicht. Sie sind verlogen und nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Die Masche für die Gesellschaft, für die Bürger etwas zu tun, habe ich weder damals noch heute geglaubt und werde ich auch nie glauben. Ich arrangiere mich mit dem System, genauso wie es damals auch viele Menschen gemacht haben.

Und bisher hab ich kein Fleckchen auf dieser Welt gefunden, wo es anders wäre. Es sei denn ich hätte xMilliarden Euro irgendwo in der Hinterhand, wo mir jedes System auf dieser Welt was könnte, weil ich mir eh alles kaufen kann. Auch Regierungen. Aber so ist es nicht, also lebe ich eben so weiter.

Ich maße mir nicht an, über die Hitlerjugend zu richten, weil sie damals genauso wie ich Kinder waren und so erzogen wurden. Sie haben den Mist geglaubt. Hätte ich nicht so eine starke unglaubliche Familie gehabt, die mir die Fehler des Systems aufgezeigt hätte, so wäre ich auch unter die Räder gekommen, so konnte ich jedoch selbst entscheiden, wie weit ich gehe bzw. was ich glaube.
 
Folgen von "Republikflucht" aus der DDR und anderen Ostblockländern

Was willst du denn hören? Das ich keine schöne Kindheit hatte? Das ich keine tollen Freunde hatte? Die Schule Spaß machte und ätzend war, das Fach Staatsbürgerkunde hingenommen wurde und unseren tollen Apelle einfach nur lästig? Ich konnte fange spielen, eis essen, mich auf den einschlägigen Spielsplätzen rumtreiben und später als Jugendliche genauso auf die Kacke hauen, wie es heute auch ist. Ich hab mich in die Disco für die Großen eingeschlichen, Zigaretten geraucht und heimlich Bier probiert, hab Schule geschwänzt, Tadel und Verweise eingeheimst, Mist gebaut in der Gruppe und wir haben zusammen gehalten. Wir alle ohne Ausnahme. Ob als Klasse in der Schule oder als Clique außerhalb der Schule. Wir hatten Gesetze und an denen hielten wir uns alle.
Jedenfalls dort, wo ich aufgewachsen bin.

Habe ich auch alles drüben in der (ehemaligen) Tschechoslowakei und trotzdem hatten wir eins nicht: die Freiheit.

Meine Eltern sind 1972 mit uns Kindern in den Westen (NL) geflohen. Ein Onkel von mir kam 3 Monate später nach - er wurde an der innerdeutschen Grenze geschnappt und zur Strafarbeit in einer Uranmine verurteilt. Dort starb er 2 Jahre später an Leukämie. Seine Frau (meine Tante also) wurde entlassen, weil ihr Mann Republikflüchtiger war. Da sie die beiden Kinder nicht mehr ernähren konnte, wurde diese in ein Erziehungsheim gesteckt, wo man sie jeden Tag vorkaute, was für ein feieger Hund ihr Vater doch wäre, weil er geflohen war.

Tut mir leid, aber mit keiner Apfelsine, keine Kiwi und kein VW der Welt, kann man sich die Freiheit erkaufen. Und ich stimme marty zu (habe euer Geplenkel komplet gelesen); das ehemalige Ostdeutschland wurde nach dem Mauerfall durch den Westen auf die Füße geholfen (bis heute). Was passierte in der Tschechei? Niemand half da. Ein paar Subventionen hier und dort und den Rest hat man selbst erwirtschaftet und erarbeitet.

Ich rege mich immer darüber auf, wenn ehemalige Ostdeutsche behaupten, es wäre in der DDR nicht so schlimm gewesen, denn im Grunde genommen wurden wir in der Tschechei ja mit eingesperrt, wegen euer geteiltes Deutschland und wir haben dort auch gelitten und nicht zu knapp. Die DDR war Unrecht und insofern bin ich heute - als einstige Tschechin, mit Niederländischem Pass und seit 20 Jahren mit Wohnsitz Deutschland, sehr froh über die Deutsche Verfassung und über die Tatsache, dass die Mauer weg ist. Der Mauerfall brachte nämlich nicht nur den Ossis die Freiheit.. aber das vergessen die Ostdeutschen sehr sehr gerne.
 
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Ich rege mich immer darüber auf, wenn ehemalige Ostdeutsche behaupten, es wäre in der DDR nicht so schlimm gewesen
Ich reg mich drüber auf, wenn Leute behaupten, daß alles Mist war. Und nun? Natürlich war da einiges schlimm. Wer ist schon gern eingesperrt und wird bespitzelt. Das bestreitet hier ja auch keiner. Man kann die guten Sachen, wie kostenlose Kindergartenplätze und Hausaufgabenbetreuung, aber nicht einfach wegdiskutieren, indem man einfach alles Schlechte aufzählt.
 
Ich reg mich drüber auf, wenn Leute behaupten, daß alles Mist war. Und nun? Natürlich war da einiges schlimm. Wer ist schon gern eingesperrt und wird bespitzelt. Das bestreitet hier ja auch keiner. Man kann die guten Sachen, wie kostenlose Kindergartenplätze und Hausaufgabenbetreuung, aber nicht einfach wegdiskutieren, indem man einfach alles Schlechte aufzählt.

Und was bringt dir ein kostenloser Kindergartenplatz und Hausaufgabenbetreuung, wenn Du eingesperrt bist und bespitzelt und verraten wirst?
 
Ich rege mich immer darüber auf, wenn ehemalige Ostdeutsche behaupten, es wäre in der DDR nicht so schlimm gewesen
Ich versteh dich ja (bei dieser Familiengeschichte), aber das ist mehr oder weniger deine persönliche Situation geschuldet. Du solltest auch verstehen, daß es ehemaligen DDR-bürgern gänzlich anders ging; die ein normales Leben führen konnten ohne Repressalien und deshalb die DDR nicht nur
nicht so schlimm fanden, sondern das Leben in diesem Land sogar gut fanden.
 
Abhören der Telefonate, öffnen der Briefe, Befragung von Arbeitskollegen, Freunden, Familie, Einbruch, Verfolgung, Überwachung der Aktivitäten.

Alles zusammen in "Tateinheit"? ;)
Briefe aus der BRD bzw. in die BRD wurden komplett von der Post der "Abteilung M" vorgelegt.
Telefonate aus der BRD bzw. in die BRD [nur mit Anmeldung !] wurden komplett mitgeschnitten und später ausgewertet.

Sicherlich hatte nicht jeder DDR-Bürger eine eigene Akte bzw. einen eigenen "IM". Jedoch war das "System" allgegenwärtig und der Druck enorm.
Von einer "freien Entwicklung" zu sprechen ist absurd.
Auch sollte man bei den kostenlosen KITAs und der Hort-Betreuung immer im Hinterkopf haben, dass diese zum Hauptziel die Erziehung im sozialistischen Sinne hatten - also politische Erziehung schon im Kindesalter nach Vorgabe des Systems, vorbei am Elternhaus.
 
Du solltest auch verstehen, daß es ehemaligen DDR-bürgern gänzlich anders ging; die ein normales Leben führen konnten ohne Repressalien und deshalb die DDR nicht nur
nicht so schlimm fanden, sondern das Leben in diesem Land sogar gut fanden.

Und warum hab ich das Gefühl, dass das aber keiner versteht, sondern man "verurteilt" wird, nur weil ich keine schlechte Kindheit hatte, ich kein Trauma habe von Knast, Kinderheimen oder sonstiges? Meine Familie hat eine Menge Dreck am Stecken, nur hat sie es geschickt vor mir versteckt und ich war immer ein vorbildliches Kind, so war es gewollt auch von meiner Familie. Das heißt, ein Ausfragen meiner Person durch Schule war nutzlos, weil ich nichts wußte. Erst später ab 14 Jahren wurde ich sozusagen "aufgeklärt", weil meine Familie dachte, ich wäre alt genug. Als ich meine Lehre machte, merkte ich den Druck und Bespitzelung und dann kam die Chance abzuhauen über Ungarn. Und so jung und ungestüm man mit gerade 18 sein kann, bin ich weg.
Ich weiß sehr wohl, was abging, immerhin musste meine Mutter meine Tat büßen. und das wünscht man nun wirklich keinem.
 

Unterlagen der DDR-Staatsicherheit vielleicht?

Und meine Wenigkeit kannst auch als Quelle nehmen, denn wir wurden nach der Flucht sogar in den NL noch von Bekannten und Verwandten bespitzelt die, achso urplötzlich, eine Ausreisegenehmigung für den reichen Westen bekommen hatten, nachdem wir erst 10 Jahre Kontaktverbot zur gesamten Familie hatten und wir bis zum Mauerfall nicht mehr in die Tschechei einreisen durften (oder in die DDR).
 
Vorurteile!? *schulterzuck Keine Ahnung, aber "Wessis" sind auch nur Menschen. :mrgreen:

Na ups :mrgreen:

Das Thema ist ganz gut, hab heute mit meiner Mutter telefoniert und hab mal gefragt, warum ich so denke über meine Kindheit. Und sie meinte: Drill und Hirnwäsche. Es wurde mir beigebracht von früher Kindheit an, dass ich nicht lügen soll, wenn mich Menschen etwas fragen. Ich immer lieb und brav im Kindergarten und Schule sein soll und alles schön mitmachen. Hirnwäsche vom Feinsten zu meinem und ihrem Schutz.
Dafür durfte ich bei ihr blieben, weil meine Mutter vor 36 Jahren geschworen hatte, mich zu einem republiktreuen Menschen zu erziehen und nie wieder einen Ausreiseantrag zu stellen.

Ist nett was einem mal so nebenbei noch erzählt wird. Vielleicht sollte ich wirklich mir mal meine Stasiakte zu Gemüte führen. :roll:
 
Ich versteh dich ja (bei dieser Familiengeschichte), aber das ist mehr oder weniger deine persönliche Situation geschuldet.

Den Unrechtsstaat haben wir aber nicht selbst verschuldet. Alleine schon die Tatsache, dass man dafür bestraft wird, wenn man dem Unrecht entfliehen will ist grotesk. Meinst Du wirklich, für uns war es einfach zu fliehen und zu wissen, dass wir unterwegs getötet werden können? Oder dass wir Jahrzehnte Opa, Oma, Onkels und Tanten nicht mehr sehen durften? Selbst verschuldet passt hier also nicht hin. Hätten wir uns denn weiter einsperren lassen sollen, wegen dem Getue zwischen den beiden Deutschlands?

Ist nett was einem mal so nebenbei noch erzählt wird. Vielleicht sollte ich wirklich mir mal meine Stasiakte zu Gemüte führen. :roll:

Dürfte interessante Lektüre sein. Am aktuellen Fall Kurras siehst Du ja, dass immer wieder etwas ausm Keller auftaucht, was man lieber für immer versteckt gesehen hätte - von welcher Seite auch immer.
 
Den Unrechtsstaat haben wir aber nicht selbst verschuldet. Alleine schon die Tatsache, dass man dafür bestraft wird, wenn man dem Unrecht entfliehen will ist grotesk. Meinst Du wirklich, für uns war es einfach zu fliehen und zu wissen, dass wir unterwegs getötet werden können? Oder dass wir Jahrzehnte Opa, Oma, Onkels und Tanten nicht mehr sehen durften? Selbst verschuldet passt hier also nicht hin. Hätten wir uns denn weiter einsperren lassen sollen, wegen dem Getue zwischen den beiden Deutschlands?
Ähm, du hast mich mißverstanden. Ich hab überhaupt nicht von selsbtverschuldet gesprochen, das wäre absurd. Ich sprach davon, daß deine durchweg negative Einschätzung der DDR deinen (bzw. deiner Familie) Erlebnissen geschuldet ist. Und wie schon geschrieben, kann ich das nachvollziehen. Nur entspricht/entsprach das nicht der "durchschnittlichen" Realität.
Deutschland war das größte "Opfer" (in Anführungszeichen, da durch WKII selbst verursacht) im Interessenspiel der beiden Weltmächte... Nur mal zur Klarstellung!
Von solch einem "Opfer" träumen vielen Länder.
 
Von solch einem "Opfer" träumen vielen Länder.

Naja, ich weiß nicht... Die Koreaner haben ja gerade noch das "Glück" eine Teilung mitzuerleben... Ob es ein Spaß ist in Furcht vor einem Krieg zu leben, in dem Landsleute dann aufeinander schießen müssten (im Falle Deutschland wäre es nichts anderes als ein Weltkrieg geworden), halte ich für zumindestest zweifelhaft...