Eintrag #255, 11.12.2009, 20:06 Uhr

Kanzler-Abrechnung (Teil 2)

Der alte Nero hat eine schlechte Presse bekommen, weil er in seiner Geldnot reichen Römern das Geld (und, um sie über den Verlust zu trösten, auch das Leben) abgenommen hatte. Und die Kirche benötigte für ihre einträgliche Opferrolle ebenfalls einen bösartigen Feind. Die Rolle des späten Nero fiel Helmut Schmidt zu. Er mußte den Saustall aufräumen, den ihm sein Vorgänger hinterlassen hatte, und er mußte erste Sparmaßnahmen ergreifen. Schmidt praktizierte den "Mir nach!"-Führungsstil, mit dem großen Nachteil, daß ihm der Peitschenschwinger fehlte, der die Gefolgsleute auch wirklich in diese Richtung vorantreibt. Schmidt war den Geführten meistens soweit voraus, daß diese sich orientierungslos verlaufen hatten.

Nach Schmidt kam das genaue Gegenteil, der großartige CDU-Vorsitzende Helmut Kohl, ausgestattet mit allen Tugenden eines Parteifunktionärs, der versehentlich zum Bundeskanzler befördert wurde. Kohl hatte seine Gefolgsleute bestens unter Kontrolle, als Bundeskanzler war er eine Fehlbesetzung. Heute wird er von der Systempresse als "Kanzler der Einheit" beweihräuchert, doch von dieser Einheit hat er selbst Ende 1989, nach dem Fall der Mauer, nichts wissen wollen. Seinen Ruf als angeblicher Staatsmann verdankt er einer Entwicklung, die nicht zu verhindern gewesen wäre, schon gar nicht durch einen Helmut Kohl. Das Parade-Wort der bleiernen Kohl-Jahre war "Reformstau". Angetreten war der Mann 1982 mit dem Anspruch der geistig-moralischen Wende, bei der die zerrütteten Staatsfinanzen in Ordnung gebracht werden und bisherige Fehlentwicklungen korrigiert werden sollten. Selbst in den Jahren vor 1989, ohne die Lasten der Wiedervereinigung, wurden unter Kohl ständig neue Schulden aufgehäuft. Nach 1990 liefen ihm die Finanzen erst recht aus dem Ruder.

Helmut Kohl hatte seine Partei bis in die Ortsverbände hinein unter Kontrolle, als gewiefter Parteifunktionär hat er jegliche innerparteiliche Opposition gnadenlos abserviert. Er ist damit das zweite Beispiel für das Peter-Prinzip, nach dem eine Person durch Fähigkeiten zu dem Posten als Bundeskanzler gekommen ist, die nicht im geringsten dazu ausreichten, dieses Amt auszufüllen. Der Parteifunktionär muß sich der Loyalität seiner Untergebenen sicher sein, ansonsten läßt er ihnen freie Hand. Das gemeinsame Ziel, möglichst viele Dienstwagen zu bekommen, gibt die Richtung vor. Für einen Kanzler reicht das aber nicht. Als Horst Köhler, Staatssekretär im Finanzministerium unter Helmut Kohl, die DDR-Wirtschaft zu Gunsten westdeutscher Banken ruiniert hat, wurde der Fehler offenkundig: Die Banken hatten eben nicht das gemeinsame Ziel der blühenden Landschaften in der ehemaligen DDR, sondern das höchst eigensinnige Ziel der Maximierung der eigenen Gewinne. Unter Kohl gab es keine klaren Linien, keine eindeutige Führung, sondern ein Durchwursteln der einzelnen Ministerien, wobei gerade soviel getan wurde wie unbedingt nötig.

Ich möchte an diesem Punkt darauf hinweisen, daß Kohl der Lehrmeister der jetzigen Kanzlerin Merkel gewesen war! Am Ende der bleiernen Kohl-Ära war die Union so verbraucht, daß es gerade noch zum Wahlkampfmotto "Keep Kohl" gelangt hatte, ohne dem Volk auch nur anzudeuten, warum es das tun sollte. 2009 war der markanteste Wahlkampfspruch der CDU übrigens "Äintschie, Äintschie, Äintschie!"

Nach Kohl litten wir unter Gerhard Schröder, wobei dies den Kern nicht trifft, denn zum ersten Mal gab es einen richtigen Nebenkanzler, die Mischung aus Snob und Prolet "Joschka" Fischer. Nicht, daß Fischer etwas zur Regierung beigetragen hätte, er hat nur einen Teil der Bühne für sich beansprucht und damit das Ansehen des eigentlichen Kanzlers herabgesetzt. Schröder wollte nicht alles anders, aber alles besser machen. Also trat er als Brioni- und Cohiba-Kanzler auf, genau wie sein "Joschka", der Mann ohne Bildungsabschluß in teueren Anzügen. Beide freuten sich, es doch noch zu etwas gebracht zu haben, und haben dabei versäumt, es wirklich zu etwas zu bringen. Die Regierungszeit Schröder ähnelte der Aktienblase: Am Anfang schien alles ganz neu zu werden, dann gab es einen Knall und alles lag am Boden. Schröder war der Gegenentwurf zu Kiesinger: Er hat die Startpistole abgefeuert und alle haben sich in die Kantine verzogen, statt sich auf der Rennbahn abzumühen. Schröder hat es nicht geschafft, auch nur einen einzigen fähigen Minister anzuheuern. Er selbst hat schließlich doch noch die Kurve gekriegt und versucht, ein wenig zu führen. Damit wurde er zum Basta-Kanzler, dessen einziges wirkliches Macht- und Zuchtmittel darin bestand, den eigenen Rücktritt anzudrohen. Am Ende hatte er ein paar Dinge anders aber gar nichts besser gemacht als der bleierne Kanzler Kohl.
 
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