Was hat so ein Bundeskanzler eigentlich zu tun? Laut dem Verfassungsersatz bestimmt er die Richtlinien der Politik, was vermutlich heißen soll, daß der Bundeskanzler vorangeht und führt, während der Rest der Regierung und das Land folgen. Das heißt nicht, daß der Bundeskanzler ein Geistesriese sein muß, der grundsätzlich alles weiß, es bedeutet, daß der Kanzler eine klare Vorstellung hat, in welche Richtung es gehen soll. Und wenn er ungern vorangeht, kann er auch von hinten treiben, mit kräftigen Tritten in allzu träge Sitzflächen.
Wie sieht es in dieser Beziehung mit unseren Kanzlern aus? Bei Konrad Adenauer kann ich diese Frage eindeutig bejahen. Der Alte von Rhöndorf war seinen Ministern in der Regel einen Schritt voraus und hat durchgesetzt, was ihm richtig erschien. Dabei ist unerheblich, wie viel von seinen Entscheidungen tatsächlich seine eigenen waren und viel er von den Besatzungsmächten vorgegeben bekommen hat. Der Kanzler hat alle seine Minister überstrahlt.
Sein Nachfolger, Ludwig Erhard, ließ es gemütlicher angehen. Er zehrte von seinem Ruf als "Vater des Wirtschaftswunders" und ist letztlich ein Beispiel für das Peter-Prinzip. Als die FDP es satt hatte, von Adenauer geführt zu werden, hoben sie einen Nachfolger auf den Schild, der bisher sehr kompetent gewesen war, der neuen Position allerdings nicht gerecht wurde. (Der Beitrag von Finanzminister Fritz Schäfer zum Wirtschaftswunder wird leider immer unterschlagen. Ohne seine strenge Handhabung der Staatsfinanzen wäre der Erfolg von Erhard nicht möglich gewesen. Es geht in diesem Artikel allerdings nicht über das Wirtschaftswunder, sondern über die Bundeskanzler.) Erhard war ein typischer Auftragsempfänger. Wenn ihm jemand gesagt hatte, was er erreichen sollte, und ihm hin und wieder ein motivierender Tritt versetzt wurde, lief er zur Höchstform auf. Als Bundeskanzler hätte er selbst Aufträge vergeben und sich ohne helfende Tritte motivieren müssen, das hat er nicht geschafft. Die erste Rezession der Nachkriegszeit allein hätte nicht ausgereicht. Nach einem Zuviel an Führung störte die FDP jetzt ein Zuwenig.
Über Kurt-Georg Kiesinger kann ich wenig sagen. Von den Ergebnissen her hatte er die beste und reformfreudigste Regierung, nur läßt sich nicht entscheiden, wie hoch sein Anteil daran gewesen war. Um diese Regierung bildhaft zu beschreiben, müssen wir auf den Sportplatz. Da steht ein Mann auf der Rennbahn und gibt den Startschuß, dann rast eine Stampede aus Menschenleibern los und niemand kann beurteilen, ob der Mann mit der Startpistole selbst rennt oder einfach nur von der Woge davongeschwemmt wird. Union und SPD haben ihre besten Leute ins Rennen geschickt, jede Partei wollte zeigen, daß sie es nicht nur konnte, sondern auch noch besser konnte als die Konkurrenz. Ich halte Kiesinger deshalb für den am meisten unterschätzten Kanzler der Nachkriegszeit.
Hat Herbert Frahm (Künstlername "Willy Brandt") nun geführt oder war er ein Getriebener seiner Partei? Ist er führend vorangegangen oder nur vor den ständigen Fußtritten Herbert Wehners geflohen? Eines muß man ihm jedoch lassen: Nie zuvor und nie mehr danach war Politik in der BRD derart faszinierend wie in den fünf Jahren "Willy Brandt". Da sollte mehr Demokratie gewagt werden, da trat man mit dem Osten endlich in den Dialog, da wurde alles angegangen, was bislang noch als alt und rückständig gegolten hatte. "Reform" war das faszinierende Wort dieser Zeit, jede Reform brachte gefühlte Verbesserungen und wurde freudig begrüßt. Nie zuvor und nie mehr danach wurde so unbekümmert Geld ausgegeben. Es war die Zeit des schillernden Künstlers Nero, nach dem drögen und grundsoliden Claudius. Hier wurde die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft getestet, so, als hätte man im Lager eine zweite liegen, falls es die erste nicht aushalten sollte.
Wie sieht es in dieser Beziehung mit unseren Kanzlern aus? Bei Konrad Adenauer kann ich diese Frage eindeutig bejahen. Der Alte von Rhöndorf war seinen Ministern in der Regel einen Schritt voraus und hat durchgesetzt, was ihm richtig erschien. Dabei ist unerheblich, wie viel von seinen Entscheidungen tatsächlich seine eigenen waren und viel er von den Besatzungsmächten vorgegeben bekommen hat. Der Kanzler hat alle seine Minister überstrahlt.
Sein Nachfolger, Ludwig Erhard, ließ es gemütlicher angehen. Er zehrte von seinem Ruf als "Vater des Wirtschaftswunders" und ist letztlich ein Beispiel für das Peter-Prinzip. Als die FDP es satt hatte, von Adenauer geführt zu werden, hoben sie einen Nachfolger auf den Schild, der bisher sehr kompetent gewesen war, der neuen Position allerdings nicht gerecht wurde. (Der Beitrag von Finanzminister Fritz Schäfer zum Wirtschaftswunder wird leider immer unterschlagen. Ohne seine strenge Handhabung der Staatsfinanzen wäre der Erfolg von Erhard nicht möglich gewesen. Es geht in diesem Artikel allerdings nicht über das Wirtschaftswunder, sondern über die Bundeskanzler.) Erhard war ein typischer Auftragsempfänger. Wenn ihm jemand gesagt hatte, was er erreichen sollte, und ihm hin und wieder ein motivierender Tritt versetzt wurde, lief er zur Höchstform auf. Als Bundeskanzler hätte er selbst Aufträge vergeben und sich ohne helfende Tritte motivieren müssen, das hat er nicht geschafft. Die erste Rezession der Nachkriegszeit allein hätte nicht ausgereicht. Nach einem Zuviel an Führung störte die FDP jetzt ein Zuwenig.
Über Kurt-Georg Kiesinger kann ich wenig sagen. Von den Ergebnissen her hatte er die beste und reformfreudigste Regierung, nur läßt sich nicht entscheiden, wie hoch sein Anteil daran gewesen war. Um diese Regierung bildhaft zu beschreiben, müssen wir auf den Sportplatz. Da steht ein Mann auf der Rennbahn und gibt den Startschuß, dann rast eine Stampede aus Menschenleibern los und niemand kann beurteilen, ob der Mann mit der Startpistole selbst rennt oder einfach nur von der Woge davongeschwemmt wird. Union und SPD haben ihre besten Leute ins Rennen geschickt, jede Partei wollte zeigen, daß sie es nicht nur konnte, sondern auch noch besser konnte als die Konkurrenz. Ich halte Kiesinger deshalb für den am meisten unterschätzten Kanzler der Nachkriegszeit.
Hat Herbert Frahm (Künstlername "Willy Brandt") nun geführt oder war er ein Getriebener seiner Partei? Ist er führend vorangegangen oder nur vor den ständigen Fußtritten Herbert Wehners geflohen? Eines muß man ihm jedoch lassen: Nie zuvor und nie mehr danach war Politik in der BRD derart faszinierend wie in den fünf Jahren "Willy Brandt". Da sollte mehr Demokratie gewagt werden, da trat man mit dem Osten endlich in den Dialog, da wurde alles angegangen, was bislang noch als alt und rückständig gegolten hatte. "Reform" war das faszinierende Wort dieser Zeit, jede Reform brachte gefühlte Verbesserungen und wurde freudig begrüßt. Nie zuvor und nie mehr danach wurde so unbekümmert Geld ausgegeben. Es war die Zeit des schillernden Künstlers Nero, nach dem drögen und grundsoliden Claudius. Hier wurde die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft getestet, so, als hätte man im Lager eine zweite liegen, falls es die erste nicht aushalten sollte.