Eintrag #307, 08.09.2010, 18:58 Uhr

Dumm-Quatsch-Tribunale (Teil 2)

Ich gebe zu, daß ich mir diesen Tiefpunkt der qualitätsfreien Medien nur ausschnittsweise im Internet angesehen habe, um eine Dumm-Quatsch-Sendung im Fernsehen anzusehen, müßte ich mich in die Nähe einer Alkoholvergiftung trinken. Immerhin, das Fernsehen ist ehrlich: Es warnt die Zuschauer vor, indem die Sendung in der Regel nach dem Oberquatscher benannt wird, ob männlich oder weiblich. Gegenüber dem, was sich heute tummelt, waren Schreinemakers, Fliege und Meisner zu ihrer Zeit geradezu investigative und der Wahrheit verpflichtete neutrale Reporter. Kerner, Beckmann, Will, Ilgner… jeder von denen empfindet sich als Westentaschen-Friedman, in der Hoffnung, für wenig Leistung und etwas Frechheit viel Geld zu bekommen.

Wobei Friedman natürlich nur ein Vorbild ist, wenn man seinen Mitmenschen lästig fallen möchte. Ein Mann, der weder seine Triebe beherrschen, noch ohne weißes Pulver kreativ sein konnte, ist wahrhaftig kein Vorbild. Das beruht nicht auf Antisemitismus, sondern auf persönlichen Charakterschwächen. Und wenn sich andere Moderatoren an diesem schlechten Benehmen orientieren, dann sind diese “Shows” nicht verjudet, sondern “verfriedmant”.

Wie zieht man ein Dumm-Quatsch-Tribunal auf? Das Paradebeispiel ist ausnahmsweise keine der “Namens-Shows”, sondern das ach so seriöse “Hart aber völlig unfair”, das vom WDR ins Erste übernommen wurde. Die Grundregeln entstammen dem Schauprozeß, ob vor einem französischen Revolutionsgericht, einem sowjetischen Verfahren unter Stalin oder vor Freislers Volksgerichtshof. Bis auf das obligatorische Todesurteil und dem zivilisierten Umgangston wird das gleiche Schema eingehalten.

Als erstes gibt der Moderator oder eine Stimme aus der Regie eine Einführung – eben das Verlesen der Anklageschrift. Darf dann der Beschuldigte reden? Vielleicht, aber noch besser sind die honorigen Zeugen der Anklage, also die Gegner des Delinquenten. Die dürfen ihre ganzen Argumente vorbringen, vielleicht noch unterstützt von kleinen Videobeweisen. Im Publikum sitzen die Claqueure, die applaudieren, als würden sie es bezahlt bekommen. Schließlich darf der Angeklagte etwas sagen, aber bitte nicht auf die Zeugen antworten, sondern auf eine Frage des Gerichtspräsidenten, also des Moderators. Geht der Angeklagte darauf ein, bleiben alle Vorwürfe unwidersprochen, geht er nicht darauf ein, wirkt er wie ein Rechthaber. Vielleicht klatscht das Publikum, aber diesmal so, als würde es das nicht bezahlt bekommen.

Moderatoren, die eine bessere Kinderstube als Michel Friedman genossen haben, lassen die Betroffenen immerhin ausreden. Wobei mit Mit-Plauderer oder gar Rufer aus dem Publikum hin und wieder weniger gut erzogen sind.

Natürlich sind Tribunale immer ausgewogen, also ein Angeklagter und ein Rudel Hyänen auf der Gegenseite. Beliebt sind Konstellationen wie ein Prof. Dr. Chefarzt, ein Prof. Dr. Ärztefunktionär, ein Dr. Gesundheitsminister (Prof. erst nach Ausscheiden aus der Politik), ein Prof. Dr. Krankenkassenvertreter und eine junge, unerfahrene Krankenschwester. Um was es bei diesem Gespräch geht? Na, um die Arbeitsbelastung des Pflegepersonals! Ist doch offensichtlich!

Ganz so verblödet, wie sie gerne hingestellt werden, sind die Fernsehzuschauer übrigens gar nicht. Selbst Freislers Volksgerichtshof wurde von der Mehrzahl der Deutschen abgelehnt, auch wenn ein Prof. Dr. Guido Knopp eine von der Wahrheit abweichende Ansicht vertritt. Die Mehrzahl der Zuschauer sympathisiert trotzdem mit der Krankenschwester, mit dem Hartz-IV-Empfänger oder eben Thilo Sarrazin, trotz des Massenauftriebs von Professoren und Prominenten.

Aber das ist nicht nötig, weil immer etwas hängen bleibt. Und es gibt immer Sympathien von der falschen Seite, die dank solcher Tribunale erweckt werden. Eva Herman ist bestimmt keine Symbolfigur der Neonazis, mit denen hatte diese Dame nie etwas zu tun. Aber wenn Kerner sie in die rechte Ecke stellt, weil sie behauptet, Hitler hätte die Autobahnen bauen lassen, dann… Na ja, aber wer ist schon Johannes B. Kerner? Hitler HAT die Autobahnen bauen lassen, soweit ich weiß, sogar nach dem Evangelium von Guido Knopp.

Aber wenn der große Genosse Stalin die Verurteilung befohlen hat, dann sind in der Hitler-Zeit errichtete Autobahnen abgrundtief böse und nach 1945 gebaute eindeutig demokratisch, völlig anders und deshalb gut.
 
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