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Weniger Demokratie wagen!
Von Harald Neubauer
Am 6. September debattierte der Bundestag über den Haushalt 2007. Dabei richtete der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck an seinen früheren Parteichef Oskar Lafontaine zwei Sätze, die von den Medien unterschlagen wurden: "Das Entscheidende, Herr Lafontaine, ist doch nicht die Frage, ob die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland nutzt. Das Entscheidende ist die Frage, ob die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung der Welt nutzt."
Für diese Aufklärung darf man danken. Selten hat sich ein führender Berliner Politiker so ungeniert vom Vorrang des Nationalen verabschiedet. Und gleichzeitig einen Größenwahn offenbart, den man hierzulande eigentlich für überwunden hielt: Weltbeglückung als neudeutsche Priorität. Ausgerechnet diejenigen, die zu Hause an jedem größeren Problem scheitern, dienen sich der Menschheit als Krisenmanager an. Germans to the front! Gammelfleisch für alle! Mag der Amtseid die Bundesminister auch verpflichten, "den Nutzen des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm zu wenden" - was soll's? Wo reihenweise die Wahlversprechen gebrochen werden, ist auch der Meineid eine läßliche Sünde.
Allerdings darf man sich dann über die Rache der Betrogenen nicht wundern. Wie jetzt in Mecklenburg-Vorpommern. Das dortige NPD-Ergebnis (7,3 Prozent) hat den Blockparteien die Laune gründlich verdorben. Nun schreien sie Zeter und Mordio, beschimpfen die Wähler und sinnieren, wie sich ähnliche Überraschungen künftig vermeiden lassen. Gegenfrage: Warum nicht einfach mal eine bessere Politik probieren? Doch die Idee ist zu naheliegend, als daß sie im Blickfeld von Leuten auftauchen könnte, die sich längst fernab heimatlicher Provinzialität mit den Leiden des Universums herumschlagen.
Am liebsten würde man die NPD verbieten - und mit ihr sämtliche Parteien und Gruppierungen, die sich zu unerwünschten Kandidaturen erdreisten. Aber davor steht das Bundesverfassungsgericht mit seiner "lebensfernen" und "brandgefährlichen" Rechtsprechung, wie es jetzt SPD-Innenexperte Sebastian Edathy apostrophierte. Ein neues NPD-Verbotsverfahren ist aus Sicht des Genossen "frühestens im Jahr 2010 sinnvoll". Dann ende die Amtszeit der drei Richter, "die damals dafür gesorgt haben, daß das Verfahren nicht zum Abschluß gebracht werden konnte". Im Klartext: Richter, die nicht nach der Pfeife des Machtkartells tanzen, werden durch willfährige Kollegen ersetzt.
Da ist es dann besonders glaubwürdig, wenn die Machthaber und ihre Journaille wieder einmal so tun, als müsse die Demokratie vor den bösen "Nazis" gerettet werden. Nur: Rechte Abgeordnete in bundesdeutschen Parlamenten wollen weder andere Parteien verbieten lassen noch gar die richterliche Unabhängigkeit personalpolitisch aushebeln. Sie beachten das demokratische Procedere und werden deshalb als "Wölfe im Schafspelz" bezeichnet. Also hechelt die antifaschistische Jagdgesellschaft allem hinterher, was nach Schaf aussieht, während sich Isegrimm genüßlich in Großmutters Bett räkelt.
Siehe SED/PDS/Linkspartei: Ihre Funktionäre wurden am Wahlabend nicht nach Stalin befragt, auch nicht nach Mauermord und Schießbefehl. Hochintelligent kam sich dagegen ein TV-Moderator vor, der vom NPD-Spitzenkandidaten Udo Pastörs nur eines wissen wollte: wie dieser zu Adolf Hitler steht. Glaubt man allen Ernstes, daß die Wähler des Jahres 2006 nichts anderes umtreibt? Dabei hatte ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender noch am Tag vor der Wahl in einem Interview des Berliner "Tagesspiegels" erklärt: "Das Training von Reportern, Moderatoren und Redakteuren wird uns in die Lage versetzen, mit den Vertretern der Rechtsextremen sachkundig und situationsgemäß umzugehen." In gleich mehreren "Workshops" habe man sich "auf alle Varianten der möglichen Diskussion eingestellt".
Wie bitte? Unsere journalistische Elite bedarf eines geistigen Sondertrainings, um den angeblich so einfältigen Rechten wenigstens zehn oder zwanzig TV-Sekunden standzuhalten? Immerhin: Zum Aussprechen des Wortes "Hitler" hat es gerade noch gereicht. Herzlichen Glückwunsch!
Solche Härtetests würde sich SPD-Generalsekretär Hubertus Heil gern ersparen. Sein Wunschtraum: "Rechtsradikale Verbrecher gehören nicht ins Parlament, die gehören vors Gericht." Am besten vors Standgericht. Heil! Einstweilen aber könnte man das Wahlrecht auf Nettosteuerzahler beschränken. So fordert es das "Libertäre Institut" angesichts der Tatsache, daß 18 Prozent der Arbeitslosen in Mecklenburg-Vorpommern NPD gewählt haben. Beherzt ruft uns Institutsleiter André F. Lichtschlag zu: "Weniger Demokratie wagen!" Warum überhaupt eine?
Weniger Demokratie wagen!
Von Harald Neubauer
Am 6. September debattierte der Bundestag über den Haushalt 2007. Dabei richtete der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck an seinen früheren Parteichef Oskar Lafontaine zwei Sätze, die von den Medien unterschlagen wurden: "Das Entscheidende, Herr Lafontaine, ist doch nicht die Frage, ob die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland nutzt. Das Entscheidende ist die Frage, ob die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung der Welt nutzt."
Für diese Aufklärung darf man danken. Selten hat sich ein führender Berliner Politiker so ungeniert vom Vorrang des Nationalen verabschiedet. Und gleichzeitig einen Größenwahn offenbart, den man hierzulande eigentlich für überwunden hielt: Weltbeglückung als neudeutsche Priorität. Ausgerechnet diejenigen, die zu Hause an jedem größeren Problem scheitern, dienen sich der Menschheit als Krisenmanager an. Germans to the front! Gammelfleisch für alle! Mag der Amtseid die Bundesminister auch verpflichten, "den Nutzen des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm zu wenden" - was soll's? Wo reihenweise die Wahlversprechen gebrochen werden, ist auch der Meineid eine läßliche Sünde.
Allerdings darf man sich dann über die Rache der Betrogenen nicht wundern. Wie jetzt in Mecklenburg-Vorpommern. Das dortige NPD-Ergebnis (7,3 Prozent) hat den Blockparteien die Laune gründlich verdorben. Nun schreien sie Zeter und Mordio, beschimpfen die Wähler und sinnieren, wie sich ähnliche Überraschungen künftig vermeiden lassen. Gegenfrage: Warum nicht einfach mal eine bessere Politik probieren? Doch die Idee ist zu naheliegend, als daß sie im Blickfeld von Leuten auftauchen könnte, die sich längst fernab heimatlicher Provinzialität mit den Leiden des Universums herumschlagen.
Am liebsten würde man die NPD verbieten - und mit ihr sämtliche Parteien und Gruppierungen, die sich zu unerwünschten Kandidaturen erdreisten. Aber davor steht das Bundesverfassungsgericht mit seiner "lebensfernen" und "brandgefährlichen" Rechtsprechung, wie es jetzt SPD-Innenexperte Sebastian Edathy apostrophierte. Ein neues NPD-Verbotsverfahren ist aus Sicht des Genossen "frühestens im Jahr 2010 sinnvoll". Dann ende die Amtszeit der drei Richter, "die damals dafür gesorgt haben, daß das Verfahren nicht zum Abschluß gebracht werden konnte". Im Klartext: Richter, die nicht nach der Pfeife des Machtkartells tanzen, werden durch willfährige Kollegen ersetzt.
Da ist es dann besonders glaubwürdig, wenn die Machthaber und ihre Journaille wieder einmal so tun, als müsse die Demokratie vor den bösen "Nazis" gerettet werden. Nur: Rechte Abgeordnete in bundesdeutschen Parlamenten wollen weder andere Parteien verbieten lassen noch gar die richterliche Unabhängigkeit personalpolitisch aushebeln. Sie beachten das demokratische Procedere und werden deshalb als "Wölfe im Schafspelz" bezeichnet. Also hechelt die antifaschistische Jagdgesellschaft allem hinterher, was nach Schaf aussieht, während sich Isegrimm genüßlich in Großmutters Bett räkelt.
Siehe SED/PDS/Linkspartei: Ihre Funktionäre wurden am Wahlabend nicht nach Stalin befragt, auch nicht nach Mauermord und Schießbefehl. Hochintelligent kam sich dagegen ein TV-Moderator vor, der vom NPD-Spitzenkandidaten Udo Pastörs nur eines wissen wollte: wie dieser zu Adolf Hitler steht. Glaubt man allen Ernstes, daß die Wähler des Jahres 2006 nichts anderes umtreibt? Dabei hatte ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender noch am Tag vor der Wahl in einem Interview des Berliner "Tagesspiegels" erklärt: "Das Training von Reportern, Moderatoren und Redakteuren wird uns in die Lage versetzen, mit den Vertretern der Rechtsextremen sachkundig und situationsgemäß umzugehen." In gleich mehreren "Workshops" habe man sich "auf alle Varianten der möglichen Diskussion eingestellt".
Wie bitte? Unsere journalistische Elite bedarf eines geistigen Sondertrainings, um den angeblich so einfältigen Rechten wenigstens zehn oder zwanzig TV-Sekunden standzuhalten? Immerhin: Zum Aussprechen des Wortes "Hitler" hat es gerade noch gereicht. Herzlichen Glückwunsch!
Solche Härtetests würde sich SPD-Generalsekretär Hubertus Heil gern ersparen. Sein Wunschtraum: "Rechtsradikale Verbrecher gehören nicht ins Parlament, die gehören vors Gericht." Am besten vors Standgericht. Heil! Einstweilen aber könnte man das Wahlrecht auf Nettosteuerzahler beschränken. So fordert es das "Libertäre Institut" angesichts der Tatsache, daß 18 Prozent der Arbeitslosen in Mecklenburg-Vorpommern NPD gewählt haben. Beherzt ruft uns Institutsleiter André F. Lichtschlag zu: "Weniger Demokratie wagen!" Warum überhaupt eine?