Ich gebe zu, mich stört es ungemein, dass Männer in der Ukraine nicht ihr Land verlassen können. Hier ein imho guter Kommentar aus der Zeit:
Der ukrainische Staat zwingt seine Männer zum Ausharren und Kämpfen.
Die Empörung darüber bleibt aus.
Ist nur ein kämpfender Mann ein guter Mann? Wie unmenschlich.
Ein Kommentar von Juliane Frisse/Zeit - 4. MÄRZ 2022
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat aufgrund des russischen Angriffs eine allgemeine Mobilmachung angeordnet. Das bedeutet: Männliche Staatsbürger im Alter von 18 bis 60 Jahren dürfen seit dem 24. Februar das Land nicht verlassen. Dieses Verbot ist nicht theoretischer Natur, es wird durchgesetzt. Der ukrainische Grenzschutz hat am Mittwoch mitgeteilt, mehr als 60 ukrainische Männer an der Grenze zur Republik Moldau festgenommen zu haben: Die Männer im wehrfähigen Alter hätten versucht, über den Fluss Dnister das Land zu verlassen und seien sofort an das Wehrkreisersatzamt übergeben worden. Schon am Dienstag seien 16 Männer festgenommen und der Armee überstellt worden. Es ist schwer, diese Angaben unabhängig zu überprüfen, aber auch Journalisten vor Ort berichten, dass Männer, die versuchen, über die Grenze zu kommen, zurückgewiesen werden.
Es ist Krieg und Menschen werden daran gehindert, vor ihm zu fliehen. Dabei gibt es keine gute Begründung, warum man speziell Männer dazu zwingt, sich der Gefahr der russischen Invasion auszusetzen, und hofft, dass sie ihr Land verteidigen: Klar, Männer sind im Schnitt körperlich stärker als Frauen, aber dieser Unterschied ist beim Wrestling oder beim Tragen von Umzugskartons relevant. Während eines Bombenangriffs oder wenn ein Panzer heranrollt, ist er komplett bedeutungslos.
Trotzdem sorgen Meldungen wie die von den an der Flucht gehinderten Männern bisher für wenig Empörung. Zum Teil vielleicht, weil wir uns längst daran gewöhnt haben, dass fliehende Menschen im Mittelmeer ertrinken oder an der EU-Außengrenze erfrieren. Was ist dagegen schon ein Ausreiseverbot? Doch es gibt noch einen anderen Grund: Diese Nicht-Empörung spiegelt ein männliches Ideal wider, das zwar längst veraltet, aber immer noch weitverbreitet ist. Männer müssen ausharren. Männer dürfen vor einem Krieg nicht davonlaufen, sondern müssen zur Waffe greifen und zur Not auch draufgehen.