Ostbeauftragte distanziert sich von Rechtsextremismus-Studie

Berlin (dpa) - Die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), hat sich offiziell von der Studie zum Rechtsextremismus in Ostdeutschland distanziert, die ihr eigenes Haus in Auftrag gegeben hatte.

Die Wirtschaftsstaatssekretärin wirft den Autoren des Instituts für Demokratieforschung an der Universität Göttingen mangelnde Sorgfalt und eine «nicht hinnehmbare Schlamperei» vor.

Die Studie habe «ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt, weil sie von jedermann als unsolide abqualifiziert» werden könne, heißt es in einem Schreiben Gleickes vom 26. Juli an die Autoren. Damit habe die Studie «jeden Wert für die dringend notwendige gesellschaftspolitische Debatte über die Ursachen des Rechtsextremismus in Ostdeutschland verloren». Sie könne diese nicht länger guten Gewissens verwenden oder weiterempfehlen.

Das Institut zeigte sich überrascht und wies den Vorwurf zurück. Zuvor hatte die «Sächsische Zeitung» aus dem Schreiben Gleickes zitiert.

Die Studie untersuchte die möglichen Ursachen von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland auf regionaler Ebene. Bereits kurz nach der Veröffentlichung im Mai war den Wissenschaftlern vorgeworfen worden, handwerklich unsauber gearbeitet zu haben. Schwerpunkte der Untersuchung waren Heidenau, Freital und Erfurt.

Gleicke hatte die Kritik damals noch zurückgewiesen. Nun schrieb die SPD-Politikerin, sie habe mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, dass das Institut dem Ministerium neue Studienfassungen übermittelt habe - «ohne nähere Erläuterungen und Hinweise darauf, was geändert wurde und warum diese Änderungen erfolgt» seien. «Hieraus kann ich nur die Konsequenz ziehen, mich hiermit in aller Form von der Studie zu distanzieren.» Geprüft werde eine mögliche Rückerstattung bisher ausgezahlter Mittel.

Ende Mai hatte Gleicke Zweifel an Inhalt und Methodik der Studie des Instituts zurückgewiesen, so etwa Vorwürfe, es seien Interviewpartner erfunden oder fingiert worden. Das Institut habe dargelegt, dass alle Interviewpassagen von tatsächlichen Akteuren vor Ort stammten, aber die Namen der Interviewten anonymisiert worden seien.

Anlass für die jetzige Distanzierung war nach Angaben aus dem Wirtschaftsministerium ein weiterer, neu entdeckter Fehler in der Studie, der eine Aussage eines Interviewpartners über eine dritte Person beinhaltet, «die nicht erweislich wahr ist». Daraufhin habe das Institut selbst das Bundeswirtschaftsministerium darum gebeten, die Langfassung der Studie nicht mehr zu veröffentlichen. Beides mache es unumgänglich, sich von der Studie zu distanzieren, hieß es. Zumal es übliche Praxis des Ministeriums sei, mit Studienergebnissen transparent umzugehen.

Das Institut wies den Vorwurf methodischer Fehler wegen Anonymisierung von Interviewpartnern als «unsinnig» zurück. Eine solche Anonymisierung sei in den Sozialwissenschaften aus guten Gründen Usus. «Wenn man sich mit wissenschaftlichen Studien auf ein solches Terrain wie den Rechtsextremismus begibt, wird bekanntermaßen hart gekeilt...», hieß es in einer Mitteilung. «Dass das Ministerium sich dabei überstürzt davonmacht - ohne mit uns zuvor darüber auch nur ein Wort geredet zu haben -, ist bedrückend. Offenkundig scheint ein solches Verhalten in Wahlkampfzeiten für opportun gehalten zu werden.»

Kriminalität / Rechtsextremismus / Bundesregierung / Wissenschaft / Deutschland
27.07.2017 · 16:52 Uhr
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