Keine weiteren Zusatzbeiträge für Kassenpatienten

Bonn/Berlin (dpa) - Die gesetzlich Versicherten werden im kommenden Jahr von weiteren Zusatzbeiträgen verschont. Mit ihrer Gesundheitsreform gelingt es der Koalition, das befürchtete Milliardendefizit zu stopfen. Im Bundestag führen die Pläne trotzdem zu einem heftigen Schlagabtausch.

Trotz neuer Rekordausgaben der gesetzlichen Krankenkassen müssen die Versicherten im kommenden Jahr keine weiteren Zusatzbeiträge fürchten. Beitragserhöhungen und Einsparungen durch die Gesundheitsreform reichen den Kassen voraussichtlich aus. In diesem Jahr müssen rund zwei Milliarden Euro über Zusatzbeiträge gedeckt werden. Diese Prognose gab der Schätzerkreis für die gesetzliche Krankenversicherung am Donnerstag nach zweitägigen Beratungen in Bonn ab. Im Bundestag lieferten sich Opposition und Regierung einen erbitterten Schlagabtausch über die Reform.

Einnahmen des Gesundheitsfonds von 181,1 Milliarden Euro stünden voraussichtlich Ausgaben der Kassen von 178,9 Milliarden Euro gegenüber, teilten die Schätzer der Regierung, des Bundesversicherungsamts und der Kassen in einer gemeinsamen Erklärung mit. Im Schnitt würden alle Kassen-Ausgaben mit den Zuweisungen aus dem Fonds gedeckt. Der geplante zusätzliche Steuerzuschuss von zwei Milliarden Euro könne voll zur Finanzierung des geplanten Sozialausgleichs für nach oben offene Zusatzbeiträge ab 2012 genutzt werden.

Im laufenden Jahr verschafft der Wirtschaftsboom dem Fonds um eine Milliarde höhere Einnahmen als erwartet, nämlich 173,5 Milliarden Euro. Dennoch müssen rund rund 2,1 Milliarden Euro über Zusatzbeiträge und Rücklagen gedeckt werden. Denn die Kassen geben 172,4 Milliarden aus, erhalten aus dem Fonds aber nur 170,3 Milliarden Euro. Der Rest fließt in eine Liquiditätsreserve. Derzeit erheben 16 Kassen Zusatzbeiträge, weil sie mit dem Geld aus dem Fonds nicht auskommen.

Die Chefin des Kassen-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, lobte als Verdienst der Reform, dass das erwartete Defizit von rund zehn Milliarden Euro ausbleibe. «Der große Wermutstropfen ist dabei, dass die Stabilität der Finanzen mit einer deutlichen Mehrbelastung der Beitragszahler durch einen erhöhten Krankenkassenbeitrag erkauft wird.» Rund 6,3 Milliarden Euro müssten Arbeitgeber und -nehmer durch die Erhöhung von 14,9 auf 15,5 Prozent mehr zahlen. «Damit entfällt der deutlich geringere Anteil auf echte Einsparungen.»

Statt einer Nullrunde gebe es deutlich mehr Einnahmen bei Ärzten und Kliniken, monierte Pfeiffer. Deutlichere Reformen und mehr Wettbewerb hätten das Beitragsplus verhindern können. Es gebe großen Veränderungsbedarf. Der Chef des Ersatzkassenverbands vdek, Thomas Ballast, sagte der Nachrichtenagentur dpa, durch Änderungsanträge der Koalition drohe sogar eine Abschwächung der Arznei-Sparpläne.

Im Bundestag überzogen sich Opposition und Koalition bei der ersten Beratung der Reform mit Vorwürfen. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) warf SPD und Grünen Ungerechtigkeit vor, weil sie ein Milliardendefizit hinterlassen hätten. «Wir müssten jedes fünfte oder sechste Krankenhaus schließen», sagte Rösler. Die Regierung stopfe nun aber das Milliardenloch 2011. Politiker der Opposition wiesen die Vorwürfe zurück.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte vor einer «Störung des sozialen Friedens» wegen des Plans, alle künftigen Milliardensteigerungen über Zusatzbeiträge zu begleichen. SPD- Fraktionsvize Elke Ferner warf Rösler vor, die Abrissbirne ans Solidarsystem anzusetzen: «Wir werden 2013 diesen Murks - alles - wieder rückgängig machen.»

Rösler räumte ein, das damit verbundene Einfrieren der Arbeitgeberbeiträge sei keine angenehme Antwort auf die Herausforderungen. Doch nur so könne der Teufelskreis durchbrochen werden, dass mehr Gesundheitsschutz weniger Beschäftigung bedeute. Grüne und Linke kritisierten dies als unsozial.

Rösler entgegnete: «Selbstverständlich wird es einen Sozialausgleich aus Steuermitteln geben - damit wird die Solidarität auf breitere Basis gestellt.» Der neue Ausgleich solle automatisch laufen. Die SPD zog eine verheerende Bilanz: «Bürokratie, ungerechte Belastung und keine Strukturreform», sagte Lauterbach. 85 Prozent der Menschen lehnten die Pläne zurecht ab.

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Gesundheit / Reformen / Krankenkassen / Bundestag
30.09.2010 · 18:16 Uhr
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