Blackguards 2 – Rundenstrategie mit Retrocharme
Bei dem Genre der Rundenstrategiespiele handelt es sich um ein kleines, aber feines Nischenprodukt, welches durchaus seine treuen Fans besitzt, jedoch von der Heroes-Reihe einmal abgesehen, seltenst die Beachtung findet, die sie vielleicht verdient hätte. Als etwas altbacken geltend, nahmen die wirklich brauchbaren Vertreter dieser Zunft im letzten Jahrzehnt so merklich ab und das Grab war quasi bereits ausgehoben.
Den Ausspruch, Totgesagte leben länger, muss wohl das Entwicklerstudio Daedalic Entertainment erfunden haben, denn die Hamburger sind nicht zuletzt nach der Reanimation des vor sich hinsiechenden Adventuregenres bekannt dafür, mit Qualität neue Lebenskraft zu spenden.
So war es also kaum verwunderlich, dass ziemlich bald nach dem Überraschungserfolg von Blackguards direkt ein Nachfolger angekündigt wurde und der deutsche Entwickler so auch wieder neuen Wind in das verstaubte Rundenstrategie-Genre brachte.
Wie ein Phönix aus der Asche
Die Geschichte von Blackguards 2 schließt drei Jahre an das Ende des ersten Teils an und folgt dem Rachefeldzug der bereits aus dem ersten Teil bekannten Cassia. Dem Thron beraubt und im tiefsten Verlies verscharrt beginnt diese ihre Rückkehr auf den Thron zu planen, der ihr von ihrem einstigen Ehemann geraubt wurde. Während dieser eine riesige Armee um sich ringt, kämpft Cassia mit Spinneneiern im Gehirn, die ihren Verstand langsam zersetzen und ihren Verstand auf einen schmalen Grad zwischen Rachegelüsten und Wahnsinn schicken.
Dies beschreibt zugleich die Einführung zu Blackguards 2. Hier werden dem Spieler erste Spielmechaniken nahe gebracht, neue Charaktere vorgestellt (ein geldgieriger Zwerg, der Häuptling eines Urvolks und ein Zauberer) die sogleich überzeugt werden müssen für die eigene Sache zu kämpfen und ein erster Storyüberblick gegeben. Auch die aus dem ersten Teil bekannten Naurim, Takate und Zurbaran werden im späteren Spielverlauf ihr Chameo geben.
Immer wieder ein neues Erlebnis
Ist das Tutorial erledigt, findet sich der Spieler auf einer Übersichtskarte wieder, auf der das weitere Vorgehen geplant werden kann. So werden verschiedene Stützpunkte angezeigt, die es zu erobern gilt, ehe man seinem Traum vom Thron nur nahe kommt. Zur besseren Einschätzung was den Spieler erwartet, sind diese mit einem zu erwartenden Schwierigkeitsgrad, sowie weiteren Informationen, wie Boni oder Mali für bestimmte eingesetzte Einheitentypen versehen.
Dieses Eroberungssystem macht Blackguards 2 zudem deutlich variabler als den Vorgänger. War in Teil 1 der Weg quasi linear vorgegeben, macht es für den weiteren Storyverlauf durchaus einen Unterschied, welchen Checkpoint man zuerst einnimmt. Denn auch Marwan, der Oberbösewicht (oder sind wir das?) reagiert auf unsere Handlungen und versucht von uns bereits eroberte Teile des Landes wieder unter seine Herrschaft zu bringen. Ist ein Gebiet erst einmal wieder verloren, wird es umso schwieriger dieses zurück zu erobern, denn Marwan ist auf unser Kommen vorbereitet und hat dementsprechend die Verteidigung auf uns abgestimmt. Dieses System von Actio und Reactio erhöht den Wiederspielwert natürlich enorm.
Taktische Kämpfe mit Planungszeit
Was das Kampfsystem im einzelnen betrifft, bleibt alles grundsätzlich beim Alten. Wie bei Rundenstrategiespielen üblich, ist das Schlachtfeld in Hexagonfelder aufgeteilt, in denen zunächst an vorgegebenen Startbereichen die eigenen Charaktere taktisch bestmöglich platziert werden müssen. Der Kampfsquad besteht hierbei zumeist aus einer oder mehrerer der Heldenfiguren und Söldnern. Nun können die Figuren je nach Bewegungsrate über den Kampfplatz bewegt werden und mit den eigens gesetzten Shortcuts oder einem einfachen Ringmenü direkt die Fähigkeiten und Kampfmanöver seiner Figuren ausgeführt werden.
Leider ist hierbei die Balance zwischen physischen Kämpfern und der zaubernden Zunft etwas unausgegoren. Muss man selbst bei einfacheren Gegnern mit Nahkämpfern etliche Male auf diese einprügeln bis diese zu Boden gehen und steckt dabei selbst einiges an Schaden ein, reicht ein schnuckeliger Feuerball aus sicherer Entfernung, um ganze Gegnergruppen auszulöschen.
Der Abwechslung zuträglich ist auch die Tatsache, dass es in den Kämpfen nicht immer nur darum geht alles zu vernichten was nur so kreucht und fleucht, sondern manchmal auch andere Aufgaben erfüllt werden müssen. Flüchte dorthin, befreie den, öffne dies usw. Auch ist die Umgebung sehr detailiert und interaktiv gestaltet. Dies freut nicht nur das Rollenspielerauge, vielmehr verstecken sich hier und da Truhen, die den Reichtum mehren, geheime Schalter und Hebel die tödliches auf die Gegner, oder wenn man nicht aufpasst sich selbst niederregnen lassen. Es werden gar durch gewisse Aktionen Sidequests freigeschaltet, die dem Spieler durchaus das Gefühl geben, etwas besonderes erreicht zu haben. Auch belohnt jedes erfolgreich asolvierte Kampfgebiet den Spieler mit Geld, neuen Gegenständen sowie Erfahrung für die Helden.
Ein Highlight bietet zudem die Blutorgel, mit der, wenn gespielt, gewisse Monster unter die eigene Kontrolle gebracht werden können.
Stichwort Monster: Die Anzahl der unterschiedlichen Gegnermodelle wurde in Blackguards 2 ebenso enorm erhöht, was den Feind noch schauriger und vor allem viel unausrechenbarer macht.
Die KI Leistung ist in Ordnung, viele Bewegungsmuster des Feindes sind gescriptet und auch ansonsten machen die Unholde wenig absolut hirnverbranntes, wenn auch ab und an sich sinnfrei hin und her bewegende Soldaten das perfekte Spielgefühl trüben. Unfein, aber nicht wirklich tragisch.
Grundsätzlich gibt es an den Kämpfen in Blackguards 2 sowieso nur wenig zu meckern. Man merkt, es wurden die Fananregungen ernst genommen und ein schon wirklich guter erster Teil konsequent weiterentwickelt. Das Spiel ist knackig und fordernd, jedoch nie unfair. Außerdem, sind wir einmal ehrlich, es würde doch keinen Spaß machen nicht das ein oder andere Mal an einer Stelle zu verzweifeln um im Anschluss festzustellen, wie blöd und taktisch dilettantisch man sich eigentlich angestellt hat.
DSA wie wir es lieben
Für ein Spiel, welches sich an der Welt des deutschen Pen and Paper Klassikers Das Schwarze Auge orientiert, darf natürlich eine gehörige Portion Textrollenspiel nicht fehlen. Dieses findet hauptsächlich zwischen den Eroberungsfeldzügen im Heereslager statt. Dies erhöht zunächst die Spieltiefe, erfährt der Spieler hier doch das ein oder andere neue über die Vergangenheit und Intentionen der Protagonisten und bietet zudem einen weiteren Spielaspekt, durch die Interaktion mit in den Schlachten gefangen genommen Feinden. Bei richtiger Vorgehensweise können so manche Informationen entlockt werden, die einem beim nächsten Kampf eine bessere Ausgangsposition bieten.
Ebenso wird das komplette Charaktermanagement im Heereslager geregelt. So können auf einem zum Vorgänger übersichtlicheren, jedoch immer noch detailierten Fähigkeitenbaum die Helden nach eigener Vorstellung geformt und Söldner aufgewertet werden. Beschränkungen, welcher Held in welche Richtung entwickelt werden muss, wurden aufgehoben, was ein freieres Entfalten der eigenen Spielphilosophie ermöglicht. Zudem wurde auf Verwirrungen der Community reagiert und Fähigkeitenbeschreibungen klarer formuliert und die Kosten/Nutzen Rechnung vereinfacht.
Abgespeckt und dennoch besser
Gibt der Spieler also Punkte für den Schwertkampf aus, darf nun endlich davon ausgegangen werden, dass das Schwert anschließend wuchtiger durch die Leiber der Feinde schneidet. Das selbe gilt für die Auswahl von Sonderfähigkeit wie Finten oder dem heftigen Schlag, Zauber die mit Erfahrungspunkten aufgewertet werden, oder passiver Fähigkeiten die die Regeneration eines der Attribute erhöht, oder das automatisch ausgeführte Ausweichen verbessert. Alles immer noch umfangreich, aber vollkommen klar.
Einen zusätzlichen taktischen Aspekt bietet noch die Möglichkeit bei den Waffenskills die Gewichtung per Schieberegler zu verändern. D.h. möchte man seine Waffe eher aggressiv oder passiv führen und daurch entweder besser parrieren oder mehr Schaden verursachen.
Natürlich darf auch in Blackguards 2 ein Ausrüstungssystem nicht fehlen. So können im Heereslager und später auch in einer der Städte beim Händler für das in den Kämpfen erbeutete Geld Waren erstanden werden. Klassisch für Rollenspiele handelt es sich hierbei um Waffen, Rüstungen und Tränke, die im Charakterinventar angelegt werden können und die Attribute verbessern oder im Kampf Vorteile bzw. Heilung versprechen. Besonders sind die erwerbbaren Fallen, welche, wenn der zugehörige Skill gelernt wurde, vor jeder Schlacht auf der Karte platziert werden können. Je nach Stärke behindern diese den Gegner oder verursachen Schaden.
Retro mit Highlights
Ein gewisser Retrocharme lässt sich Blackguards 2 durchaus nicht absprechen. Natürlich wird die Gestaltung der einzelnen Levelabschnitte Grafiknazis nicht vom Hocker reissen, jedoch ist diese dem Spielgefühl allemahl zuträglich und erinnert doch an die aus den ebenfalls von Daedalic vertriebenen DSA Adventures bzw. den in den Rollenspielbüchern von Das Schwarze Auge anzufindenden Grafiken. Fans werden also nicht enttäuscht sein. Zudem ist trotz ähnlicher Aufgaben für Abwechslung gesorgt, denn es gleicht wohl kein Levelabschnitt dem Anderen. Mal kämpft man sich durch eine Sumpflandschaft, dann wieder durch eine herrschaftliche Burg, oder ein Fischerdorf, die vor Detailverliebtheit nur so strotzen. So muss das sein.
In die selbe Kerbe schlägt dann auch die Spielmusik, welche auf das jeweilige Terrain abgestimmt atmosphärisch das Geschehen untermalt. Kurzweilig schön, besinnt man sich wohl doch bald auf das wesentliche und stellt die Musik irgendwann ab, oder nimmt sie einfach nicht mehr wahr.
Wer Spielspaß über die neueste Grafik stellt und auch mit einem taktischen und vor allem nicht gerade actionreichen Gameplay zurecht kommt, sollte bei Blackguards 2 von Daedalic auf jeden Fall zuschlagen. Viel Spielspaß, für wenig Geld.