Erbrecht - Pflichtteil vs. Nachlassverbindlichkeiten

Steak

VfB-Fan
ID: 51362
L
25 April 2006
606
36
Mir stellt sich gerade die Frage ob -rein rechtlich- Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass anzurechnen sind für den Pflichtteil, also ob indirekt derjenige, der den Pflichtteil bekommt, diese Kosten tragen muss.

Im BGB finde ich unter §§1967,1968 und 2311 immer nur die Formulierungen, dass der ERBE diese Kosten zu tragen hat, im Internet finde ich widersprüchlich auch die Aussage, dass die Nachlassverbindlichkeiten wie Beerdigung oder andere Verbindlichkeiten auf den Nachlass anzurechnen sind.

Was ist nun korrekt?
Und wo finde ich das im BGB?
 
@Marty: Jein. Im alltäglichen Sprachgebrauch werden (das) Erbe und Pflichtteil kaum unterschieden, der juristische Fummelkram dazu füllt aber ganze Regalmeter an (Gerichts-) Akten.

Der Pflichtteil steht zB auch denjenigen (potentiellen) Erben zu, die der Erblasser im Testament ausdrücklich enterbt hat oder die durch einen Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten richtet sich dann gegen den/die Erben, der Berechtigte selbst ist kein Erbe. Unter Umständen kann ein Erbe aber gegenüber anderen Erben eine Pflichtteilsergänzung einfordern (noch mehr Regalmeter...).

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@Steak: §2046 BGB - Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist den jemand, der einen Pflichtteil bekommt, nicht auch Erbe?

Marty

Eigentlicht nicht.
Wenn jemand enterbt wird und nur den Pflichtteil bekommt ist er kein Erbe mehr. Daher hat er auch keinen Anspruch auf Gegenstände aus dem Nachlass, sondern nur auf den entsprechenden Wert der Sachgegenstände, der ihm als Pflichtteil von der Höhe her zusteht.
 
Hallo Steak,

so wie ich das verstanden habe muss derjenige, der den gesetztlichen Pflichtteil erhält keine Nachlassverbindlichkeiten zahlen, da er ja rein juristisch kein Erbe ist. Wie das aber in der Rechtssprechung genau gehandhabt wird kann ich dir leider auch nicht genau beantworten.


Die genau Stelle im BGB kann ich dir nicht sagen, aber guck doch mal hier (https://www.deutsche-anwaltshotline.de/rechtsanwalt/erbrecht/nachlassverbindlichkeiten) nach. Auf der Site habe ich bei meiner Recherche einige Themen dazu gefunden. Ich hoffe ich konnte dir helfen.

Gruß Frank :)
 
Wenn ich einen Pflichtteil geltend mache und erhalten, kann die Erbmasse (also Vermögen abzgl. Verbindlichkeiten) ja an sich nur positiv sein. Die Fälle wo ich enterbt bin und trotzdem einen Verbindlichkeits-Pflichtteil geltend mache dürften selten sein.
 
Grundsätzlich gilt:

Die Nachlassverbindlichkeiten (z.B. Beerdigungskosten) sind Verbindlichkeiten des Erblassers und werden demnach aus dem Nachlass bestritten. Was danach übrigbleibt wird an Vermächtnisnehmer und Erben verteilt (Merke: Vermächtnis und Erbe sind zweierlei!).
Weil aber Vermächtnisnehmer an Nachlasskosten nicht zu beteiligen sind (dafür aber lediglich einen Anspruch auf den Wert des Vermächtnisses, nicht aber auf das Vermächtnis selbst hat), muß - sofern genügend Erbmasse vorhanden - erst das Vermächtnis bedient werden, bevor die Erbschaften bedient werden.

Die Prioritäten lauten also: Nachlassverbindlichkeiten vor Vermächtnissen vor Erbschaften.

Die Frage ist nun, ob jemand, der enterbt ist aber den Anspruch auf seinen Pflichtteil hat, als Erbe oder als Vermächtnisnehmer gilt. Der Pflichtteil ist ja die hälfte dessen, was bei gesetzlicher Erbfolge zustehen würde. Insofern könnte man den Pflichtteil als eine Erbschaft, die vom Erblasser nicht verweigert werden darf, betrachtet werden. Andererseits könnte der Terminus "enterbt", so im Testament verwendet, auf eine Entlassung aus dem Erbenstand hinweisen, womit nur noch ein Vermächtnis bliebe. Vermutlich ist genau deshalb die Rechtslage je nach Urteil so konfus.

Würde ich als Erblasser also jemanden enterben wollen, so würde ich die Formulierung "XY soll nicht mehr als den Pflichtteil erben." verwenden. Damit gilt XY klar als Erbe, muß sich an den Kosten also beteiligen.

Möchte ich einer Person A einen bestimmten Gegenstand hinterlassen, ihn aber nicht an Nachlasskosten beteiligt sehen, so habe ich ein Problem: Eine Erbeinsetzung zwingt zur Beteiligung an den Nachlasskosten, ein Vermächtnis garantiert nicht, daß der Gegenstand tatsächlich ausgehändigt wird (einer der Erben könnte den Gegenstand selbst behalten wollen und den Vermächtnisnehmer auszahlen). In solch einem Falle würde ich A als Erben des Gegenstandes einsetzen und A zusätzlich mit einem Vermächtnis zu Lasten der übrigen Erben und in Höhe von A's Anteil an den Nachlassverbindlichkeiten bedenken.

Vereben ist eine komplizierte Sache, deshalb sollte man ein Testament mit Hilfe eines Notars verfassen, solange man noch keine Reichtümer besitzt (dann wird die Gebühr für den Notar geringer).