Vienna: Das Brettspiel im Test
Es gibt sicherlich schlechtere Orte als Wien, um sich im 19. Jahrhundert die Zeit zu vertreiben. Die Spieler schlüpfen in die Rollen von gerissenen Lebemännern, die sich im Bürgertum, der Kirche und natürlich auch im Königshaus beliebt machen wollen. Dazu fahren sie in einer Kutsche quer durch die Stadt, um sich bei den Berühmtheiten bekannt zu machen. Natürlich verfolgen alle Mitspieler das gleiche Ziel und versuchen sich bei ihren Anbandlungen gegenseitig zu behindern.
Mit der Kutsche durch Wien
Schon der erste Blick auf das Spielbrett von Vienna lässt erkennen, dass Autor Johannes Schmidbauer-König sehr sorgfältig an das Spiel herangegangen ist. Die unterschiedlichen Schauplätze, wie etwa der Wiener Prater, der Heldenplatz, Schloss Schönbrunn oder das Café Landmann finden sich tatsächlich in der österreichischen Hauptstadt wieder.
Gestaltet wurde der Spielplan von Michael Menzel, der als Illustrator in Brettspiel-Kreisen sicherlich kein Unbekannter ist. Als schönes Bonbon gibt es von Wien gleich zwei Spielpläne. Ihr könnt das schöne Wien entweder am Tag oder auch in der Nacht erkunden. Am Spielverlauf ändert sich dadurch nichts. Das nächtliche Wien hat aber einen besonderen (optischen) Reiz.
Viele bunte Würfel
Vienna ist ein Würfelspiel. Je nach Anzahl der Mitspieler bekommt jeder Teilnehmer 4-5 Würfel einer Farbe zugeteilt. Sind die Würfel gefallen, geht die Kutschfahrt durch Wien auch schon los. Sie beginnt beim Krieau und endet beim Heuriger. Die Strecke verfügt über insgesamt 24 Haltestellen. Jedem Halt ist ein festgelegter Wert zugeordet, je länger die Fahrt dauert, desto höher ist der Wert. Nun könnt ihr eure Würfel dafür einsetzen, an einer Station einen Halt einzulegen. Dazu können 1-2 Würfel verwendet werden, um auf die gewünschte Station zu kommen. Die Augenzahlen müssen dabei dem Wert auf der Station entsprechen. So setzen die Spieler nun reihum ihre Würfel ein, um die Wiener Schauplätze mit ihren Würfeln zu belegen.
Jede Station löst am Ende der Runde eine Aktion aus. Sind sämtliche Würfel vergeben, geht es an die Auswertung. Einige Felder geben euch direkt einen oder mehrere Siegpunkte, andere Stationen füllen euren Geldbeutel auf, während ihr in den Cafés der Stadt allerlei Prominenz kennenlernen könnt. Die taktischen Möglichkeiten sind dabei durchaus vielfältig.
Das Ziel des Spiels ist, am Ende der Partie, die meisten Siegpunkte zu haben. Wie viele Persönlichkeiten ihr dabei kennengelernt habt, ist am Spielschluss vollkommen unerheblich. Die Wiener Promis verschaffen euch aber dennoch im Spiel einen wesentlichen Vorteil. So gibt es recht am Ende der Tour durch Wien drei ganz besondere Felder: die Pestsäule, den Stephansdom sowie das Schloss Belvedere. Belegt ein Spieler eines jener Örtlichkeiten, kommt es zum Vergleich mit seinem linken und rechten Tischnachbarn.
Bürgertum, Kirche und Adel
Jede kennengelernte Wiener Persönlichkeit verschafft euch mehr Einfluss in einer der drei Kategorien Bürgertum, Kirche und Adel. Habt ihr einen Wiener Promi kennengelernt, bekommt ihr seine entsprechende Karte. Neben dem Konterfei sind dort am linken Seitenrand ein oder mehrere der folgenden Symbole abgebildet: Krone, Kreuz und Zylinder. Kommt es nun zu einem Vergleich mit den Tischnachbarn, werden die gesammelten Symbole gezählt. An der Pestsäule wird die Zahl der gesammelten Zylinder gewertet, während es am Stephansdom um die Kreuze geht und im Schloss Belvedere um die Kronen. Der Vergleich findet mit beiden Sitznachbarn statt. Habt ihr mehr Symbole als die Konkurrenz, gibt es Siegpunkte. Bei Gleichstand winken euch ebenso wichtige Punkte, jedoch bekommt ihr deutlich weniger.
Somit kommt diesen drei genannten Orten eine wichtige Bedeutung im Spiel zu. Hier gibt es besonders viele Siegpunkte zu holen. Eine weitere wichtige Ressource ist in Wien natürlich auch die klingende Münze. Geld wird an einigen Stationen benötigt, um eine Aktion überhaupt erst einzulösen. So könnt ihr euch durch den Einsatz von Geld, ein paar Siegpunkte kaufen oder auch einen der Wiener Persönlichkeiten kennenlernen. Das Geld hat aber noch eine andere wichtige Funktion.
Bestich den Kutscher
Ein wesentliches Element von Vienna ist, dass die Kutschfahrt einen klaren Verlauf hat. Habt ihr mit euren Würfeln ein Feld für euch reserviert, gibt es kein Zurück mehr. Durch diese Regel könnt ihr also keinen Platz mehr belegen, der hinter dem erreichten Ziel liegt. Durch den Einsatz einer Münze, könnt ihr jedoch den Kutscher bestechen. Steckt ihm eine Münze zu und die Kutsche macht extra für euch kehrt und ihr dürft euren nächsten Würfel an einem beliebigen freien Ort platzieren.
Das Prinzip der linearen Kutschfahrt kommt übrigens auch bei der Auswertung zum Tragen. Gewertet wird stets der Reihenfolge nach. Das kann manchmal zu überraschenden Ergebnissen führen. Nehmen wir zum Beispiel das Kennenlernen der Wiener Prominenz. Um bekannte Wiener kennenzulernen, sind in Vienna insgesamt vier Felder vorgesehen. Dabei handelt es sich um bekannte Cafés der Stadt. Die Cafés liegen alle direkt hintereinander. Theoretisch besteht in jedem Café die Möglichkeit, sich eine der wichtigen Promi-Karten zu sichern. Leider ist die Zahl der verfügbaren Karten pro Runde begrenzt. Gemeinerweise gibt es in jedem Durchlauf genau eine Persönlichkeit weniger als es Mitspieler gibt. Das letzte Café in der Reihenfolge erlaubt nun sogar den Gewinn einer Karte, ohne dafür eine Münze zu investieren. Damit ist dieses Feld für die Spieler also besonders attraktiv. Setzen die Gegenspieler jedoch ihre eigenen Würfel in die Cafés, die in der Reihenfolge weiter vorne liegen ein, dann kann es geschehen, dass ein Spieler am Ende leer ausgeht, weil keine Persönlichkeits-Karten mehr verfügbar sind.
Mehr Spaß mit Sonderkarten
Eine weitere taktische Variante bringen die fünf Sonderkarten mit sich. Jede dieser Karten bleibt solange bei einem Spieler aktiv, bis sich ein Gegner die Karte durch den Einsatz von Würfeln selbst sichert. Die entsprechende Investition von Würfeln vorausgesetzt, könnt ihr etwa zum Startspieler werden, einen weiteren Würfel erhalten, einen Doppelzug machen, Einer-Würfel auf eine beliebige Seite drehen oder Sissi kennenlernen. Letztere gibt euch zusätzlichen Einfluss wie andere Persönlichkeits-Karten auch.
Zusätzlich gibt es noch die Möglichkeit ein oder mehrere Würfel in den Geheimbund zu stecken. Jeder Würfel, den ihr auf das Geheimbund-Feld legt, beschert euch eine Münze. Die Augenzahl ist in diesem Fall unerheblich. Taktisch wertvoll kann auch der Gendarm sein. Belegt ihr mit einem Würfel den Krieau, dürft ihr sofort den Gendarm auf eine beliebige Stelle des Spielfelds stellen. Auf dieses Feld darf sich in der weiteren Runde niemand mehr positionieren.
Wie ihr seht, gibt es also viele verschiedene Optionen, um Siegpunkte zu verdienen oder um die Gegner in ihrem Fortschritt zu behindern. Trotz aller Möglichkeiten ist Vienna ein recht einfaches Spiel, das schnell erklärt und verstanden ist. Nach wenigen Minuten kann es auch schon losgehen. Angenehm ist auch, dass es im Spiel keine langen Wartezeiten gibt, da die Würfel reihum eingesetzt werden. Außerdem kann jeder Zug der Gegenspieler die eigene Strategie zunichte machen. Eine Partie Vienna dauert rund eine halbe Stunde. Vom Anspruch her bewegt sich das Spiel noch im Bereich der Familienspiele, weiß aber sicher auch Freunde von Kennerspielen zu unterhalten.
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