Die Angst vor dem Diktat

Tattoo-Mum

symbolträchtig
ID: 94701
L
15 Mai 2006
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Mein Sohn geht in die 2. Klasse und morgen schreibt er sein erstes richtiges Diktat. Es ist ein geübtet Diktat, aber eben das erste mal ein richtiger Text und nicht nur einzelne Worte. Natürlich hab ich mit ihm auch geübt, das war Teil der Hausaufgaben.
Heute Mittag gab es Tränen, denn er hatte von 19 Wörtern 3 falsch. Ich hab ihm gesagt, das sei okay, aber er hat mir gar nicht zugehört und immer doller geweint. Bis er dann gar keine Aufgaben mehr machen wollte, nichtmal Mathe, obwohl er das Fach über alles liebt, und da auch einer der beiden Klassenprofis ist.
Er hat dann gesagt, dass er ganz dolle Angst vor Morgen hat und sein Herz war auch ganz schnell am Schlagen. Das war schon fast eine Panikattacke. Das finde ich sehr schlimm, dass er in seinem Alter schon Panikattcken bekommt. Ich hab ihm nochmals versichert, dass drei Fehler absolut im Rahmen sind, vorallem, weil er eine auditive Wahrnehmungsstörung hat. Ein Diktat ist eh Höchstleistung für ihn.
Leider scheint die Lehrerin das nicht ganz so zu sehen, oder hat es vergessen, denn er hat mir heute erst erzählt, dass die wohl schon ganz viele solche Wort-Diktate gemacht haben und er immer nur traurige Smileys hatte. Davon wußte ich aber gar nichts. Die Kinder bekommen diese Lernzielkontrollen anscheinend nicht (immer) mit. Letztens hat er eine Aufgabe mitgebracht, die einzige Deutscharbeitet, die ich zu sehen bekommen habe, da sollten sie Hauptwörter unterstreichen, Punkte setzen und Wörter, die groß geschrieben werden, umkreisen. André hatte einen :-I Smiley, er hatte nicht genug Zeit, alles zu lesen, sagte er.
Als die Lehrerin im Februar anfing auf unserer Schule, habe ich sie aufgeklärt, dass er eine AWS hat, die ist aber bisher nur vom Logopäden getestet, der ihn auch daraufhin einmal die Woche behandelt, immer Freitags. Einen Test in der Kinderpsychiatrie hat André in 20 Tagen, da wird er auf AWS und Legasthenie getestet.
Der Verdacht auf Legasthenie besteht seit 12/07, ich hab die damaliege Klassenlehrerin, die auch die damalige Deutschlehrerin war, darauf angesprochen und sie meinte, sie könne auf Einzelschicksale keine Rücksicht nehmen, und überhaupt, wird das erst in der 4. Klasse getestet. Ich muß aber auch sagen, als er das erste Mal beim Logopäden war, das war 2002, sagte mir die Logopädin schon, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit eine Legasthenie haben werde, denn das ist erblich (vom Vater in unserem Fall). Zwischen Mitte 05 und Ende 07 war er dann nicht beim Logopäden, weil die erst abwarten wollten, wie er sich in der Schule so mache, und die Deutschlehrerin sagte, alles sei okay. Ich hatte dann aber Ende letzten Jahres das gefühl, dass es besser sei, das nochmal abchecken zu lassen, weil er oft g/k und d/b/p verwechselte, und Wörter beim Lesen einbaute, die sinngemäß passten, aber nicht da standen (Wolfskinder statt Wolfsjunge, Schuhe statt Stiefel, Spaten statt Schaufel).

Wie kann ich ihm vor Morgen die Angst nehmen? Mit der Lehrerin kann ich leider nicht mehr sprechen, da hab ich keine Telefonnummer. Ich will nachher nochmal versuchen, die Klassenlehrerin (die er in Mathe hat) anzurufen, und mit ihr sprechen, aber bei dem Wetter ist klar, das man keinen erreicht.
Ich hab ihm schon gesagt, dass 3 Fehler nicht schlimm sind, und er sich bitte nicht selber unter Druck setzen soll. Sein Wortschatz ist übrigens recht groß und seine gemachten Fehler werden weniger, wir arbeiten also hart.
Nächste Woche ist Elternsprechtag, den werde ich auf jeden Fall nutzen. Aber ich brauch eher Sofortmaßnahmen.
Jetzt ist er mit Kumpels im Schwimmbad, ich denke, er braucht jetzt eher Freizeit als noch mehr zu üben, denn dann macht er ganz zu.

Vielleicht ist unter euch ja eine Mama oder ein Papa, der auch ein Kind mit AWS hat.

lg
Linda
 
Ich habe zwar kein Kind mit AWS, kenne aber genügend.

Ich selbst bin der Meinung, dass die wenigsten Lehrer sich wirklich um diese Kinder bemühen. Das ist wirklich schade.

Aus reinem Bauchgefühl würde ich sagen, zu allererst mit der Klassenlehrerin zu sprechen, dass diese auf ihre Kollegen einwirkt. Passiert da nichts, oder weigert sie sich, dann direkt zum Rektor gehen und ihm den Sachverhalt nahe legen.

Ich schreibe dies, weil ich damals in der Schule Probleme mit meiner Deutschlehrerin hatte (wie passend). Sie bewertete grundsätzlich meine Aufsätze mit 4, Diktate schrieben wir da nicht mehr. Ich war mir aber sicher, dass meine Aufsätze besser waren als 4. Diese Meinung vertraten meine Mutter und ihr Chef auch, so dass wir eine andere Deutschlehrerin baten, sich doch einmal die Arbeiten anzusehen. Tatsächlich bewertete sie meine Aufsätze durchgehend zwischen 1und 2.

Daraufhin ging meine Mutter zum Rektor und legte ihm diese Tatsachen auf den Tisch. Ende vom Lied war, dass meiner regulären Deutschlehrerin verboten wurde, meine Arbeiten zu benoten. Die wurden vom Rektor selbst bewertet.

Vielleicht hilft ja mein Vorschlag. Ich drücke dir jedenfalls die Daumen, dass dein Sohn wieder Spaß an der Schule hat und auf ihn etwas vermehrt Rücksicht genommen wird.
 
Ja, sowas ähnliches machen wir nun auch. Ich hab mit der Klassenlehrerin gesprochen, und sie gab zu, dass sie auch schon das Gefühl hatte, die Deutschlehrerin wüßte gar nicht so richtig, wie sie mit der AWS umgehen soll. Man muß ich aber auch zugestehen, dass sie ganz frisch von der Uni ist.
Wir haben nun abgemacht, dass André mitschreibt, und dann mit der Mathelehrerin das geschriebene durchgeht. Und wenn es total in die Hose geht, dann wird es nicht bewertet, sondern er bekommt die Chance, alleine mit der Lehrerin ein Diktat zu schreiben. Alleine, damit er nicht von den Klassenkameraden abgelenkt wird.
Mir ist wirklich ein Stein vom Herzen gefallen. Allerdings hab ich schon gemerkt, dass er heut trotzdem ungern zur Schule gehen wollte. Er hat´s wirklich bis zur letzten Minute hinausgezögert. Ich hab ihm dann meine Kette umgehängt, die ich eigentlich jeden Tag trage (OM Mani Padme Hung-Anhänger) und dann war er etwas gestärkt.
Ich hab ihm jedenfalls die Daumen gedrückt. Und bin gespannt, was er nachher sagt.

Ärger mit den Lehrern kenn ich auch, aus der Realschule. Einmal, so wie du das schreibst, die Deutschlehrerin wurde dann aber "ausgewechselt" und plötzlich waren meine Noten viel besser. Als die "Zicken"-Lehrerin erfuhr, dass ich veröffentliche und sogar ein Buch herausgegeben habe (mittlerweile sinds 2 und eines folgt dies Jahr), wurde die knallrot und seitdem guckt sie mich nicht mehr an. Und dann mein Mathelehrer. Ich hab nie Sinn darin gesehen, mit Buchstaben zu rechnen. Ich hatte aber auch so manchmal Schwierigkeiten mit Mathe, da steh ich auch zu. Heute weiß ich, dass es vielen Leuten so geht, dass die Zahlen manchmal "tanzen", aber damals fühlte ich mich einsam. Es ging soweit, dass ich Angst vor meinem Mathelehrer bekam, der auch noch mein Klassenlehrer war. Das möchte ich auf jedenfall bei André verhindern. Er soll keine Angst vor der Schule bekommen.
Danke für deinen Erfahrungsbericht. Er hat mir sehr geholfen.

lg