Eintrag #9, 06.12.2015, 09:20 Uhr

Zum Selbständigkeitstag Finnlands an Nikolaus, 6.12.

Da ich Finne bin, möchte ich diese Geschichte hier erzählen.  

Vor 100 Jahren, am 25.2.1915 begann eine Gruppe jungen Finnen als Pfadfinder getarnt Militärausbildung in Hohenlockstedt (damals Lockstedter Lager) nördlich von Hamburg. Wohl bemerkt Finnland war seit 1809 eine autonomische Grossfürstentum unter Russland.  
 
Passend zu Interessen des Kaiserreiches, davon wuchs mit rund 1900 Männer eine finnische Bataillon ab Frühling 1916, das Königlich-Preussische Jägerbataillon 27. Es war praktisch Kern der späteren finnischen Armee. Fronteinsatz hat diese Bataillon ab Mai 1916 in Kurland, heutige Lettland erlebt.  

Rekrutierer von Jägern, Januar 1917:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7e/Etappimiehet.jpg


Ursprung der Jägerbewegung liegt an die militante Aktivistenbewegung, welche wegen die Russifizierungsbemühungen durch Zarenreich im Untergrund auf ein bewaffnete Kampf gegen Russland vorbereitete.  
 
Nach russischen Revolutionen war die Zeit reif für Unabhängigkeitserklärung Finnlands am 6.12.1917. Situation war jedoch sehr unruhig und Ordnung zerfallen. Es erfolgte dunkelstes Kapitel Finnlands: Bürgerkrieg.  

 

Rund 1300 von den finnischen Jägern kamen ab Oktober 1917 in Finnland zurück. Die meisten kamen in Februar 1918, wo ab Januar Bürgerkrieg zwischen bürgerlichen "Weissen" Regierungsanhängern und von russischen Bolschewiki agitierten und unterstützten sozialistischen "Roten" tobte. Daher etwa Drittel von Jägern blieben in Deutschland, sie wollten nicht gegen eigene Leute kämpfen. Greueltaten schlimmste Art, Blutbäder passierten durch beiden Seiten.  


Parade der Jäger in Vaasa, Februar 1918
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/af/Jaakarit_vaasan_torilla.jpg


Bei dem Sieg der Regierungstruppen im Mai 1918 war die Rolle der Jäger erheblich. Weissen konnten sich besser organisieren, erhielten dazu 70 000 Gewähre und schwere Waffen aus Deutschland. Auch eine deutsche Kampfverband intervenierte ab 3. April gegen Roten.  
 
Rache der Sieger war aber ganz grausam und unmässig, sodass es erweckte schon internationales Aufsehen. Tausende von Verliererseite wurden ohne Anhörung bzw. "standrechtlich" hingerichtet, darunter Frauen und minderjährige. In einem Fall, im Rausch des Krieges, alle Ausländer (am nächsten Russen) wurden gesammelt und geschossen. Ûber 70 000 "Rote" wurden ins Lagern geschlossen, wo weiter viele hunderte hingerichtet wurden.  
 
Es kam aber noch schlimmeres. Versorgung von Lagern war katastrophal und weit über 10 000 Gefangenen starb durch Hunger und Seuchen. Im Vergleich, in Kampfhandlungen starb insgesamt rund 9000 Menschen. Erst ab August 1918 wurde Situation langsam besser. Am Ende 1918 gab es nach Entlassungen nur noch 6100 gefangene "Rote". Ein Paar Jahre später waren fast alle entlassen. Auf normale Bürgerrechte mussten viele aber noch lange verzichten.
 
Bis Ende des ersten Weltkrieges war die neue finnische Staat praktisch deutsche Protektorat. USA und Gross-Britannien anerkannten Finnland erst danach. Deutsche wollten ja einen Vasallenstaat formen. Echte Selbständigkeit Finnlands begann also erst durch die Ende des Kaiserreiches.  
 
Das Wort Jäger wurde auf Finnisch "jääkäri" translitteriert.  "Jääkäriliike" (Jägerbewegung) ist eine Synonym für Freiheitsbewegung und Selbständigkeitskampf gegen Russland, wenn auch umstritten wegen tragischen und blutigen Bürgerkrieges und wegen der Verbindung zu deutscher Imperialismus.  

Finnische Briefmarke über Jägerbewegung aus dem Jahr 1968
 
Immerhin die Bedeutung der Jäger ist gross. 49 von den Jungs aus Lockstedter Lager wurden Generäle in Finnland.  Und noch im Winterkrieg 1939/40 stellten sie den Großteil der finnischen Kommandeure. Rangbezeichnung eines Infanterists ist dort noch heute "jääkäri".  

 

Quellen:
https://fi.wikipedia.org
https://de.wikipedia.org

 
 (58) tibi38
 (39) colaflaschi
 (51) Cyberdelicate
 (54) k3552
 (40) Pontius
 (??) Minki2012
 (63) cybaa
 (??) Sonnenwende
 (??) Madkev

... und 12 Gäste
Wer war da?