Eintrag #14, 20.01.2022, 17:48 Uhr

Reste des Lebens

Gestern stand Laub zusammenfegen auf dem Programm, mit einem kleinen Handfeger, auf eine kleine, rote Schaufel. Ja, Handfeger sagte man früher immer, hol mal den Handfeger.Da gab es noch keinen Staubsauger. Was hat man damals eigentlich mit dem Staub auf dem Teppich gemacht ? Stimmt, den mußte man draußen ausklopfen. Und dann flog der Dreck wieder durchs offene Fenster in die Wohnung zurück.

 

Darf man das Laub, die Blätter, eigentlich über die Brüstung des Balkons nach unten werfen, oder muß es in die Mülltonne, natürlich in die grüne? Doch dann kam mir der Gedanke, daß es ja eigentlich gar nicht mein Laub ist, daß es gar nicht mir gehört, es ist das Laub des großen Baums vor meinem Balkon, der im Augenblick nackt dort steht. Es ist einfach von ihm zu mir herübergeweht und hier liegengeblieben.Doch wie soll ich es ihm zurückgeben ? An den Ästen hat es keinen Halt mehr. Und wenn ich es nach unten werfe, auf das Beet, in dem er steht, dann ist es wenigstens wieder bei ihm. Bis die Gärtner von der Stadt kommen und es einsammeln. Und dann landet es in der grünen Tonne. Natürlich nicht in meiner, aber am Ende vielleicht auch dort, wo meine Tonne entleert wird.

 

Ein bißchen ist es mit den Blättern, wie mit den Worten, die einem draußen von fremden Menschen zuwehen. Sie sind nicht für mich bestimmt, aber landen bei mir. Auch sie kann ich nicht zurückbringen. Aber für sie gibt es auch keine Tonnen. Wörter fallen einfach in ein Nichts und sind verschwunden, es sei denn, sie landen in meinem Gedächtnis. Vielleicht ist das auch so eine Art grüne Tonne. Erinnerungstonne. Die Blätter erinnern mich an den Sommer, den vergangenen. Die Wörter im Gedächtnis an eine vergangene Zeit meines Lebens. Und Erinnerungen wirft man nicht einfach weg.

 

Nun, mit dem Wegwerfen ist es ja sowieso so eine Sache. Manchmal sehe ich auf der Straße eine Verpackung , zerrissen, zertreten. Und dann stelle ich mir vor, wie sie wohl neu ausgesehen hat. Von Menschen mit Sorgfalt hergestellt, hat sie irgendjemand, mit Inhalt gefüllt gekauft, sein Geld dafür ausgegeben, sie gut behandelt, vorsichtig geöffnet, damit sie nicht zerreißt. Sie gehörte ja ihm, er hat sich gefreut, sie erworben zu haben. Und nun liegt sie unbeachtet dort am Boden, wird mit Füßen getreten, von Regen durchweicht, wie die Blätter von dem Baum. Mit uns geschieht es nicht genauso, doch irgendwie gleicht es sich trotzdem. Alles landet quasi in einer "Tonne".

Jetzt liegt das Laub, der Rest des letzten Sommers, in meiner Mülltonne. Man kann ja nicht alle Blätter aufbewahren. Alle Wörter auch nicht. Alle Menschen auch nicht. Und zurückgeben, als Rest des Lebens kann man sie auch nicht.

 
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