Eintrag #29, 06.03.2006, 23:52 Uhr

Reise ins Herz der Finsternis Teil 1

1899 veröffentlichte Joseph Conrad eine Novelle mit dem Namen 'Herz der Finsternis'. Sie handelt von einer Reise ins zentrale Afrika, direkt in das Herz des englischen Kolonialismus, zu den Schrecken und Abgründen, die diese Ära gebar.

Über hundert Jahre später ist die Zeit des Kolonialismus lange verloschen, doch der Schrecken, das Herz der Finsternis schlägt noch immer an den verschiedensten Orten in den verschiedensten Zeiten...

Es war reiner Zufall, der mich auf diese Reise getrieben hatte. Ein guter Freund, der Grieche, war mal wieder zu Besuch in Berlin. Ursprünglich wollten wir ins Kino gehen und einen entspannten Abend verleben, doch es kam eine Alternative in den Weg, in die ich leichtfertig einwilligte, ohne groß über etwaige Konsequenzen nachzudenken:
In der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz wurde HELDEN DES 20. JAHRHUNDERTS
Ein Hysterienspiel mit Puppen
aufgeführt, was uns von einem Bekannten, Benji, als sehr lustig empfohlen wurde.
Ich war ein wenig im Stress, die letzten Klausuren stehen an, ich war zum Sport verabredet und die Zeit wurde knapp.
Darum machte ich mich völlig unvorbereitet auf den Weg, setzte mich völlig ahnungslos in die Bahn und fuhr los zum Rosa-Luxemburg-Platz, hinein ins Herz der Berliner Finsternis.
Ich war früh, zu früh für die anderen beiden und dürfte mich darum alleine ein wenig umsehen.
Ein ungutes Gefühl beschlich mich, als ich mich dem Rosa-Luxemburg-Platz näherte. Die Gegend schien etwas finsteres zu haben, der Name hätte mich wohl vorwarnen müssen! Auch der Begriff einer Volksbühne, an dessen Eingang alles noch so aussah, als hingen noch vor kurzem Hammer und Sichel über ihren Türen, verstärkte diesen Eindruck und ich beginn mich allmählich zu fragen: Was werde ich hier eigentlich zu sehen bekommen? Und als wäre all das noch nicht genug erblickte ich direkt im Anschluss in Sichtweite das Zentrum all dieser Bosheit: 100 Meter von mir entfernt erhob sich zu meiner großen Überraschung die Zentrale der Linkspartei!
Mich schauderte!
Wo war ich hier bloß gelandet und warum war ich drauf und dran, mir hier ein Stück Puppentheater anzugucken?
Doch Bedenken wurden leider nicht zu Taten, dazu war die Hoffnung wohl zu groß.
Die beiden trubelten gerade noch rechtzeitig ebenfalls ein und wir traten in die Volksbühne.
Dort mußte ich erstmal nach Luft schnappen, als mir 10€ abgeknöpft wurden für eine Eintrittskarte, während der Benji dank HartzIV-Ausweises nur 3€ zahlen musste. In solchen Momenten danke ich dann immer gerne daran, daß ich mit weniger Geld im Monat auskomme als ein HartzIV-Empfänger und noch immer finde, daß ich verdammt gut lebe und ich nicht ganz nachvollziehen kann, wenn ich lesen muss, daß ich unter der Armutsschwelle lebe...
Aber naja, es hatte bereits zum zweiten Male geklingelt und wir waren scheinbar mit die letzten.
Naja, fast, denn direkt nach uns eilte auch nach eine junge Frau an die Kasse, die ich nach kurzem Hinsehen als Heike Makatsch identifizieren zu können meinte.
Kaum hatten wir uns auf unseren Stühlen niedergelassen und kurz diskutiert, ob es denn wirklich Heike Makatsch gewesen sei, verkündete Benji, daß er in der letzten Zeit (er arbeitet beim Theater) generell den Respekt vor bedeutenden Schauspielern verloren habe. Das Adjektiv bedeutend in Verbindung mit Heike Makatsch ließ meine Augenbrauen in die Höhe schnellen, woraufhin Benji sich rechtfertigte, sie habe doch "irgendwelche Preise gewonnen!" Auf die Frage, nach welchen Kriterien denn ich Schauspieler bewerten würde konnte ich nur noch rausbringen: "Na nach dem Aussehen!" und konnte mich damit wenigstens der Tatsache versichern, daß mein Galgenhumor noch existierte.
Das Stück begann und in den nächsten eineinhalb Stunden wurde ich Zeuge, wie drei Frauen mit Hilfe von immerhin ziemlich realistisch gestalteten Puppen das 20. Jahrhundert reflektierten.
Ich wurde Zeuge, wie Queen Victorias Puppe röchelnd und zuckend starb, wie die verschiedenen Kaiser mit wohl bedrohlich gemeinter Hintergrundmusik auf- und wieder abtraten, wie Lenin mit Trotzki über die Revolution diskutierte, wie Micky Maus Freud einen blies, während der sich mit ihm in der Keller verzog, um mit seiner Kacke zu spielen, wie die Staatsfanatiker Roosevelt, Hitler und Stalin aufmarschierten und ihr Lied vom Staatsapparat sangen, wie der zweite Weltkrieg ausbrach und Hitler erst Stalin und dann Roosevelt in den Arsch fickte und wie die beiden anschließend zusammen mit Churchill die Hitlerpuppe in Grund und Boden stampften. Zwischendurch präsentierte Freiherr von Braun noch stolz seine neueste technische Errungenschaft: Dank der Kernspaltung könnten die Deutschen jetzt Atombrüste bauen und die Puppen von Hitler und von Braun klatschten beide mit ihren Händchen auf die Titten einer der drei Puppenspielerinnen...
Leider war die Musikbegleitung zu laut, als das ich hätte schlafen können und so blieb mir wenig mehr übrig, als meine Ausgabe von 10€ bitter zu bereuen...
 
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