In unserem Haus lebt ein Mann, der – wenn ich alles grob in eine Schublade stecke –
die Wende nicht „überlebt“ hat. Scheidung, kein Kontakt mehr zur Familie und den Kindern,
die weiterhin im östlichen Teil des Landes leben.
Hier in Berlin gestrandet und verloren.
Vollalkoholiker.
Mit „Glück“ hat er ein Zimmer im Seitenflügel des Hauses von einem anderen Mieter
zur Verfügung gestellt bekommen. Natürlich gegen einen entsprechend unanständigen
Untermietpreis.
Er ist freundlich, nicht grölend, arbeitsam.
Seit ca. 20 Jahren steht er jeden Morgen um 5 Uhr auf und fährt mit dem Firmenbus
zur Arbeit als Parkettleger. Abends sieht man ihn Flaschensammeln und schon leicht
wankend.
Dann poltert es und er fällt auf seine Matratze ….
Jetzt haben sie ihn gekündigt. Fristlos.
Er bringt nicht mehr die Leistung.
Stundenlohn: 5,00 €
Wir brauchen also gar nicht so weit zu schauen. Es gibt sie überall, diese miesen Ausbeuter,
die sich am Leid anderer Menschen ein goldenes Näschen verdienen und diese auch noch
verhöhnen und verachten.
Immerhin, jetzt ist er wenigstens arbeitslos gemeldet und bekommt gesichert sein Geld.
Wir kümmern uns im Rahmen unserer Möglichkeiten seit Jahren um ihn, bringen ihm ab
und zu selbstgekochtes Essen, einen Kuchen, Bettwäsche, Handtücher … - eben was ein Mensch benötigen könnte.
Niemals so, dass er sich schlecht fühlen müsste …
Im Herbst geht er Pilze sammeln, wir kaufen ihm diese dann ab (zum üblichen Handelspreis im
Geschäft) … - es ergibt sich immer irgendeine Möglichkeit.
Manchmal kommt er vorbei und bringt mir einen Wiesenblumenstrauß …:)
Wir hätten eingreifen sollen?
Nein.
Wir haben lange darüber nachgedacht und auch im Freundeskreis Gespräche geführt.
Es ist sein Leben. Es war seine letzte Möglichkeit, Arbeit zu haben, die er ganz offensichtlich
geliebt und gebraucht hat. Niemand sonst hätte ihn eingestellt.
Er machte schon immer den Eindruck eher obdachlos zu sein und nichts leisten zu können.
Ein großer Irrtum im Übrigen.
Er war – mit dem entsprechenden Pegel – sehr leistungsfähig.
Jetzt ist die Sekunde Zeit, in der man glücklich sein sollte,
wie gut das Leben mit einem selber umgegangen ist ....