Schon früh hatte ich mir fest vorgenommen, wenn ich das Rentenalter erreicht hätte, endlich die Dinge zu machen, für die ich vorher keine Zeit gehabt habe. Mich nur noch mit dem zu beschäftigen, was mich interessiert. Mit anderen Worten, nur noch ich zu sein, für mich zu sein. Wichtig war, diese Zeit gut vorzubereiten, denn wenn sie da ist, sollte ja keine Langeweile auftreten. Das Leben sollte ja auch dann noch sinnvoll sein, sinnvoll für mich. Ich wollte doch nicht jeden Tag nur die Langeweile besiegen. Zwar kam dann, wie eigentlich immer, zunächst alles anders als ich gedacht hatte, aber dennoch sollte es der richtige Weg sein. Langeweile ist mir bis zum heutigen Tag fremd.
Vor ein paar Tagen traf ich einen Bekannten, ebenfalls Rentner, der mir klagend erzählte, daß er nie wisse, wie er die Stunden des Tages bewältigen solle. Er habe zuviel Zeit und könne nichts mit ihr anfangen. Gib mir etwas von deiner Zeit ab, antwortete ich, mir fehlt täglich welche. Auch dieser Mensch hatte sich einmal gefreut, nicht mehr arbeiten zu müssen, aber nun wurde er von der Zeit erschlagen. Langeweile trieb ihn täglich in die nächste Kneipe, weil er nicht vorbereitet war auf das Danach.
Aber, was bedeutet Langeweile überhaupt ?
Langweilig, was für ein Wort. Zwei Arten der Langeweile kennen wir. Die, wenn einem die Zeit zu lang wird und die als Abgrund des Dasein (Heidegger), welche die Sinnfrage stellt. Und welche begegnet uns im Alter ? Ja, dort gleichen sich im Alltag die Augenblicke. Es geschieht zwar andauernd etwas, aber nichts, was die Menschheit bewegt, nichts für einen Roman, obwohl dauernd welche darüber geschrieben werden. Nichts für ein Theater, obwohl dauernd Theaterstücke darüber aufgeführt werden. (Anton Tschechow)
So ist es eine „lange-Weile“ bis zum Ende des Lebens. Aber ist das tägliche Leben deswegen langweilig ? Vielleicht ist es das Warten auf das Ende. Warten als Wiederholung dessen, was schon seit langer Zeit geschieht. Eben eine Wiederholung des Lebens.
Aber es gibt doch auch im Alter noch genügend Dinge zu entdecken, jeden Tag neue Erfahrungen zu machen, den Beginn der Zukunft mitzuerleben. Und vielleicht auch noch etwas mitzuhelfen, diese Zukunft zu gestalten, denn manchmal eignet sich auch das Vergangene dazu.
Da habe ich doch gar keine Zeit für Langeweile. Nein, das Leben ist keine langweilige Geschichte. Es ist aufregend bis zum letzten Kapitel.