Eintrag #38, 09.12.2023, 17:42 Uhr

Kinder

Meistens komme ich ja an der Bushaltestelle in der lezten Minute an, doch diesmal blieb mir noch etwas Zeit, weil der Fahrplan sich mal wieder etwas verschoben hatte. Also in das kleine Häuschen gestellt, um vor dem kühlen Wind etwas geschützt zu sein. Und da ich eigenartigerweise der einzige Wartende bin, lasse ich meinen Blick über das Umfeld schweifen. An einem Werbeplakat bleiben meine Augen hängen: „Sind wir zu Weihnachten nicht alle Kinder ?“ Na ja, Vatertag sind alle Väter, Muttertag alle Mütter, Weihnachten alle Kinder. Damit hat man sie alle untergebracht. Weihnachten dürfen also laut Werbung Kinder Kinder sein. Und wir Erwachsenen auch. Und wie ist das mit unseren Kindern im restlichen Jahr ?

Sollte man nicht immer froh sein, seine Kinder um sich zu haben ? Ganz schnell kommt nämlich die Zeit, in der es sehr ruhig in der Wohnung wird. Da müßte man doch jeden Augenblick, auch den vielleicht nicht ganz so prickelnden, denn der gehört auch dazu, mit allen Fasern genießen. Irgendwann wird man sich nämlich nach einer knallenden Tür, lautem Geschrei oder einem Streitgespräch sehnen.
Was wäre die Welt ohne Kinder. Armselig und traurig.

Nun haben wir alle als Kinder versucht, schnell erwachsen zu werden, nicht mehr Kind zu sein und sind es doch zumindest für unsere Eltern für immer geblieben. Und bei den Kindern der heutigen Eltern wird es nicht anders sein. Wahrscheinlich können Eltern ihre Kinder auch gar nicht anders sehen, weil es ihnen nicht möglich ist aufzuhören, sich als Beschützer und Verantwortlicher zu fühlen. Da spielt das Alter überhaupt keine Rolle, weil die Kinder ja im Verhältnis zu ihren Eltern auch nicht älter werden.

Nur warum, so frage ich mich, hat das Wort Kind bei uns oft so einen negativen, untergeordneten Beigeschmack ? Sogar für Kinder selber ist es manchmal nicht erfreulich so bezeichnet zu werden. Es liegt wohl an dem Stand, den wir ihnen zugeteilt haben. Für Kinder gilt nur oder fast nur das Müssen, nicht das Wollen, das Verboten , nicht das Dürfen.

Sie leben aber in derselben Welt, haben Pflichten, aber wir nehmen ihnen die Rechte. Sie verstehen uns nicht, weil wir unverständlich sind, wir verstehen sie nicht, weil wir sie nicht verstehen wollen, weil wir Angst haben, sie könnten uns etwas streitig machen, ja, wir haben Angst vor ihnen und können uns nur wehren, indem wir ihnen alles verbieten und sie uns untertan machen.
Wer sich selber unterdrückt fühlt, gibt die Unterdrückung weiter an das schwächere Glied, an jemanden der sich noch weniger wehren kann. Und darauf sind wir auch noch stolz und nennen es Erziehung.
Nein, Kinder müssen nicht erzogen werden, sie müssen angeleitet werden, aus Erfahrungen Schlüsse zu ziehen, Möglichkeiten zu finden, um ihr Leben gestalten zu können. Wenn wir ihnen dabei bis ins Alter behilflich sind, dann bleiben sie auch gerne unsere Kinder.

Und das nicht nur zu Weihnachten.

 
 (??) Gemmie
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