Nun ist unser Kalender mal wieder am Ende eine Jahres angelangt und es beginnt alles von vorne.Der Mensch kann sich das Sein eben nicht ohne Anfang und Ende denken, weil auch unser Leben aus Anfang und Ende besteht. Doch wir sind nur ein winziger Teil des gewaltigen Alls und da gibt es keinen Anfang und kein Ende. Kein anfangen und kein aufhören.
Heftig wehren sich die beiden Kleinen, als die Mutter auf dem Spielplatz, an dem ich gerade vorbeischlendere, ihnen erklärt, daß das Spiel für heute vorbei ist. Warum vorbei ? Wir haben doch noch gar nicht angefangen, mögen sie denken. Doch was ist Anfang und was Ende ? Für Kinder gibt es beim Spiel oft beides nicht. Der ganze Tag ist für sie Spiel, weil dies für sie nichts weiter bedeutet, als Erfahrungen zu sammeln, zu lernen, neue Dinge, Zusammenhänge zu erfahren, zu erkunden. Ihr Sein vor dem Hindergrund der Welt zu ordnen.
Und ja, dies alles bauen sie auf unserem Sein auf. Genau, wie wir seinerzeit auf dem Sein unserer Eltern aufgebaut haben. Damals fanden auch wir nie ein Ende, weil doch noch so viel Unerforschtes vor uns lag. Da sind wir wieder bei den Kleinen auf dem Spielplatz. Der Eimer dort im Sandkasten ist noch gar nicht ganz gefüllt, der Berg noch nicht abgetragen. Und was ist mit der Schaukel und der Rutsche ? Beide waren dauernd besetzt. Und da sollen sie das Spiel schon wieder abbrechen, nur weil wir vielleicht gerade einen "wichtigen" Termin haben. Mitten im Entstehen erklären wir also etwas als beendet.
Doch gibt es eigentlich ein "Zuende-sein" ? Ist es nicht vielmehr immer ein Abschnitt, dem sich gleich wieder ein anderer anschließt ? Alles hat doch eine Fortsetzung und alles was war, ist doch nur Grundlage für das Zukünftige. Nichts kann doch geschehen ohne das, was geschehen ist. Es hat alles eine Ursache, einen Anfang, aber dieser Anfang hat auch wieder eine Vergangenheit, wußte schon Sisyphos. Dies kann allerdings, meiner Meinung nach, nicht unser augenblickliches Handeln entschuldigen, denn wenn dies zu einem Fehler führt, dann geschieht dieser nicht wegen der Geschehnisse in der Vergangenheit, sondern weil wir uns nicht so entworfen haben, wie wir es wegen der Geschehnisse hätten tun müssen. Und dann ist wieder der Konjunktiv die Entschuldigung, obwohl er das Ganze doch eigentlich nur noch bekräftigt.
Ja, auf jedes Ende folgt auch wieder ein Anfang. Meistens sogar mit dem Bestreben, es besser machen zu wollen. Obwohl wir vor einiger Zeit gelernt haben, daß man damit auch ausdrücken kann, etwas Schreckliches fortführen zu wollen, weil man mit dem Schrecklichen noch gar nicht wirklich begonnen habe. Allerdings ist das das grausame Spiel eines Verwirrten.
Glücklicherweise jedoch sind dessen Gedanken weit weg von denen unserer beiden Kleinen auf dem Spielplatz. Für sie gibt es eigentlich kein wirkliches Ende und für uns sollten wir es auch ausschließen, denn wenn wir ehrlich sind, haben wir doch noch gar nicht richtig angefangen zu leben.
Laßt uns weiter durch unser Sein schaukeln und anfangen aufzuhören.