Eintrag #54, 16.11.2005, 13:19 Uhr

Ein Lächeln

Sie lacht so viel.
Jedes mal wenn sie mich sieht, breitet sie die Arme aus und ruft: "Mein kleines Mäuschen!"
Um eine Umarmung kommt man dann nur schwer. Man will auch gar nicht um diese kommen.
Bei dieser Umarmung spürt man jeden einzelnen Knochen von ihr. Und die Kraft, die sie trotzdem noch hat. Langsam löst sie sich, legt den Kopf etwas zur Seite und spricht leise und sehr undeutlich nette Worte. Die große Brille sieht albern aus. Unpassend zum restlichen zierlichen Körper.
Sie tanzt gerne. Jeden Morgen, wenn ich ihr beim anziehen helfe tanzen wir. Einen kleinen Walzer, einen Discofox - ganz egal. Im Grunde ist es ja doch nur ein durch das Zimmer schunkeln. Diese Tänzchen dauern meist nicht lange. Nichteinmal 2 Minuten. Dafür hält ihr Lächeln den ganzen Tag.

Jeden Morgen das gleiche Ritual. Vorsichtiges Wecken, die morgendliche Hilfe, ein Spritzer Parfüm hier, ein bisschen Parfümlotion dort, die vielen, großen Ketten, ein Halstuch, passend zur Kleidung abgestimmt und ihre Ringe. Mittlerweile ist sie so dünn geworden, dass sie ihre Hände zu einer Faust ballt, um ihre Ringe nicht zu verlieren. Dann geht es zum Frühstück. Je nachdem, wer sich dafür die Zeit nimmt, lächelt sie. In meinem Eiltempo hab ich nach unserer morgendlichen Gemütlichkeit kaum noch Zeit für sie. Es reicht gerade so, um sie an das Mittagessen zu erinnern und ihr den Sessel zum Mittagsschläfchen gemütlich einzustellen. Und dennoch. Sie lächelt mich an und lässt es sich, egal wie sehr ich in Eile bin, nicht nehmen, mich zu umarmen. Dann schunkeln wir zwei, drei Schritte über den Gang und ihre Welt scheint für einen Moment hell erleuchtet, die Demenz nur nebensächlich und der Augenblick unendlich.

Minensie
 
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