Mehr als 1.500 Verhaftungen hat es bisher, nach dem Sturm auf das brasilianische Regierungsviertel gegeben. Besonders prekär wurde die Situation vor allem deshalb, weil die Polizei beim Angriff auf den Kongress, den Obersten Gerichtshof und auch bei jenem auf den Präsidentenpalast, kaum bis gar nicht eingegriffen hat. Zahlreiche Polizeikräfte haben sich sogar zurückgezogen und den Anhänger*innen des Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro, gewähren lassen.
Wer will, kann sich in den sozialen Medien dutzende Videos ansehen, in welchen man sehen kann, dass sich die Polizei teilnahmslos verhielt oder gar zurückzog. Das Nachrichtenportal UOL hat übrigens eine Videozusammenstellung getätigt, auf welchen zu sehen ist, wie Polizisten mit den Angreifenden Selfies macht oder ihnen gar den Weg zeigt. Es war nichts anderes als ein Putschversuch, welcher in Brasilien geschah. Jene Personen, welche das Parlamentsgebäude stürmten und dabei auch zahlreiche Schäden anrichteten, forderten die Inhaftierung des neu gewählten Präsidenten Lula da Silva. Sie forderten außerdem, dass das Militär sie in ihrem Ansinnen unterstützt und Jair Bolsonaro wieder an die Macht kommt.
Obwohl in der brasilianischen Hauptstadt eine Großdemonstration angemeldet wurde, gab es so gut wie keine Sicherheitsvorkehrungen. Man kann getrost davon ausgehen, dass der neue Sicherheitschef des Hauptstadtdistriktes Brasilia, Anderson Torres, er war zuvor Justizminister unter Jair Bolsonaro, den angekündigten Sturm auf das Regierungsviertel, ganz bewusst gewähren ließ. Jedenfalls hat er sämtliche Maßnahmen, welche zum Schutz des Regierungsviertels notwendig gewesen wären, unterlassen.
Rein zufällig war auch Anderson Torres, zum Zeitpunkt der Ausschreitungen nicht in Brasilien. Er befand sich nämlich in den USA, genauer gesagt in Orlando, um sich dort mit seinem Ex-Chef Jair Bolsonaro zu treffen.
Wie lange hat es bis zur Abwehr der Invasion gedauert?
Präsident Lula da Silva forderte die Leibgarde an und gab ihr, gemeinsam mit der Bundespolizei, den Auftrag, die Angriffe auf den Kongress, den Präsidentenpalast und auch den Sitz des Obersten Gerichtshofs abzuwehren. Fünf Stunden dauerte das alles insgesamt. Präsident Lula da Silva kritisierte am Ende die Oberkommandierenden der Streitkräfte für deren Untätigkeit.
Die Bundesregierung setzte danach den rechten Gouverneur von Brasilia, Ibaneis Rocha unter Druck, damit dieser Sicherheitschef Anderson Torres entließ. Nachdem dieses geschehen war, wurde Ibaneis Rocha selbst, vom Obersten Gerichtshof, für 90 Tage seines Amtes enthoben.
Erst am nächsten Tag wurde ein Protestcamp der Anhänger*innen von Jair Bolsonaro, durch ein Großaufgebot von Polizei und Nationalgarde aufgelöst. Insgesamt wurden mehr als 1.500 Personen verhaftet. Es wird ihnen die Beteiligung an einem Putschversuch oder schwerer Landfriedensbruch und der Angriff auf den Rechtsstaat vorgeworfen. In zahlreichen brasilianischen Medien kann man lesen, dass die Festgenommenen von der Reaktion des Staates überrascht waren.
Wie kam es zu dem koordinierten Angriff?
Die Auswertung von Telegram-Gruppen deutet auf 188.000 Nutzer*innen hin, welche von dieser Aktion wussten. Es gab zentral gesteuerte Befehl an einige der rechten Aktivist*innen, welche sich vor Ort befanden. Zu den Zielen gehörte nicht nur die Erstürmung und Besetzung des obersten Gerichtshofes, des Präsidentenpalastes und des Kongresses, sondern auch landesweit die kritische Infrastruktur wie z.B. Straßen oder Tankstellen zu besetzen. Außerdem wollte man mit terroristischen Aktionen einen Aufstand anstacheln. Es gab zudem auch den Versuch, die Raffinerie in Rio de Janeiro zu besetzen. Das wurde allerdings von den Behörden verhindert.
Wie sehr war Ex-Präsident Jair Bolsonaro
in die Pläne eingeweiht?
Es ist selbstverständlich auffällig gewesen, dass er kurz vor der Amtsübernahme von Präsident Lula da Silva, das Land verlassen hat. Er wollte somit den Anschein erwecken, dass er nichts damit zu tun hat. Wenn wir aber ein wenig zurückblicken und ich habe ja bereits in den vergangenen Monaten und Jahren sehr viel über Brasilien und vor allem auch zu Jair Bolsonaro geschrieben, dann stellen wir fest, dass Bolsonaro in der Vergangenheit sehr oft, über die Möglichkeit eines Sturms auf den Kongress, nach dem Vorbild der USA, gesprochen hat – aber eh nur für den Fall, dass er nicht wiedergewählt wird. Ob man ihm irgendetwas nachweisen wird, können?
Die Staatsanwaltschaft ermittelt aber auch gegen rechte Influencer*innen, welche mit einer Reichweite von oftmals weit mehr als einer Million Follower, zum Aufstand und Protest in Brasilia aufgerufen haben.
Ich hoffe sehr, dass man auch in Österreich, genauer gesagt bei den österreichischen Behörden, sehr genau auf die Geschehnisse in Brasilien geblickt hat, denn hier könnte selbiges gewiss auch passieren, wenn es zu einem koordinierten Angriff auf das Parlament, die Hofburg… kommt.