Wieder einmal, wie jeden Montag von November bis Februar kamen mir auf dem Weg zur Universität, wo immer die öffentliche Lesung eines Autors, einer Autorin stattfand, einige Studenten entgegen, andere gesellten sich, als wäre es selbstverständlich dort im Hörsaal zu mir und lauschten den Worten der Lesung. Und so traf ich in der Zeit auf viele Menschen, die mir ihre Gedanken näher brachten und mich mit neuen Gedankenwelten auf den Heimweg schickten. Begegnungen jenseits des Alltags.
Natürlich ist auch so manche Begegnung im täglichen Einerlei eine Bereicherung. Man darf sie nur nicht an sich vorbeilaufen lassen, muß sie im Bewußtsein behalten und sich mit ihr beschäftigen. Allerdings ist das bei den unzähligen in unserem Leben nicht immer möglich.Und nicht jede lohnt eine besondere Beachtung. Außerdem sind es ja nicht immer nur Begegnungen mit Menschen, sondern auch mit Dingen, Wörtern, Gedanken Und so manches nehmen wir zunächst gar nicht wahr, weil wir mit etwas, wie wir glauben, Wichtigerem beschäftigt sind. Und doch sind es oft diese Augenblicke die lohnenswert sind, sich ihnen zu widmen.
Es war Mitte Januar, draußen trübe, wenn auch etwas wärmer, als ich meinen Einkaufsspaziergang gerade beendet und mich schon damit abgefunden hatte, den restlichen Tag zu Hause verbringen zu müssen, als plötzlich die Wolken sich entschlossen, sich einen anderen Ort zu suchen und die Sonne einen immer blauer werdenden Himmel zum Vorschein brachte. Also änderte ich meinen Plan und vereinbarte mit mir, meinen eigentlich im Sommer üblichen Rundgang zu starten. Auf die Bank meiner immer ersten Lesepause schien die Sonne so direkt und wärmend, daß ich nicht widerstehen konnte, mich dort niederzulassen. Zwar hatte ich nichts Lesbares in der Tasche, fühlte mich jedoch wie mitten im Sommer. Irgendwann setzte ich meinen Weg fort und gelangte zu meiner zweiten Station. Auch dort nutzte ich den wunderbaren Nachmittag aus. Erst als die Sonne sich hinter den Häusern senkte, machte ich mich auf den Heinweg. Was für unerwartet herrliche Stunden. Begegnung mit dem Sommer.
Ganz in Gedanken spazierte ich also dahin, als plötzlich ein Auto neben mir hielt, ein Mann mittleren Alters die Schreibe herunterdrehte, mir ein Hallo zurief, einen schönen Tag wünschte und weiter fuhr, ohne mir eine Gelegenheit zur Antwort zu geben. Etwa fünfzig Meter entfernt parkte er an der rechten Straßenseite, stieg aus und machte sich im Innneren seines Autos zu schaffen. Da ich ihn nicht kannte, ging ich ohne ein weiteres Wort vorbei und auch er beachtete mich nicht mehr. Begegnung mit einem freundlichen Unbekannten.
Wie schön hätte dieser Tag enden können, wenn nicht etwa drei Stunden später die Natur sich plötzlich der augenblicklichen Jahreszeit besonnen hätte. Man konnte es nicht glauben, und ich stand fassungslos vor dem Fenster. Da draußen, wo ich noch vor ganz kurzer Zeit in der Sonne gesessen hatte, schneite es. In wenigen Minuten war alles weiß. Begegnung mit dem Winter.
So vielfältig kann also die Natur sein, so vielfältig können die Begegnungen in kurzer Zeit sein. So spannend kann das Leben sein.