Eintrag #9, 20.07.2006, 14:00 Uhr

Begegnung

Manchmal glaube ich, dass es keinen auf dieser Welt gibt, der mich und meine Gedanken versteht. Doch heute wurde ich eines
Besseren belehrt.

Ich befand mich auf dem Weg zu guten Freunden, wie immer per Anhalter. Und wie immer wurde ich ziemlich schnell
mitgenommen. Der Mann am Steuer konnte mich bis zu meinem Ziel mitnehmen, jedoch wolle er noch einen kurzen Zwischenstopp
bei Mc Donalds einlegen. Ok, dann fahren wir eben noch kurz durch den MC Drive, ist mir nur recht.
Als wir dann aber auf dem Parkplatz hielten, wurde mir klar, dass der Mann drinnen essen will. Ich war schon kurz davor
auszusteigen um schonmal weiter zu trampen, als er mir anbot, im Auto zu warten. Es würde nicht lange dauern. Nur grad ein
Fischmäc. Ein wenig erstaunt willigte ich natürlich ein und zündete mir eine Zigarette an. Hier sitze ich nun. In dem Auto
eines völlig Fremden mit einer Zigarette in der Hand. Witzig. Der hat wirklich viel Vertrauen...
Kaum aufgeraucht kommt er auch schon wieder heraus. "Hat es geschmeckt?", will ich wissen. "Oh ja, das tat sehr gut."
"Sie haben ein sehr gefährliches Vertrauen!", fordere ich ihn zu einem Gespräch hinaus. "Warum?" "Sie lassen einen völlig
fremden Menschen in Ihrem Auto sitzen, allein!" Er denkt kurz nach. "Sowas erkenne ich schon in den ersten Sätzen."
Ich schwieg nachdenkend. "Ich habe eine sehr gute Menschenkenntnis. Deswegen weiss ich auch, wem ich vertrauen kann.",
sagte er und in seinen leicht glänzenden, ruhigen Augen vernahm ich dieses Vertraute.
Wir hatten noch ein wenig Fahrt vor uns. Und diese Zeit nutzte der etwa Mitte 30 Jahre alte Mann um mir von seinen
Erfahrungen zu berichten:
"In meinem Leben arbeitete ich mit sehr vielen Menschen zusammen. Da lernt man sie auch zu verstehen. Man muss nur auf
kleinere Zeichen achten. Die Frage >>Wie geht es dir?<< ist eigentlich überflüssig. Man erkennt sofort, wie es dem Menschen
geht. Am Telefon hört man, dass etwas nicht in Ordung ist.
Wenn man fragt, wie es einem geht, erwartet man immer ein >>Mir geht es gut?<<. Keiner erwartet, dass man damit antwortet,
wie schlecht es einem geht. Und das ist auch das Problem vieler. Man sollte sich anderen Menschen anvertrauen. Ihnen sagen,
wenn es einem nicht so gut geht.
Es ist auch eine Frage der Perspektive. Wie man mit seinem Leben umgeht. Ich komme sehr gut zurecht mit meinem Leben.
Und Probleme sind für mich keine Probleme. Sie sind für mich Aufgaben, die ich bewältigen muss. Auch wenn es manchmal hart
ist. Aber man kann nie sagen: >>Jetzt geht es mir gut. Jetzt habe ich mein Leben gemeistert, jetzt kann ich mich
zurück lehnen.<< Denn es gibt immer wieder neue Lebensaufgaben. Auch wenn man mal etwas schwieriges gemeistert hat, kann
immer wieder etwas Neues dazu kommen, etwas noch schwierigeres. Und man sollte auch die Hilfe andere Menschen
in Anspruch nehmen, wenn man es allein nicht schafft.
Das ist das schöne am Leben. Jedes Jahr etwas neues, jedes Jahr neue Aufgaben. Man lernt immer mehr dazu. Das Spannende
ist doch, dass man immer weiser wird. Das Wissen ist der wirkliche Reichtum."
"Ich verstehe Sie sehr gut, ich bin auch sehr wissendurstig", viel mir an mir auf.

Ich denke, ich werde diese Fahrt niemals vergessen. Ein Mensch, der vollkommen auf meinem Level war. Wie, als würde ich
neben mir selber sitzen, nur ein paar Jährchen älter. Und irgendwie hat mir dieser Mann, wessen Name ich noch nicht einmal
kenne, allein durch sein Erzählen Fragen beantwortet, die ich mir schon ewig stellte.
Vielen Dank für diese Begegnung.

(02. 08. 05)
 
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