Eintrag #423, 20.05.2018, 19:59 Uhr

2018-05-01 Ein Ruf im Mai von Wolfgang Held

Wer im Mai abends nach Sonnenuntergang in den Himmel schaut, sieht zwei helle Lichter am Horizont. Eines strahlt vom östlichen Horizont, das andere vom westlichen. Es sind die beiden hellsten Planeten Jupiter und Venus, die am Abendhimmel stehen und mit den hellen Sternen Spica, Regulus und Kastor-Pollux einen weiten Bogen spannen.

 

So ähnlich sich die beiden Planeten in ihrer Helligkeit sind, so verschieden ist doch ihr Licht. Jupiter im Osten strahlt ruhig und herrschaftlich. Venus hingegen leuchtet überschwänglich, als würde sie alles geben.

 

In beinahe allen antiken Sternenmythen und - religionen repräsentiert Venus Schönheit und Liebe und Jupiter Weisheit und Erkenntnis. In diese mythische Sicht fügt sich gut die moderne Astronomie. So gilt nur für Venus, den Planeten der Göttinnen der Liebe und Schönheit, Ishtar und Aphrodite, dass sie eine vollkommen runde Bahn beschreibt und selbst als Planet vollkommen runde Gestalt hat. Andere Planeten - so auch unsere Erde - wandern auf Ellipsen und haben eine mehr oder weniger bauchige Form. Sie weichen also von der idealen Kreisbahn und Kreisgestalt ab. Nur Venus erfüllt die ebenmäßige Form, und nur dieser schönste aller Planeten vehülllt sich durch eine hundert Kilometer mächtige Wolkenatmossphäre.

 

Bei Jupiter ist es vor allem seine reiche Beziehung zur Zahl 12, die seine Verbindung zum Erkennen unterstreicht. So wandert er in 12 Jahren durch den Tierkreis und besitzt beinahe den 12fachen Durchmesser der Erde. Ob die zwölf Geschworenen im Gericht, die zwölf Ritter am Hof von König Artus, die zwölf Stämme im alten Israel oder die zwölf Stunden des Tages - immer ist von einem Ganzen die Rede, wenn es als eine Zwölfheit erscheint. Und es ist der Verstand, der in diesem Sinne das Ganze fassen kann. Es wundert deshalb auch nicht, dass im Alter von zwölf Jahren, also dann, wenn Jupiter einen Umlauf abgeschlossen hat, eben dieser Verstand, diese Abstraktionsfähigkeit erwacht.

 

- Es gibt also auch heute noch gute Gründe, von Venus als Repräsentantin von Schönheit und Gefühl zu sprechen und Jupiter als planetarischen Vertreter des Denkens zu betrachten.

 

Doch wie sieht es mit dem Sternenhintergrund aus? Jupiter steht im Tierkreisbild Waage und damit in einer Sternenregion, die durch ihre Ruhe und Ausgeglichenheit seine Eigenschaft unterstreicht und steigert.

 

Genaus ist es im Westen: Venus befindet sich im Stier, sie wandert zwischen den Hörnern dieses ausdrucksvollen Sternbildes entlang. Auch hier scheint die Sternenregion die Eigenschaft des Planeten zu steigern. Alles, was Venus als Gefühl und Leidenschaft in sich trägt, bekommt im Stier noch einmal einen verstärkten Zug.

 

Was sich so am Abendhimmel im Mai in Ost und West gegenübersteht, das bildet häufig auch in der menschlichen Seele einen Kontrapunkt: Was man fühlt, kann man nicht verstehen - und was man weiß lässt sich kaum mit Gefühl erfüllen. Auch im Leben finden diese Pole nicht leicht zusammen.

 

Und umgekehrt: Wo sie sich finden, wo man das fühlt, was man versteht - und das verstehen kann, wa man fühlt, wo also Herz und Kopf eins werden, da geht ein neuer Himmel auf. Auch diese Konstellation vollzieht sich im Mai, im Monat der Wonne, der Liebe. Zudem erreicht Venus am Abendhimmel den höchsten Stand und ist bis Mitternacht zu sehen. Es ist eine Konstellation, die man abends immer wieder in den Blick nehmen sollte, weil sie im astronomischen Bild die weite Spanne zwischen Gefühl und Erkenen ins Bild bingt, wie ein Ruf, diese Gegensätze in sich zu vereinen.

 

 
 (39) barank
 (37) ulkemein
 (46) klamm
 (??) ich_halt
 (??) thrasea
 (41) satta
 (??) Mehlwurmle
 (61) IgelEi
 (52) Cyberdelicate

... und 323 Gäste
Wer war da?