Auf Bauer Wennes´ Feld wuchsen viele Kartoffeln. Bauer Wennes rieb sich jedesmal vergnügt die Hände, wenn er sie in Augenschein nahm. Er feute sich auf eine gute Ernte.
Wer da aber glaubt, so ein Wachsen und Werden ginge auf dem Kartoffelacker ganz still vonstatten, der irrt sich. Die einen Kartoffeln sind träge und faul und lassen sich mit dem Reifen Zeit, die anderen sind neugierig und schaffen sich Augen an, um nur ja viel von der Welt sehen zu können, die dritten quengeln dauernd herum, daß sie zuwenig Licht und Sonne abkriegen, die vierten klagen über zuviel Feuchtigkeit, die fünften sind eitel und lassen ihr Kraut schießen, wieder andere sind übermütig und legen sich ulkige Warzen und Auswüchse zu.
Restlos zufrieden fühlte sich allein Dicky Knollus. Sie war die schönste und dickste Kartoffel auf Bauer Wennes´ ganzem Feld. Überdies war sie stets fröhlich und gut aufgelegt und nahm die Arbeit des Reifens ganz einfach wie einen Spaß hin.
Dicky Knollus mochten alle gern, und man phrophezeite ihr eine großartige Zukunft. "Papperlapapp", pflegte Dicky dann lachend zu sagen, "mir ist´s wirklich vollkommen gleich, ob ich einmal in einem leckeren Kartoffelsalat, als Püree, als duftende würzige Kartoffelsuppe oder als knusprigen Reibekuchen ende!"
"Oh, Dicky, das solltest du nicht sagen!" lispelte ein sehr feine Knöllchen."Ich beispielsweise werde alles daransetzen, um in Pommes frites verwandelt zu werden und so mein Leben zu beschließen!"
"Im Grunde genommen sind Pommes frites ja auch nicht viel anders als hausbackene Bratkartoffeln", schmunzelt Dicky. "Aber, wie gesagt, mir ist meine Zukunft schnuppe, viel lieber genieße ich jetzt mein Leben, jeden Tag, jede Stunde, jede Minute!"
"Dicky hat recht!" riefen da alle Knollenmänner und Knollenfrauen. "Dicky ist ein echter Lebenskünstler. Hoch lebe unsere kluge Dicky!"
Dann kam die Ernte. Alle Kartoffeln wurden ausgebuddelt, sortiert, kamen in Säcke und traten eine weite Reise an. Wieder waren die meisten unzufreiden und fanden es in dem engen Sack schrecklich. Und wieder siegte Dickys Vorbild an guter Laune, "Nur nicht ärgern", sagte sie, "dann kriegen wir vorzeitig Runzeln oder Faulstelle; Humor, meine Herrschaften, Humor ist das A und O."
In einem großen Lagerhaus gab es mehrere Wochen Ruhe. Dann wurden die Säcke nach und nach verladen, abgeholt und verkauft. Dicky Knollus landete mit einem ganzen Zentner bei Familie Krause. Bevor sie und ihre Gefährten in den Keller gebracht wurden, nahm Vater Krause im Hof die einzelnen Knollen sorgfältig in Augenschein. Keine fehlerhafte, kranke Kartoffel, die so leicht die anderen, gesunden hätte anstecken können, sollte in den Keller wandern. Hannes und Heike halfen ihm bei der Arbeit. Und damit es nicht gar so langweilig wurde, erzählte Vater Krause aus seiner Jugendzeit. "Wir haben uns früher immer ein Vergnügen daraus gemacht, uns ein paar Kartoffeln aus dem Wintervorrat herauzusuchen und sie als Kasperlepuppen herauszuputzen. Kinder, das war eine Gaudi!"
"Das machen wir auch!" riefen Heike und Hannes begeistert. Und sofort hielten sie Ausschau nach geeigneten Kartoffeln. Dicky Knollus gefiel ihnen am besten. "Sie sieht richtig lustig aus", meinte Heike, und Hannes sagte: "Sie und keine andere wird das Kasperle!"
Und so geschah´s. Dicky wurde mit dem Schälmesser bearbeitet, erhielt Augenhöhlen und eine geschnitzen Mund. Sie bekam eine Mohrrübe als Nase eingezapft. Ein feiner roter Puppenlappen aus Heikes Kramkiste wurde zum prächtigen Gewand. Dicky war sehr angetan davon - und geriet erst richtig aus dem Häuschen, als sie merkte, wwas für eine herrliche Rolle man ihr zugedacht hatte. Jeden Tag durfte sie Theater spielen, Späße machen, viel lachen und der Held der aufregendsten und lustigsten Abenteuer sein. Vier Wochen ging es so. Leider war Dicky dann so unansehnlich, daß Mutter Krause sie auf den Abfallhaufen im Garten warf.
Dort wurde sie von Mumpy gefunden, dem geplagten Mäusevater mit der hungrigen Kinderschar. er schleppte Dicky als Abendbrot heim zu seiner Familie Dickys Prachtgewand bekam Mäusemutter Pieps als weiches Polster für ihr Nest.
Als die Mäusekinder Dicky, die mit ihrem Schicksal wieder einmal vollauf zufrieden war, anknabberten, piepste das jüngste Mäuslein: "Sie schmeckt zwar nicht mehr ganz so frisch, aber sie sieht so ulkig aus, daß man sie einfach zum Fressen gern haben muss!"
Das waren die letzten Worte, die Dicky Knollus vernahm - und sie machten sie sehr glücklich!