2016-05-10 Die Lerche und ihre Jungen von A.F.E. Langbein

Hoch wallte das goldene Weizenfeld

und baute der Lerche ein Wohngezelt.

Sie flog einst früh in Geschäften aus

und kam erst am Abend wieder nach Haus.

Da rief der Kindlein zitternde Schar:

"Ach Mutter, wir schweben in großer Gefahr!

Der Herr dieses Feldes, der furchtbare Mann,

ging heut´mit dem Sohn hier vorbei und begann:

Der Weizen ist reif, die Mahd muß geschehn,

geh, bitte die Nachbarn, ihn morgen zu mähn."

"Oh", sagte die Lerche, "dann ist es noch Zeit;

Nicht flugs sind die Nachbarn zu Dienste bereit."

Drauf flog sie des folgenden Tages aus

und kam erst am Abend wieder nach Haus,

da riefen der Kindlein zitternde Schar:

"Ach Mutter, wir schweben in neuer Gefahr!

Der Herr des Feldes, der furchtbare Mann,

ging heut mit dem Sohn hier vorbei und begann:

Uns ließen die treulosen Nachbarn im Stich;

Geh rings nun zu unseren Verwandten und sprich:

Wollt ihr meinem Vater recht wohlgemut sehn,

so helfet ihm morgen sein Weizenfeld mähn!"

"Oh", sagte die Lerche, "dann ist es noch Zeit;

Nicht flugs ist die Sippschaft zur Hülfe bereit."

Drauf flog sie des folgenden Tages aus

und kam erst am Abend wieder nach Haus.

Da rief der Kindlein zitternde Schar:

"Ach Mutter, wir schweben in höchster Gefahr!

Der Herr des Feldes, der furchtbare Mann,

ging heut mit dem Sohn hier vorbei und begann:

Uns ließen auch unsre Verwandten im Stich;

Ich rechne nun einzig auf dich und mich.

Wir wollen, wenn morgen die Hähne krähn,

selbander uns rüsten den Weizen zu mähn."

"Ja", sagte die Lerche, "nun ist´s an der Zeit;

Macht schnell euch, ihr Kinder, zum Abzug bereit!

Wer Nachbarn und Vettern zur Arbeit vertraut

dem wird nur ein Schloß in die Luft hin gebaut;

Doch uner dem Streben der eigenen Hand

erblüht ih des Werkes vollendeter Stand."

Die Lerche entfloh mit den Kindern geschwind,

und über den Stoppeln ging tags drauf der Wind.