Es ist wohl schon an die tausend Jahre oder länger her, als sich diese Geschichte zutrug. Damals lebte in dem Lande Irgendwo die Zauberin Katinka Fixefax. Sie war eigentlich keine böse Zauberin und betrieb ihr Handwerk mehr zum Spaß. Trotdem gingen ihr die Menschen und die Tiere gern aus dem Weg, denn man weiß ja nie recht, ob eine Zauberin, die einem die schönsten und lustigsten Dinge vorzaubert, nicht eines Tages ihren Sinn wechselt und schlimme Streiche ausheckt.
Katinka Fixefax machte sich nicht viel daraus, daß man sie mied. Sie hatte vollauf genug mit ihren hundert seidensilbrigen Kätzchen, die ihre Freunde und Hausgenossen waren und sich bei ihr wohl fühlten. Das war kein Wunder, denn Katinka hielt sie wie ihre Kinder.
Nur auf eines achtete Katinka Fixefax streng: Sobald das Laub von den Bäumen fiel und der Winter ins Land kam, mußten die Kätzchen das Haus hüten und durften keinen Sprung mehr vor die Tür wagen. Natürlich maulten die kleinen Katzen über diesen Stubenarrest sehr, denn sie tollten gar zu gern in dem großen Garten der Zauberin herum. Doch kein noch so klägliches Protestmiauen half ihnen, ihre Gebieterin umzustimmen. Sie bekamen ihre Freiheit erst wieder, wenn sich die ersten warmen Frühlingssonnenstrahlen zeigten.
Da aber Katzen von Natur aus sehr neugierig sind, fragten sie sich oft untereinander, was es denn wohl mit dem Hausarrest für eine Bewandtnis habe. Miezel, das kleinste Kätzchen, fand endlich einen triftigen Grund. "Katinka will uns nicht hinauslassen, weil sie fürchtet, wir würden draußen den vielen Zucker aufschlecken", sagte es und wies mit seiner rechten Vorderpfote auf den Schnee, den es draußen erspäht hatte und den es für köstlichen, süßen Zucker hielt.
"Miau, Miau" riefen alle anderen Katzen. Und das hieß in der Katzensprache:"Miezel, du hast es erraten!"
Weil aber alle hundert Kätzchen richtige Naschkatzen waren, wurden ihre Sehnsucht nach dem verbotenen winterlichen Garten nur noch stärker. Und mehr denn je trachteten sie danach, ihrer Herrin einmal zu entwischen und sich an der weißen süßen Pracht, die sich so verlockend und reichlich vor ihnen ausbreitete, zu laben.
Eines Abends legte sich Katinka Fixefax frühzeitig schlafen. Sie hatte für den nächsten Morgen eine besonders anstrengende Zauberei vor und wollte sich darum ausruhen.
Aber o weh, beim Holzholen hatte sie vergesssen, den großen Rigel wieder vor die Tür zu schieben. Miezel, der Pfiffikus, entdeckte sogleich das Vesehen und miaute fröhlich:" Die Gelegenheit ist günstig, wir können einen Ausflug wagen!" Die anderen neunndneunzig Kätzcheen waren sofort einverstanden.
Wie eine Geisterschar stob die ganze Katzengesellschaft auf leisen Sohlen hinaus.
Dort draußen bekamen die hundert Kätzchen allerdings einen riesengroßen Schrecken, denn der weiße Leckerbissen, der sie zum Ungehorsam verleitet hatte, fuhr ihnen kalt und beißend in die Pfoten und zwickte und zwackte sie.
Schon wollten sie nach ein paar Sprüngen reumütig umkehren. Doch zu ihrem Kummer stellten sie fest, daß bei ihrem Aufbruch die Tür zugeschlagen war und sie keinen Einlaß mehr in das behagliche warme Zauberhäuschen fanden. Sie froren jämmerlich und flüchteten in ihrer Not schutzsuchend auf einen nahen Weidenbusch.
Eben hatten sie dicht nebeineinander Platz genommen, um sich so gegenseitig ein wenig zu wärmen, da wurde Katinka Fixefax wach. Und weil sie das gewohnte Schnurren ihrer Katzenkinder vermißte, sprang sie aus dem Bett und lief vor die Tür. Da sah sie im Vollmondschein ihre hundert Kätzchen im Weindenbusch hängen.
Sie wurde sehr zornig. Wütend schwang sie ihren Zauberstab und schrie:" Ihr undankbaren Nichtsnutze! Ich werde es euch schon lehren, was es heißt, wider meinen Willen zu handeln. Zur Strafe sollt ihr da droben hocken bleiben und alle Jahre wieder sollt ihr aufs neue euer selbsverschuldetes Los zu spüren bekommen, sollt frieren und euch graulen!"
Und so ist´s geblieben bis auf den heutigen Tag. An den Weidenbüschen blühen die silbernen Kätzchen immer zu der Zeit wenn der Winter sich zum endgültigen Abzug anschickt und der Frühling sich zum Einzug rüstet.