Mehrheit der Deutschen nutzt Pflegeberatung aus Unwissenheit nicht
Wird ein Familienmitglied zum Pflegefall, müssen die Angehörigen binnen kurzer Zeit viele Entscheidungen treffen. Welche Versorgung ist die beste für den Pflegebedürftigen, wo soll er wohnen und wer zahlt dafür? Für solche Fragen steht Bürgern eine unabhängige Pflegeberatung zu. Doch eine neue Umfrage zeigt: Rund 60 Prozent der Deutschen wissen nichts von ihrem Recht.
Eine aktuelle Bevölkerungsumfrage des Zentrums für Qualität und Pflege (ZQP) fördert ein erstaunliches Ergebnis zutage: Nur 38 Prozent der Befragten kennen ihr Recht, eine unabhängige und kostenlose Pflegeberatung in Anspruch zu nehmen. Das Hilfsangebot richtet sich in erster Linie an Angehörige, die in ihrer Familie einen akuten Pflegefall haben. Viele Menschen sind mit den zahlreichen notwendigen Entscheidungen überfordert und wissen nicht, welche Möglichkeiten es für die Pflege ihrer Familienmitglieder gibt. Der ZQP-Vorstandsvorsitzende Ralf Suhr fordert deshalb Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) auf, der Pflegeberatung eine zentralere Rolle in der Politik zu verschaffen.
Pflegeberatung: Diese Hilfestellung gibt es für Angehörige
Seit dem 1. Januar 2009 hat jeder Bürger in Deutschland einen rechtlichen Anspruch auf eine unabhängige und kostenfreie Pflegeberatung. Sie soll die Familie entlasten und mögliche Optionen aufzeigen, die Angehörige bei der Versorgung des pflegebedürftigen Familienmitglieds haben. Wie wichtig dieses Angebot ist, zeigen die Ergebnisse der ZQP-Studie. So fühlen sich drei Viertel der Befragten "weniger gut" oder "schlecht" darüber informiert, welche Ansprüche der gesetzlichen Pflegeversicherung Pflegebedürftige haben. Das Beratungsbedürfnis ist dabei allerdings sehr hoch. So haben 76 Prozent der Teilnehmer gesagt, dass sie gern selbst entscheiden wollen, wie ihre Angehörigen im Ernstfall versorgt werden.
Pflegeberatung ist erwünscht
Aus den Ergebnissen der Umfrage geht hervor, dass eine Pflegeberatung von 57 Prozent der Befragten für notwendig gehalten wird und auch gewünscht ist. Dennoch kennen rund 71 Prozent der Deutschen keine Beratungsstelle in ihrer Nähe. Warum der Zugang zu Beratungsangeboten derzeit noch den meisten Menschen unbekannt ist, kann die Studie nicht erklären. Kritiker wie die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg, haben allerdings eine klare Vorstellung, wer die Verantwortung hierfür trägt. Da die Pflegeberatung häufig bei den Pflegekassen angesiedelt ist, liegen die Entscheidung über die Leistungsvergabe und die Beratung in einer Hand, sagt sie der Süddeutschen Zeitung (SZ).
Pflegeberatung: "Gute Beratung sichert die Qualität der Versorgung der Menschen"
Die Ergebnisse der Studie bezeichnet Suhr als "nicht hinnehmbar". Denn eine gute Beratung hilft auch dabei, die Qualität der Versorgung insgesamt zu verbessern. Er fordert deshalb die Politik dazu auf, die Pflegeberatung besser nach außen zu kommunizieren. Als gute Möglichkeit für dieses Vorhaben sieht Suhr das zweite Pflegestärkungsgesetz, das voraussichtlich 2017 in Kraft treten soll. Der Gesetzentwurf sollte nach Suhr durch einen Teil ergänzt werden, der sich der Pflegeberatung widmet - oder gar "eine zentrale Rolle spielt". Eine Ministeriumssprecherin sagte gegenüber der SZ bereits, dass an Verbesserungen gearbeitet wird - unklar ist allerdings wie.
