[Ethik] "Die Stachelschweine" Schopenhauer

mr.VVoo

PUNKT.
ID: 96656
L
4 Mai 2006
140
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Arthur Schopenhauer
Die Stachelschweine​

Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich en einem kalten Winterrage recht nah zusammen, um sich durch die gegenseitige Wärme vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln, welches sie dann wieder von einander entfernte. Wann nun das Bedürfnis der Erwärmung sie wieder näher zusammenbrachte, wiederholte sich jenes zweite Übel, so da? sie zwischen beiden Leiden hin und her geworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung voneinander herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten.

So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab. Die mittlere Entfernung, die sie endlich herausfinden, und bei welcher ein Beisammensein bestehen kann, ist die Höflichkeit und feine Sitte. Dem, der sich nicht in dieser Entfernung hält, ruft man in England zu: keep your distance! - Vermöge derselben wird zwar das Bedürfnis gegenseitiger Erwärmung nur unvollkommen befriedigt, dafür aber der Stich der Stacheln nicht empfunden.

Wer jedoch viel eigene, innere Wärme hat, bleibt lieber aus der Gesellschaft weg, um keine Beschwerde zu geben, noch zu empfangen.

:arrow: Meine Aufgabe: Hältst du "Keep Your Distance!" für eine richtige Lebenseinstellung? Begründe, indem du dich auf diesen Text beziehst!

:arrow: Mein Problem? Kann mir mal jemand die Lebenseinstellung beschreiben? Ich versteh das so: Man will nicht, dass einer einem zu nahe kommt, aber man will Nähe. Man will also Nähe, aber trotzdem eine Privatsphäre. :arrow: Das ist für mich aber keine Lebenseinstellung, sondern eher eine Feststellung für die Gesellschaft. Sozusagen eine Verhaltensweise.

Kann mir hier jemand helfen? Hat jemand so eine (sinnfreie) Aufgabe schon mal gehabt?
 
Naja, soweit ist das schon richtig, aber das Wichtige ist hier nicht nur die Privatsphäre (andere sollen nicht so viel mitbekommen), sondern die Fehler der anderen (welche auch immer, vielleicht Weltanschauung, polit. Gesinnung, Hobbys, Dummheit...) , welche andere z.B. als Freunde, Geschäftspartner, etc. nicht in Frage kommen lassen. Um diese Fehler nicht so auf die Ebene zu heben, dass diese als abstoßender Faktor wirken, schaffen die Höflichkeit und feine Sitte nun Distanz, Fehler und schlechte Eigenschaften werden durch diese fehlende Direkt- und Offenheit erträglicher gestaltet. Umgekehrt: Die Wahrung der Privatsphäre schützt vor Kritik der anderen.
Ich denke schon man den Grundsatz "Keep Your Distance!" als Lebenseinstellung sehen kann, man muss ihn nur auf sich selber beziehen und nicht als Beschreibung für Individuen einer Gesellschaft sehen. Also sich z.B. klar werden, dass/ob man sich mit dem Arbeitgeber z.B. nicht so unterhält wie mit guten Freunden und mit diesen nicht wie mit der Ehefrau, etc.. Die Begründung könnte bei Bejahung so ausfallen: Man will weder Fehler machen, die einem Kritik und evtl. wieder weniger Nähe einbringen könnten, noch die Fehler der anderen mitbekommen, sich von alleine distanzieren und auch wieder weniger Nähe erfahren.
Das soll nur eine klein Stütze sein, dürfte im Kern aber richtig sein...
 
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