Grundrechtecharta und eure Meinung

seg98

Well-known member
ID: 317811
L
3 Juli 2008
75
5
Hallo,
ich würde gerne mal wissen, was ihr von der Grundrechtecharta haltet. Sinnvoll ? Was sollte verbessert werden ?

Eure Kommentare würde ich gerne für meinen Vortrag nehmen. Bitte gibt eure Erlaubnis in eurem Post. Es werden nur die Kommentare vorgelesen - KEINE Usernamen oder sonstige Infos über euch! Danke euch im Vorraus für eure Erlaubnis.

Außerdem:
Leider finde ich nirgends im Internet (auch nicht unter Google), was für Arbeitnehmer und -geber im Grundrechtecharta steht.

Ich würde mich sehr freuen und wäre euch sehr Dankbar, wenn ihr was gefunden habt oder selbst es wisst und mir es erklären könntet.

Bedanke mich im Vorraus sehr bei euch.

Mfg seg98
 
Welche Charta meinst du? Die der EU, die der UN?

In der der EU findet man z.B. folgendes zum Thema Arbeit:

Kapitel I schrieb:
Artikel 5
Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit
(1) Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden.
(2) Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.
(3) Menschenhandel ist verboten.

Kapitel II schrieb:
Artikel 15
Berufsfreiheit und Recht zu arbeiten
(1) Jede Person hat das Recht, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf
auszuüben.
(2) Alle Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben die Freiheit, in jedem Mitgliedstaat Arbeit zu
suchen, zu arbeiten, sich niederzulassen oder Dienstleistungen zu erbringen.
18.12.2000 DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 364/11
(3) Die Staatsangehörigen dritter Länder, die im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten arbeiten dürfen,
haben Anspruch auf Arbeitsbedingungen, die denen der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger entsprechen.

Artikel 16
Unternehmerische Freiheit

Die unternehmerische Freiheit wird nach dem Gemeinschaftsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften
und Gepflogenheiten anerkannt.

Kapitel III schrieb:
Artikel 21
Nichtdiskriminierung

(1) Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen
oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung,
der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des
Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind verboten.

Artikel 23
Gleichheit von Männern und Frauen

Die Gleichheit von Männern und Frauen ist in allen Bereichen, einschließlich der Beschäftigung, der
Arbeit und des Arbeitsentgelts, sicherzustellen.
Der Grundsatz der Gleichheit steht der Beibehaltung oder der Einführung spezifischer Vergünstigungen
für das unterrepräsentierte Geschlecht nicht entgegen.

Artikel 26
Integration von Menschen mit Behinderung

Die Union anerkennt und achtet den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur
Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme
am Leben der Gemeinschaft.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Quelle: https://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf

Text der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen:

https://www.ohchr.org/EN/UDHR/Pages/Language.aspx?LangID=ger
 
Die Menschenrechte? Eine Sammlung von Forderungen mit Universalitätsanspruch (den sie freilich nicht erfüllen können). Wenn man böse wäre könnte man sie auch als neokolonial bezeichnen.

Warum sie dennoch in höchstem Maße sinnvoll, erstrebens- und verteidigenswert sind? Steht in deren Präambel.
 
Die vordringlichste Frage zur Grundrechtscharta ist nicht, ob sie sinnvoll ist, sondern, warum sie nötig ist.

Man sollte doch glauben, dass die Menschheit nach 2000 Jahren in der Lage sein müsste, jedem einzelnen ein Mindestmaß an Freiheiten zuzugestehen.
 
Die Menschenrechte? Eine Sammlung von Forderungen mit Universalitätsanspruch (den sie freilich nicht erfüllen können). Wenn man böse wäre könnte man sie auch als neokolonial bezeichnen.
Derartige Aussagen hört man oft. Oft, auch wenn ich dir dies nicht unterstellen will, dienen sie der Legitimation von Verbrechen, die im Namen bestimmter Kulturen und Religionen begangen werden, beispielsweise der Unterjochung der Afghanen durch die Taliban und deren Auslegung der Scharia. Doch was sind Menschenrechte? Meines Erachtens essenzielle Grundrechte wie die auf Freiheit, körperliche Unversehrtheit und die Früchte der eigenen Arbeit. Kein Mensch, egal wo er lebt, darf von einem anderen versklavt, verletzt oder bestohlen werden. Diese Rechte gelten für jeden Menschen, egal ob sie ihm von einem Staat oder einer anderen Autorität gewährt werden oder nicht - allein durch seine Existenz hat er einen Anspruch darauf. Jeder Mensch erwartet, dass andere ihm diese Rechte gewähren, woraus sich selbstverständlich eine Verpflichtung seinerseits ergibt, sie auch anderen zu gewähren. Daraus leitet sich ganz einfach die Universalität der Menschenrechte ab.
 
@GeneralTao

Naja, die Menschenrechte sind Ausdruck einer auf das Individuum, das "Ich" zentrierten Gesellschaftsorganisation. Das ist eine Art Gesellschaften zu organisaieren - aber sicher nicht die einzige. Die Frage wann etwas gerecht ist und wann ein Verbrechen, wird sich mangels absoluster Distanz, die das entscheiden könnte, nicht beantworten lassen. Gerechtigkeit wird immer Teil einer gesellschaftlichen Erzählung sein, die aber nie die absolute Wahrheit für sich beanspruchen kann.
 
Naja, die Menschenrechte sind Ausdruck einer auf das Individuum, das "Ich" zentrierten Gesellschaftsorganisation. Das ist eine Art Gesellschaften zu organisaieren - aber sicher nicht die einzige.
Der Ausdruck "Gesellschaftsorganisation" klingt für mich nach Kollektiv, nach Zentralplanung, Alleinherrschaft und Unterdrückung. Einer oder einige wenige - ein König, ein Diktator, der Adel, "Die Partei" - organisieren die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen über die Köpfe aller anderen hinweg. Gesellschaften können meines Erachtens nicht "organisiert" werden, dafür sind sie viel zu komplex - sie entstehen und entwickeln sich spontan, von selbst.

Was ein Verbrechen ist, ist meiner Meinung nach leicht beantwortet: Nämlich eine Handlung eines Menschen an einem anderen Menschen gegen dessen Willen. Alles, was Gewalt und Zwang beinhaltet und nicht zur Selbstverteidigung oder der Abwehr noch größeren Unrechts geschieht, ist ein Verbrechen. Wenn du jedoch schreibst
Die Frage wann etwas gerecht ist und wann ein Verbrechen, wird sich mangels absoluster Distanz, die das entscheiden könnte, nicht beantworten lassen. Gerechtigkeit wird immer Teil einer gesellschaftlichen Erzählung sein, die aber nie die absolute Wahrheit für sich beanspruchen kann.
dann klingt das für mich nach einer Relativierung dieser meines Erachtens universellen Wahrheit.
Daher meine Gegenfrage: Ist es deines Erachtens vom von der Gesellschaft, in der ein Mensch lebt, abhängig, ob an ihm verübte Handlungen Verbrechen sind oder nicht? Gibt es deines Erachtens Gesellschaften, in denen z.B. Ehrenmord, Genitalverstümmelung, Zwangsehen und Unterdrückung von Frauen oder Homosexuellen akzeptabel sind, da sie von den gesellschaftlichen Konventionen gefordert werden und die bestehende Gesellschaftsordnung möglicherweise sogar auf ihnen basiert?

Zusätzlich noch zwei allgemeine Fragen:
Wie definierst du Gesellschaft? Wie grenzt sich eine Gesellschaft deines Erachtens von einer anderen ab?
 
Ist es deines Erachtens vom von der Gesellschaft, in der ein Mensch lebt, abhängig, ob an ihm verübte Handlungen Verbrechen sind oder nicht?

Nein.

Gibt es deines Erachtens Gesellschaften, in denen z.B. Ehrenmord, Genitalverstümmelung, Zwangsehen und Unterdrückung von Frauen oder Homosexuellen akzeptabel sind, da sie von den gesellschaftlichen Konventionen gefordert werden und die bestehende Gesellschaftsordnung möglicherweise sogar auf ihnen basiert?

Leider ja und es wird nicht besser sondern schlimmer.
 
@komerzhasi
Ich stimme dir zu, doch die Frage richtete sich spezifisch an GelberKaefer. Ich scheine mich zudem missverständlich ausgedrückt zu haben: Als ich schrieb
GeneralTao schrieb:
Gibt es deines Erachtens Gesellschaften, in denen z.B. Ehrenmord, Genitalverstümmelung, Zwangsehen und Unterdrückung von Frauen oder Homosexuellen akzeptabel sind, da sie von den gesellschaftlichen Konventionen gefordert werden und die bestehende Gesellschaftsordnung möglicherweise sogar auf ihnen basiert?
dann meinte ich nicht, ob es Gesellschaften gibt, in denen derartiges stattfindet - das ist ja leider eine Tatsache, auch wenn ich bezweifle, dass die Menschen es wirklich "akzeptieren"; die meisten haben wohl eher Angst, sich aufzulehnen. Doch mit meiner Frage meinte ich vielmehr, ob GelberKaefer glaubt, dass Recht oder Unrecht derartiger oder anderer Handlungen von der Gesellschaft abhängen, in der sie geschehen, und ob dies von Menschen, die keine Mitglieder dieser Gesellschaft sind, toleriert werden sollte.
 
Der Ausdruck "Gesellschaftsorganisation" klingt für mich nach Kollektiv, nach Zentralplanung, Alleinherrschaft und Unterdrückung. Einer oder einige wenige - ein König, ein Diktator, der Adel, "Die Partei" - organisieren die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen über die Köpfe aller anderen hinweg. Gesellschaften können meines Erachtens nicht "organisiert" werden, dafür sind sie viel zu komplex - sie entstehen und entwickeln sich spontan, von selbst.

Da stimme ich zu. Ungeachtet dessen sind fast alle Gesellschaften irgendwie verfasst. Formal in Form von Gesetzen (und eben Grundrechten) oder weniger formal über allgemein akzeptierte Sitten und Bräuche. Wenn eine große Anzahl von Menschen in einem komplexen Wirtschafts- und Sozialsystem zusammenleben will, wird es wohl unumgänglich sein Regeln des Zusammenlebens zu definieren. Damit ist nicht gesagt ob das durch einen Diktator oder durch einen demokratischen Prozess passiert. Das meine ich wenn ich von Gesellschaftsorganisation rede.

Daher meine Gegenfrage: Ist es deines Erachtens vom von der Gesellschaft, in der ein Mensch lebt, abhängig, ob an ihm verübte Handlungen Verbrechen sind oder nicht? Gibt es deines Erachtens Gesellschaften, in denen z.B. Ehrenmord, Genitalverstümmelung, Zwangsehen und Unterdrückung von Frauen oder Homosexuellen akzeptabel sind, da sie von den gesellschaftlichen Konventionen gefordert werden und die bestehende Gesellschaftsordnung möglicherweise sogar auf ihnen basiert?

Ja. Es geht dabei ja nicht darum ob ich diese Dinge gut oder schlecht finde. Ich relativiere sie auch nicht wirklich. Ich sage nur, dass es keine Instanz gibt, die entscheiden könnte ob etwas objektiv richtig oder objektiv falsch ist. Ich denke es ist wichtig diese Feststellung zu machen. Denn damit muss jeder für sein eigenes Handeln Verantwortung übernehmen und kann sich nicht auf eine (vermeindlich) absolute Distanz berufen - egal ob es nun die Menschenrechte, die Sharia oder die Bibel ist.

Das Problem ist ja folgendes: auch ich wurde in dieser Gesellschaft sozialisiert und halte die Menschenrechte und überhaupt eine freiheitliche Grundordnung sowie die Möglichkeit zur freien Entfaltung jedes Einzelnen für vollumfänglich richtig. Nur wird jemand der einen Ehrenmord verübt ebenfalls keine Bedenken bezüglich der moralischen Richtigkeit seines Handelns haben. Jetzt kann ich mit demjenigen diskutieren und ihm klar machen, dass sein Handeln falsch ist - ich habe dazu allerdings nichts als die Menschenrechte als Argument, die ich mir ja selber ausgedacht habe. Und die behandeln das Themenfeld "Ehre" gar nicht.
Es kommt mir seltsam vor, die in diesem Moment herrschende Gesellschaftsordnung als universell geltend anzunehmen. Schließlich tun dies die meisten Gesellschaftsordnungen und auch das "westeuropäische" Wertesystem war schon diversen Wandlungen unterworfen im Laufe der Geschichte. Ich bin mir sicher wir werden uns noch weiterentwickeln und Praktiken die heute selbstverständlich sind irgendwann strikt ablehnen. Schon die Auslegung der heute geltenden Meinung ist überall unterschiedlich. In Amerika ist es rechtens Menschen zu töten. Hier kann auch der letzte Kinderschänder seinen Lebensabend in vom Staat finanzierten Einrichtungen verbringen. Ich weiß nicht was angemessener ist. Von absoulten Wahrheiten aber sollte man sich eher verabschieden. Damit macht man es sich zu einfach.

Zusätzlich noch zwei allgemeine Fragen:
Wie definierst du Gesellschaft? Wie grenzt sich eine Gesellschaft deines Erachtens von einer anderen ab?

Naja, ich würde Gesellschaft in erster Linie über gemeinsame soziale Praktiken definieren. Abgrenzungen sind schwierig und Übergänge fließend ;).
 
[...]
Was ein Verbrechen ist, ist meiner Meinung nach leicht beantwortet: Nämlich eine Handlung eines Menschen an einem anderen Menschen gegen dessen Willen. Alles, was Gewalt und Zwang beinhaltet und nicht zur Selbstverteidigung oder der Abwehr noch größeren Unrechts geschieht, ist ein Verbrechen.
[...]
Gibt es deines Erachtens Gesellschaften, in denen z.B. Ehrenmord, Genitalverstümmelung, Zwangsehen und Unterdrückung von Frauen oder Homosexuellen akzeptabel sind, da sie von den gesellschaftlichen Konventionen gefordert werden und die bestehende Gesellschaftsordnung möglicherweise sogar auf ihnen basiert?
[...]
Ich finde, das sind sehr interessante Punkte.

Eine Frage zum ersten Punkt: Ist Wehrpflicht ein Verbrechen?

Der erste Punkt hat so viele Wenn und Aber, dass es schön dehnbar wird - auch für die Justiz eines Landes. Denn in einer Diktatur ist die Inhaftierung der Kritikern und (friedlichen) Demonstraten gängige Praxis. Das läuft dann unter "Abwehr noch größeren Unrechts". Was Unrecht ist und was nicht, legt nämlich der Staat und dessen (gewählte Volks-) Vertreter fest, nicht etwa der gesunde Menschenverstand oder das Rechtsempfinden.

Was uns zum zweiten Punkt bringt. Ich bin der Ansicht, dass eine Gesellschaft selbst bestimmen muss, wie sie leben will. Und das völlig unabhängig von dem, was ich, wir oder sonstwer für richtig oder falsch hält. Allerdings immer unter der Prämisse, dass andere Lebensweisen und Gesellschaften davon unangetastet bleiben. Was eben auch Kriege (auch und gerade von den USA bezeichnete "Präventivkriege") ausschließt, weil das Gesellschafts- und Religionsmodell des anderen nicht in das eigene passt.

Was ich persönlich für richtig und was ich für verrückt halte, ist dabei doch völlig unerheblich. Die Natur wird schon "entscheiden", wer oder was das Recht hat zu überleben und was nicht. Und ich bin mir ganz sicher, dass wir mit unserer modernen überzüchteten Wegwerfgesellschaft, die um jeden Preis ihren Willen auch gegen die Natur bekommen will, nicht besonders hoch im Kurs stehen. Denn der Mensch erinnert mich mit seinem Gebaren eher an einen Parasiten als an ein hoch entwickeltes Lebewesen.

Daher käme ich persönlich auch nie auf die Idee, einem anderen Volk seine Lebensweise vorzuwerfen. Sollen andere ruhig einen anderen Weg einschlagen. Vielleicht ist der auf lange Sicht besser als unserer, vielleicht nicht. Ich bin nicht so arrogant zu behaupten, dass eine Lebensweise, Staatsform oder Religion besser oder richtiger ist als eine andere. Ich kann nur entscheiden, wie ich leben will, und nicht wie andere leben sollen.

Und da Du populäre Themen aufgreifst, wie Unterdrückung von Minderheiten, Patriachat und Ehrenmorde: Das ist auch nach meinen Maßstäben Unrecht. Allerdings sehe ich auch, wo uns die moderne Emanzipation, Moral- und Sittenverfall hinführen könnte (und meiner Ansicht nach unweigerlich wird). Weil eben der Mensch nie das richtige Maß findet. Der Mensch rutscht leider immer wieder in ein Extrem ab. Wie ein Kind, das die Grenzen austesten muss. Daher kann ich gar nicht allgemein sagen, dass meine (unsere) Lebensweise die bessere ist. Ich kann nur sagen, dass ich mich hier augenblicklich wohler fühle als woanders.
 
Naja, ich würde Gesellschaft in erster Linie über gemeinsame soziale Praktiken definieren. Abgrenzungen sind schwierig und Übergänge fließend ;).
Ich stimme zu, und genau das sehe ich als einen der entscheidenden Widersprüche des Werterelativismus.

Damit ist nicht gesagt ob das durch einen Diktator oder durch einen demokratischen Prozess passiert.
Macht es denn einen Unterschied, wie und von wem es beschlossen wird? Das Problem mit demokratischen Entscheidungen ist doch, dass die Minderheit irgendwie vor der Willkür der Mehrheit geschützt werden muss. Ich halte etwas jedenfalls nicht per se für legitim, nur weil eine Mehrheit es beschlossen hat. Denn da stellt sich wieder die Frage nach der Definition und den Grenzen einer Gesellschaft: Die Mehrheit von was hat etwas beschlossen? Und warum sollte die Entscheidung einer Mehrheit überhaupt irgendetwas legitimieren?

Ja. Es geht dabei ja nicht darum ob ich diese Dinge gut oder schlecht finde. Ich relativiere sie auch nicht wirklich. Ich sage nur, dass es keine Instanz gibt, die entscheiden könnte ob etwas objektiv richtig oder objektiv falsch ist.
Wenn du sagst, dass sie unter bestimmten Umständen zulässig sein können, auch ohne die Einschränkung, dass sie der Abwehr größeren Unheils dienen müssen, dann sehe ich dies durchaus als Relativierung.
Mir geht es auch nicht darum zu sagen, dass bestimmte Handlungen objektiv richtig oder falsch sind. Im Gegenteil, der einzige universelle Wert, den ich fordere, ist der Recht der menschlichen Individuums auf sich selbst. Jeder hat das Recht, mit seinem Leben zu machen was er will. Subjektiver geht es eigentlich nicht.

Ich denke es ist wichtig diese Feststellung zu machen. Denn damit muss jeder für sein eigenes Handeln Verantwortung übernehmen und kann sich nicht auf eine (vermeindlich) absolute Distanz berufen - egal ob es nun die Menschenrechte, die Sharia oder die Bibel ist.
Sich unkritisch und unreflektiert auf einen Text oder dergleichen zu berufen zeugt sicherlich nicht von geistiger Selbstständigkeit. Doch Verantwortung für sein Handeln trägt man unabhängig davon, ob man dies tut oder nicht. Ohne absolute moralische Maßstäbe verliert der Begriff "Verantwortung" jedoch jegliche Bedeutung, denn dann müsste sich niemand moralisch vor irgendwem verantworten außer vor sich selbst, und da gibt man sich natürlich meistens Recht.

Jetzt kann ich mit demjenigen diskutieren und ihm klar machen, dass sein Handeln falsch ist - ich habe dazu allerdings nichts als die Menschenrechte als Argument, die ich mir ja selber ausgedacht habe.
Doch. Das entscheidende Argument ist "Was du getan hast, hat einem Menschen gegen dessen Willen Schaden zugefügt". Es geht nicht darum, dass dies in irgendeinem formalen Gesetzestext steht oder dergleichen. Kein Mensch will, kein Mensch kann überhaupt wollen, dass etwas derartiges mit ihm geschieht. Denn eben daraus, und nicht etwa aus den Texten der UN-Menschenrechtscharta, die ja letztlich auch nur das Produkt einiger weniger sind, leitet sich das Unrecht von Ehrenmorden und dergleichen ab. Zwang und Gewalt sind an sich falsch, und das waren sie schon lange vor der Niederschrift irgendwelcher formaler Menschenrechte.

In Amerika ist es rechtens Menschen zu töten.
Das ist nun etwas OT, doch dies ist eine unzulässige Verallgemeinerung. In den USA hat jeder Bundesstaat seine eigenen Gesetze. Es gab Bundesstaaten, in denen die Todesstrafe lange vor Deutschland abgeschafft wurde, und es gab Bundesstaaten, in denen es nie die Todesstrafe gab. In Deutschland wurde die Todesstrafe zum letzten Mal in den 50ern vollzogen, also bereits zu Zeiten der Bundesrepublik.

Von absoulten Wahrheiten aber sollte man sich eher verabschieden. Damit macht man es sich zu einfach.
Ich finde, das Gegenteil ist der Fall: Damit zu sagen, dass Werte und Moralvorstellungen relativ sind, macht man es sich leicht, denn es erspart einem weiteres Nachdenken und Hinterfragen bestimmter "Wahrheiten", und vor allem die Auseinandersetzung mit den "Wahrheiten", die andere als absolut betrachten. Eine Wahrheit ist immer absolut: Entweder etwas ist wahr, oder es ist falsch. Viele Dinge wurden als Wahrheit angesehen und waren es nicht. Überholte Ansichten in der Wissenschaft sind das beste Beispiel. Doch die Forschung schreitet voran, und man kann davon ausgehen, auch wenn es freilich nicht mit letzter Sicherheit beweisbar ist, dass man sich immer weiter der Wahrheit annähert. Ich sehe keine Grund, warum dies in ethischen Fragen nicht auch möglich sein sollte.

Eine Frage zum ersten Punkt: Ist Wehrpflicht ein Verbrechen?
In meinen Augen ohne Zweifel ja.

Was Unrecht ist und was nicht, legt nämlich der Staat und dessen (gewählte Volks-) Vertreter fest, nicht etwa der gesunde Menschenverstand oder das Rechtsempfinden.
Diesem Verständnis von Recht und Unrecht muss ich entschieden widersprechen. Die Judenverfolgung der Nazis war Unrecht, daran besteht für mich nicht der geringste begründete Zweifel. Dennoch wurde sie von staatlicher Seite als legitim betrachtet, und auch von der (schweigenden) Mehrheit geduldet, damit also auch "demokratisch legitimiert", was die Problematik dieses Begriffs verdeutlicht. Recht und Unrecht kann zwar vom Staat definiert werden, doch diese Definition hat keinen Absolutheitsanspruch - woher nähme ein Staat auch die Legitimation dazu? In vergangenen Zeiten wurde Kaisern gottgegebene Autorität zugesprochen, heute spricht man vom Willen der Mehrheit. Beides ist in meinen Augen ein Goldenes Kalb, denn es gibt Dinge, die sind einfach falsch, Punkt. Der Holocaust ist lediglich ein extremes Beispiel.

Ich bin der Ansicht, dass eine Gesellschaft selbst bestimmen muss, wie sie leben will.
Wie soll eine Gesellschaft dies tun? Sie ist ja kein Lebewesen mit eigenem Bewusstsein, sie ist lediglich, wie GelberKaefer schon sagte und worin ich ihm absolut zustimme, eine lose Gemeinschaft von Menschen mit ähnlichen kulturellen Praktiken, nicht klar gegen andere Gesellschaften abzugrenzen. Viele Menschen scheinen Gesellschaften anhand von Landesgrenzen zu definieren, doch diese Sichtweise ist meines Erachtens überholt. Ich stimme dir zu, dass andere, Gesellschaften tolerieren sollten, jedoch nur, solange diese Gesellschaften nicht "geschlossen" sind und ihren Mitgliedern nicht den Austritt verwehren. Besonders bei patriarchalen und totalitären Gesellschaften ist dies jedoch der Fall, bestes Beispiel Nordkorea oder die ehemalige DDR - wer austreten will, wird bestraft oder umgebracht. Dies ist meines Erachtens auch das Prinzip von Ehrenmorden.

Ich kann nur entscheiden, wie ich leben will, und nicht wie andere leben sollen.
Richtig, und genau das ist mein Punkt bei dieser ganzen Diskussion, denn dies gilt für jeden Menschen. Viele Menschen würden gern anders leben, als es ihnen vorgeschrieben wird. Werterelativismus lässt diese Menschen allein und sagt ihnen, dass sie sich der jeweiligen "Gesellschaft", d.h. in der Praxis dem Willen ihrer Unterdrücker, zu beugen haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
[...] Wie soll eine Gesellschaft dies tun? Sie ist ja kein Lebewesen mit eigenem Bewusstsein,[...]
In dem sich eine unbestimmte Menge X an Leuten findet, die mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben (mehr nicht nur im Sinne der Anzahl, sondern auch gewichtet) und sich arrangieren. Je größer die Gruppe, desto kleiner wird der gemeinsame Nenner, desto mehr muss man Kompromisse machen. Oder anders gesagt: Um so mehr muss man sich selbst zurück nehmen und unterordnen.

Gesetze <b>sollten</b> lediglich den kleinsten gemeinsamen Nenner definieren. Zumindest sind sie so gedacht gewesen. Dass es natürlich in der Praxis wieder in ein Extrem fällt, ist eine andere Sache.

Unterschiedliche Länder sind unterschiedliche Gruppen von Menschen. Unterschiedliche Gruppen von Menschen können unterschiedliche Wertevorstellungen haben. Die Menschenrechte sollen nun eigentlich den kleinsten gemeinsamen Nenner aller Gemeinschaften darstellen. Aber wer zur Hölle hat das Recht, eine Gesellschaft zu verurteilen, die das nicht als kleinsten gemeinsamen Nenner akzeptiert? Also ich nicht.

Ich provoziere einfach mal: Ich stelle mir nämlich mal vor, eine Gesellschaft würde den Menschen auf die Stufe "zurück"-stellen, auf die er eigentlich gehört: Mitten in den Kreislauf des Lebens und der Natur. Damit stünde er auf gleicher Stufe wie ein Hund, Hamster, Baum oder Regenwurm. Entweder man verfasst dann eine neue Charta, die allen Lebewesen die gleichen Grundrechte einräumt oder man lässt es. Natürlich wäre das völlig unpopulär, unchristlich und politisch völlig inkorrekt - aber eigentlich (aus meiner Sicht) richtig. Damit würden die "Menschenrechte" ignoriert oder geändert werden müssen. Wäre das ein Verbrechen?
 
In dem sich eine unbestimmte Menge X an Leuten findet, die mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben (mehr nicht nur im Sinne der Anzahl, sondern auch gewichtet) und sich arrangieren. Je größer die Gruppe, desto kleiner wird der gemeinsame Nenner, desto mehr muss man Kompromisse machen. Oder anders gesagt: Um so mehr muss man sich selbst zurück nehmen und unterordnen.
Kleinster gemeinsamer Nenner, ok, soweit stimme ich zu.
Aber sich unterordnen? Unter wen? Die anderen? Die müssten sich ja auch unterordnen. Unter das Gesetz? Das artet in einer Gesellschaft von Sklaven aus, wenn Leute es in die Hand nehmen, die es für ihre Zwecke missbrauchen. Unter die Willkür von Staat oder anderen Autoritäten? Besser nicht.

Gesetze <b>sollten</b> lediglich den kleinsten gemeinsamen Nenner definieren. Zumindest sind sie so gedacht gewesen. Dass es natürlich in der Praxis wieder in ein Extrem fällt, ist eine andere Sache.
Zustimmung.

Die Menschenrechte sollen nun eigentlich den kleinsten gemeinsamen Nenner aller Gemeinschaften darstellen. Aber wer zur Hölle hat das Recht, eine Gesellschaft zu verurteilen, die das nicht als kleinsten gemeinsamen Nenner akzeptiert? Also ich nicht.
Du bist also der Meinung, dass du nicht das Recht hast, eine unmenschliche Gesellschaft wie die der Taliban oder Nordkoreas abzulehnen, obwohl die Mehrheit ihrer Mitglieder ohne jeden Zweifel unter ihnen leidet? Warum?

Eine "Gesellschaft" kann ja gar nichts akzeptieren oder ablehnen. Jede Gesellschaft besteht aus ihren Mitgliedern, und die lehnen bestimmte Handlungen entweder ab oder stimmen ihnen zu. Doch dabei geht es auch nicht um Mehrheitsentscheide, falls du diese als Legitimation betrachtest (ich wie gesagt nicht): In vielen afrikanischen Gesellschaften ist Gentialverstümmelung weit verbreitet. So gut wie jede Frau und wohl auch viele Männer, also wahrscheinlich die Mehrheit, lehnen diese ab. Trotzdem ändert sich nichts. Warum? Weil es um Macht geht und Frauen in diesen Gesellschaften nichts zu sagen haben. Was auf ein weiteres Problem bei der Definition von "Mehrheit" und der Meinung einer "Gesellschaft" verweist: Wessen Meinung zählt? Wenn es darum geht, wer die Mehrheit ist, wer zählt dabei dann mit und wer nicht? Frauen z.B. hatten auch hierzulande bis vor nicht allzu langer Zeit kein Wahlrecht und auch sonst nicht viel zu sagen.

Ich provoziere einfach mal: Ich stelle mir nämlich mal vor, eine Gesellschaft würde den Menschen auf die Stufe "zurück"-stellen, auf die er eigentlich gehört: Mitten in den Kreislauf des Lebens und der Natur.
War sagt, dass das so ist? Mit welcher Begründung?

Wäre das ein Verbrechen?
Ja, da es gegen den Willen der Betroffenen geschehen würde.
 
[...] Du bist also der Meinung, dass du nicht das Recht hast, eine unmenschliche Gesellschaft wie die der Taliban oder Nordkoreas abzulehnen, obwohl die Mehrheit ihrer Mitglieder ohne jeden Zweifel unter ihnen leidet? Warum?
Weil ich mit dem Begriff "unmenschlich" nicht viel anfangen kann. Es ist in der Geschichte der Menschheit noch nie dauerhaft gut gegangen, dass eine Minderheit eine Mehrheit unterdrückt hat. Es ist schon schwer genug für eine Mehrheit, eine Minderheit zu unterdrücken.

Wenn nun ein Teil einer Gesellschaft (in diesem Fall ja eines Staates oder eines Regimes) nicht mit den Zuständen leben kann, muss sie sich zur Wehr setzen. Oder es eben zähneknirschend ertragen, so wie wir eben auch diverse Sachen zähneknirschend ertragen. In jedem Fall kann ich dazu eine Meinung haben und auch den Kopf schütteln. Ich habe hingegen nicht das Recht, mich einzumischen - schon gar nicht militärisch. Denn ich will ebenso wenig, dass mir ein Mufti sagt, dass ich ab sofort nach anderen Gesetzen zu leben habe, die von ihm abgesegnet gottgefällig sind. Warum sollte ich also verlangen wollen, dass jemand meine Sicht der Welt und der Dinge übernimmt?

Was ich persönlich für richtig und falsch halte, spielt dabei nicht die geringste Rolle. Wenn jemand unter jemand anderem oder etwas leidet, muss er sich schon selbst darum kümmern, diesen Zustand zu ändern.

Eine "Gesellschaft" kann ja gar nichts akzeptieren oder ablehnen. Jede Gesellschaft besteht aus ihren Mitgliedern, und die lehnen bestimmte Handlungen entweder ab oder stimmen ihnen zu. Doch dabei geht es auch nicht um Mehrheitsentscheide, falls du diese als Legitimation betrachtest (ich wie gesagt nicht):
Demokratie ist Mehrheitsentscheidung. Denn niemals wird man es schaffen, 100% aller Stimmen zu bekommen. Nicht eine einzige Frage JA/NEIN-Frage fällt mir ein, auf die alle Befragten mit Ja oder mit Nein antworten würden. Es ist immer eine Mehrheitsentscheidung.

In vielen afrikanischen Gesellschaften ist Gentialverstümmelung weit verbreitet. So gut wie jede Frau und wohl auch viele Männer, also wahrscheinlich die Mehrheit, lehnen diese ab. Trotzdem ändert sich nichts. Warum? Weil es um Macht geht und Frauen in diesen Gesellschaften nichts zu sagen haben.
Ja, das betrachte ich genauso wie Du als furchtbar. Deshalb würde ich auch nie eine Organisation oder Partei unterstützen, die Genitalverstümmelungen in Deutschland gesellschaftsfähig machen oder sogar gesetzlich schützen möchte.

Was auf ein weiteres Problem bei der Definition von "Mehrheit" und der Meinung einer "Gesellschaft" verweist: Wessen Meinung zählt? Wenn es darum geht, wer die Mehrheit ist, wer zählt dabei dann mit und wer nicht? Frauen z.B. hatten auch hierzulande bis vor nicht allzu langer Zeit kein Wahlrecht und auch sonst nicht viel zu sagen.
Richtig. Und alles lief auch. Heute haben sie Wahl- udn Mitspracherecht und es läuft noch immer. Und das ist jetzt unsere Legitimation, es anderen Ländern vorzuwerfen?

Im Übrigen: Der Spruch "Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau" ist (in abgewandelter Form) schon wesentlich älter als das Wahlrecht der Frauen. Unter der Prämisse, dass sie nicht selbst wählen gehen dürfen, haben sich viele für ihre Männer engangiert und im Hintergrund die Fäden gezogen. Ob das besser oder schlechter, richtig oder falsch ist, kann ich nicht beurteilen - meine Weiber haben mich immer belogen und betrogen. Aber es ist eine andere Form der Machtausübung, die auch lange funktioniert hat.

Was anderes, was ich persönlich als viel problematischer ansehe, ist das katholisch-kirchliche Dogma. Da wird es heute noch strikt abgelehnt, dass eine Katholikin sich scheiden lässt. Noch schlimmer wird es, wenn sie einen neuen Kerl gefunden hat und wieder heiraten will. Das sind Zustände in meinem Land, die ich nicht unterstütze.

War sagt, dass das so ist? Mit welcher Begründung?
Ich sage es. Mit der Begründung, dass der Mensch weder die "Krone der Schöpfung", noch irgendwas ist, das ihn berechtigen würde, sich als Herrscher über alles aufzuspielen. Der Mensch ist ein Lebewesen unter Milliarden anderer. Ihn zeichnet seine gegenüber anderen Lebewesen erhöhte Intelligenz aus. Dennoch ist der Mensch auch nur aus einer Mutation heraus entstanden und konnte sich behaupten. Zumindest bis jetzt, denn im Augenblick sieht das Experiment "Mensch" doch eher wie ein Fehlschlag aus. Vielleicht sogar als schlimmer Patzer, der den Planeten "den Kopf kosten" könnte...

Ja, da es gegen den Willen der Betroffenen geschehen würde.
Wenn Du es nur auf die Willenserklärung der Betroffenen herunter reduzierst, dann besteht unsere Gesellschaft, in der wir leben, in der Hauptsache aus Verbrechen. Denn was mir und allen, die mit mir hier leben alles verboten ist und was ich gleichzeitig alles gegen meinen Willen tun muss, wäre nach Deiner Definition ein "staatliches Verbrechen". Sogar das Zahlen der Steuer wäre dann ein Verbrechen.
 
Weil ich mit dem Begriff "unmenschlich" nicht viel anfangen kann.
Nenn es grausam, barbarisch, brutal, totalitär, was weiß ich. Was ich meine sind Handlungen, die kein Mensch an sich durchgeführt haben will. Kein Mensch will von einen räuberischen Diktator ausgeplündert und zum hungern gezwungen werden, kein Mensch will an seinen Genitalien verstümmelt werden, kein Mensch will Angst haben ermordet zu werden weil er jemanden liebt, obwohl es ihm verboten ist.

Es ist in der Geschichte der Menschheit noch nie dauerhaft gut gegangen, dass eine Minderheit eine Mehrheit unterdrückt hat. Es ist schon schwer genug für eine Mehrheit, eine Minderheit zu unterdrücken.
Es ist oft genug und lange genug passiert. Sklaverei ist noch gar nicht so lange Geschichte. Und es passiert noch immer. Wenn die Unterdrückten selbst nicht in der Lage sind, sich zu helfen, und uns um Hilfe anflehen (ich denke da z.B. an den Iran), gibt uns dies dann nicht die Legitimation, uns einzumischen und ihnen zu helfen (wie wir das tun sei mal dahingestellt)?

Ich habe hingegen nicht das Recht, mich einzumischen - schon gar nicht militärisch.
Wenn in der U-Bahn Schläger eine alte Frau angreifen und du in der Lage bist, ihr zu helfen, hast du dann nicht das Recht, ja nicht sogar die moralische Pflicht, ihr zu helfen? Warum dann nicht bei Menschen, die in einer anderen Gesellschaft leben? Ich verweise hier nochmals auf die unklare und nicht scharf abgrenzbare Definition des Wortes "Gesellschaft".

ich will ebenso wenig, dass mir ein Mufti sagt, dass ich ab sofort nach anderen Gesetzen zu leben habe, die von ihm abgesegnet gottgefällig sind.Warum sollte ich also verlangen wollen, dass jemand meine Sicht der Welt und der Dinge übernimmt?
Es geht ja überhaupt nicht darum, dass jemand deine oder meine Sicht der Dinge übernimmt, ganz im Gegenteil: Es geht mir gerade darum, dass auch der Mufti oder wer auch immer eben kein Recht hat, irgendjemanden dazu zu zwingen, nach seinen Vorstellungen zu leben. Nicht dich, nicht mich, und eben auch nicht die unglückseligen Menschen, die das Pech hatten, unter seiner Herrschaft geboren zu werden. Das ist mein ganzer Punkt bei dieser Diskussion.

Demokratie ist Mehrheitsentscheidung. Denn niemals wird man es schaffen, 100% aller Stimmen zu bekommen. Nicht eine einzige Frage JA/NEIN-Frage fällt mir ein, auf die alle Befragten mit Ja oder mit Nein antworten würden. Es ist immer eine Mehrheitsentscheidung.
"Willst du, dass kein Mensch gegen deinen Willen Gewalt oder Zwang gegen dich verübt, dich bestiehlt, verletzt, versklavt oder unterdrückt?" wäre eine Frage, die mir spontan einfällt und bei der ich mit einer Zustimmungsquote von ca. 100% rechnen würde.

Richtig. Und alles lief auch. Heute haben sie Wahl- udn Mitspracherecht und es läuft noch immer.
Na mir soll's egal sein, aber sag das mal ner Frau :LOL:

Und das ist jetzt unsere Legitimation, es anderen Ländern vorzuwerfen?
Nein, aber es verdeutlicht die Problematik der Definition von "Mehrheit" und damit von "demokratisch legitimiert".

Was anderes, was ich persönlich als viel problematischer ansehe, ist das katholisch-kirchliche Dogma. Da wird es heute noch strikt abgelehnt, dass eine Katholikin sich scheiden lässt. Noch schlimmer wird es, wenn sie einen neuen Kerl gefunden hat und wieder heiraten will. Das sind Zustände in meinem Land, die ich nicht unterstütze.
Es steht ja jedem frei, aus diesem Verein auszutreten, ohne irgendwelche Konsequenzen zu befürchten. Es gibt Menschen auf der Welt, die deutlich weniger glücklich sind, siehe Thema Ehrenmorde.

im Augenblick sieht das Experiment "Mensch" doch eher wie ein Fehlschlag aus. Vielleicht sogar als schlimmer Patzer, der den Planeten "den Kopf kosten" könnte...
In der Evolution gibt es keine Fehlschläge, da es kein finales Ziel gibt. Ziel ist das Überleben. Wenn ich eine Wette abschließen müsste, welche Säugetierspezies in 10000 Jahren mit Sicherheit noch existiert, na gut, dann würde ich vermutlich auf Mäuse oder Ratten tippen, aber die Menschen befänden sich definitiv in der engeren Auswahl. Kein mehrzelliges Lebewesen ist besser in der Lage, sich seiner Umwelt anzupassen, oder besser gesagt, seine Umwelt sich anzupassen - und genau diese Anpassungsfähigkeit ist die entscheidende Definition evolutionärer "Fitness". Die Menschen sind daher definitiv kein Irrweg oder fehlgeschlagenes Experiment der Evolution, sonst wären sie längst ausgestorben.

Doch selbst wenn die Menschen den Untergang der Erde bewirkten - was ich nicht glaube - wen, außer den Menschen, würde das stören? Den Planeten sicher nicht, der ist nur ein Felsbrocken, und die meisten Tiere würden nicht mal verstehen was vorgeht.

Wenn Du es nur auf die Willenserklärung der Betroffenen herunter reduzierst, dann besteht unsere Gesellschaft, in der wir leben, in der Hauptsache aus Verbrechen. Denn was mir und allen, die mit mir hier leben alles verboten ist und was ich gleichzeitig alles gegen meinen Willen tun muss, wäre nach Deiner Definition ein "staatliches Verbrechen". Sogar das Zahlen der Steuer wäre dann ein Verbrechen.
Der Gedanke geht schon ziemlich in die richtige Richtung... :)
 
Nenn es grausam, barbarisch, brutal, totalitär, was weiß ich. Was ich meine sind Handlungen, die kein Mensch an sich durchgeführt haben will. Kein Mensch will von einen räuberischen Diktator ausgeplündert und zum hungern gezwungen werden, kein Mensch will an seinen Genitalien verstümmelt werden, kein Mensch will Angst haben ermordet zu werden weil er jemanden liebt, obwohl es ihm verboten ist.
Ich möchte auch nicht betrogen, hintergangen oder verscheißert werden. Ich möchte auch nicht inhaftiert werden, weil ich eine Meinung habe, die der Allgemeinheit nicht passt. Ich möchte auch aus keinem anderen Grund ermordet werden. Auch möchte ich nicht von meinen Volksvertretern ausgeplündert werden. Und nebst meinen Genitalien fallen mir noch etliche andere Stellen ein, an denen ich nicht verstümmelt werden möchte.

Aber bitte: Grausamkeiten und Brutalitäten sind ja nicht nur Diktaturen vorbehalten. Ich habe eigentlich keine Lust, schonwieder über den großen Teich zu zeigen, aber hier passt es mal wieder wie die Faust auf's Auge. Dort werden Menschen gefoltert (wie auch in anderen rechtsstaatlichen Demokratien der Welt auch). Wohl um sie vor noch Schlimmeren zu bewahren? Etwa einem Diktator, der nicht nach amerikanischer Pfeife tanzt?

Es ist oft genug und lange genug passiert. Sklaverei ist noch gar nicht so lange Geschichte. Und es passiert noch immer. Wenn die Unterdrückten selbst nicht in der Lage sind, sich zu helfen, und uns um Hilfe anflehen (ich denke da z.B. an den Iran), gibt uns dies dann nicht die Legitimation, uns einzumischen und ihnen zu helfen (wie wir das tun sei mal dahingestellt)?
Das sei aber mal ganz und gar nicht dahin gestellt ;) Ich weiß gar nicht, wieviele Leute denn aus der furchtbaren Diktatur wirklich befreit werden möchten. Wahrscheinlich in erster Linie diejenigen, die dort inhaftiert wurden, weil sie aktiv gegen den Staat vorgegangen sind. Ok, verständlich. Wenn ich an den Irak denke, da würde ich doch zu gern mal Mäuschen spielen. Ob die Leute, die nun in ständiger Bedrohung durch Terrorismus und in Hunger und Durst leben müssen in einem fast anarchistischen Staat nun wirklich froh sind, dass die USA und die Schutztruppen die Ölraffinerien und das Ölministerium bewachen. Und wie zufrieden sie wohl mit ihrem neuen Präsidenten sind, der knietief im amerikanischen Arsch steckt.

Ich sehe in Diktaturen nicht das böse Schreckgespenst, was zumindest unseren geliebten Medien stets zeichnen. Eine Diktatur schränkt natürlich die Freiheiten des Einzelnen ein, verspricht dafür aber auch mehr Sicherheit. Entscheidungswege sind wesentlich kürzer (damit ist eine Diktatur wesentlich flexibler), allerdings naturgemäß auch dadurch willkürlicher. Das Gemeinschaftsgefühl ist in einer Diktatur für gewöhnlich bedeutend ausgeprägter, dafür besteht stets die Gefahr, dass Minderheiten zum Opfer werden. Unter dem Strich: Nix für mich, aber auch längst nicht das Schlimmste, das einem passieren kann.

Wenn in der U-Bahn Schläger eine alte Frau angreifen und du in der Lage bist, ihr zu helfen, hast du dann nicht das Recht, ja nicht sogar die moralische Pflicht, ihr zu helfen?
Ja habe ich. Hoffentlich auch die gesetzliche Pflicht (sonst "unterlassene Hilfeleistung"), wenigstens die Bullen zu rufen. Aber ich ahne schon, dass das nicht der Fall ist.

Warum dann nicht bei Menschen, die in einer anderen Gesellschaft leben? Ich verweise hier nochmals auf die unklare und nicht scharf abgrenzbare Definition des Wortes "Gesellschaft".
Ja, vielleicht ist genau das aber der Punkt - die unklare Definition von "Gesellschaft". Es ist für mich ein gravierender Unterschied, ob <b>mich jemand</b> um Hilfe bittet, oder eine abstrakte Gruppe von Menschen einen Staat um Hilfe bittet. Vor allem dann, wenn die Hilfe militärischer Natur sein soll. Ich habe überhaupt nichts gegen Hilfslieferungen von Lebensmitteln, Medikamenten oder auch wenn Ärzte in diese Regionen gehen. Aber wenn diese Hilfslieferungen dann aus Panzern, Raketen und Gewehren bestehen, dann sieht es für mich ganz anders aus.

Und deutsche Hilfslieferungen sehen stets so aus, dass unsere Volksverrätertreter erst uneingeschränkt solidarisch mit dem Aggressor zeigen um sich dann für Hilfen feiern zu lassen, die ohne den militärischen Einsatz des Aggressors gar nicht nötig gewesen wären.

Ich sage es mal ganz deutlich: Wenn ein Volk Not leidet, muss es sich wehren. In den allermeisten Fällen wird das nicht ohne Blut und Tote ausgehen, leider. Und wenn sie sich ihrer Tyrannen entledigt haben, dann können sie gern Staaten wie unseren um Hilfe bitten. Wobei natürlich militärische Hilfe ausgeschlossen ist - denn das erste, dass frisch befreite Völker gern tun ist oft, erstmal eine andere Minderheit zu unterdrücken.

Es geht ja überhaupt nicht darum, dass jemand deine oder meine Sicht der Dinge übernimmt, ganz im Gegenteil: Es geht mir gerade darum, dass auch der Mufti oder wer auch immer eben kein Recht hat, irgendjemanden dazu zu zwingen, nach seinen Vorstellungen zu leben. Nicht dich, nicht mich, und eben auch nicht die unglückseligen Menschen, die das Pech hatten, unter seiner Herrschaft geboren zu werden. Das ist mein ganzer Punkt bei dieser Diskussion.
Habe ich verstanden. Und mein Punkt geht noch einen klitzekleinen Schritt weiter. Denn ich frage mich darüber hinaus noch: Woher will ich wissen, dass die Menschen dort leiden? Weil es mir die Medien sagen? Dazu habe ich schon zu viele Menschen aus diesen "armen unterdrückten" Ländern kennen gelernt, die sich zum Teil köstlich darüber amüsierten, was ich (oder wir) für ein Bild von diesen Ländern hätten. Und nur weil auf CNN 3 Hansel wie 3 wild gewordene Hühner mit abrasierten Bärten durch die Straßen von Afghanistan hüpften, wage ich nicht zu sagen, dass die Mehrheit diese Freude teilten. Heute, einige Jahre später, werden es wohl noch viel weniger sein.


"Willst du, dass kein Mensch gegen deinen Willen Gewalt oder Zwang gegen dich verübt, dich bestiehlt, verletzt, versklavt oder unterdrückt?" wäre eine Frage, die mir spontan einfällt und bei der ich mit einer Zustimmungsquote von ca. 100% rechnen würde.
Erstens wäre ich mir da gar nicht so sicher. Die Antwort einiger weniger wäre sicher: "Käme drauf an, wer mich versklavt..." :D
Aber zweitens und wichtiger ist: Das wäre in einer Diktatur eher gegeben als in einer Demokratie. Natürlich nur, wenn man auf der "richtigen" Seite steht. Wir wollen mal festhalten, dass das Leben innerhalb einer Gemeinschaft/Gesellschaft nur mit Regeln funktionieren kann. Regeln sind Zwänge. Nichts anderes. Selbst in einer Anarchie gibt es Regeln - notfalls eben das Recht des Stärkeren. Bestohlen kann man immer werden in jedem Umfang. Unterdrückung fängt da schon an, wo das freie Wort eingeschränkt wird. Das ist überall auf der Welt in jedem Zeitalter schon der Fall gewesen. Gewalt und Zwang ist die Executive eines jeden Staates, man ist tagtäglich damit konfrontiert. Sklaverei im klassischen Sinne wurde abgeschafft. Modern heißt es "1-Euro-Job". Ok, der letzte Satz war Polemik und ist nicht vergleichbar, ich weiß.

Dennoch: Die Freiheit, die Du Dir (und ich nebenbei bemerkt auch) wünschst, wird es nie geben. Oder vielleicht in einigen zehntausend Jahren, wenn man über uns sagt: "Oh weh, was waren die Leute damals doch babarisch...". Es ist alles immer nur eine Frage des Blickwinkels. Und ich habe schon einige muslimische (in unserer Übersetzung sagt man wohl "unterdrückte") Frauen kennen gelernt, die ihren Angaben zufolge Mitleid mit nichtmuslimischen Frauen empfanden, weil sie eben Nichtmuslime waren. Klingt in unseren Ohren vielleicht komisch, aber ich wage nicht zu behaupten, dass ich einen klaren Blick auf die Dinge habe und alle Andersdenkenden "manipuliert" wurden.

Na mir soll's egal sein, aber sag das mal ner Frau :LOL:
Das würde ich sogar Alice Schwarzer mitten ins Gesicht sagen ;)

Es steht ja jedem frei, aus diesem Verein auszutreten, ohne irgendwelche Konsequenzen zu befürchten. Es gibt Menschen auf der Welt, die deutlich weniger glücklich sind, siehe Thema Ehrenmorde.
Ja, nun sind ja auch Ehrenmorde nirgends gesetzlich legitimiert. Nicht mal religös durch den Koran legitimiert. Es ist nunmal ein Verbrechen und gut.

Wenn es um öffentliche Steinigungen bei Ehebruch geht - nunja. Marzialische Strafen eben. Aber Hinrichtungen gibt es auch noch in den USA und vielen anderen Ländern. Hilft überall nix. Vielleicht kommt man nochmal auf den Trichter. Ich bin jedenfalls sehr zufrieden, dass es keine Todesstrafe mehr in Deutschland gibt und tottraurig, dass es keine Arbeitslager gibt. Aber das ist ein anderes Thema.

In der Evolution gibt es keine Fehlschläge, da es kein finales Ziel gibt. Ziel ist das Überleben. Wenn ich eine Wette abschließen müsste, welche Säugetierspezies in 10000 Jahren mit Sicherheit noch existiert, na gut, dann würde ich vermutlich auf Mäuse oder Ratten tippen, aber die Menschen befänden sich definitiv in der engeren Auswahl. Kein mehrzelliges Lebewesen ist besser in der Lage, sich seiner Umwelt anzupassen, oder besser gesagt, seine Umwelt sich anzupassen - und genau diese Anpassungsfähigkeit ist die entscheidende Definition evolutionärer "Fitness". Die Menschen sind daher definitiv kein Irrweg oder fehlgeschlagenes Experiment der Evolution, sonst wären sie längst ausgestorben.
Ja, aber leider ist das nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass der Mensch seine Natur um sich herum nicht nur anpasst, sondern schonungslos ausbeutet - sie sogar regelrecht ermordet. Darüber hinaus ist der Mensch wie kein anderes Lebewesen in der Lage, den Planeten schlagartig zu zerstören. Es gibt heute so viel Atomwaffen mit so viel Sprengkraft auf der Erde, dass man den Planeten 3 mal pulverisieren könnte. Die Luft und das Wasser nehmen an Qualität ständig ab. Das Weltklima verändert sich. Resourcen werden weniger, Menschen werden immer mehr. Deshalb würde ich keine Wette auf 10.000 Jahre halten. Ehrlich gesagt nicht mal auf 1.000.

Doch selbst wenn die Menschen den Untergang der Erde bewirkten - was ich nicht glaube - wen, außer den Menschen, würde das stören? Den Planeten sicher nicht, der ist nur ein Felsbrocken, und die meisten Tiere würden nicht mal verstehen was vorgeht.
Also zunächst würde es mich stören. Und vielleicht auch die Milliarden von Eltern, die ihren Kindern nicht eine Zukunft schenken wollten, die so aussieht. Weißt Du, wenn die Welt erstmal im Arsch ist, dann ist es ohnehin zu spät. Dann in dem Sinne sicher auch egal. Viel quälender empfinde ich, dass man den Worst Case vor Augen hilflos mit ansehen muss, wie zielstrebig darauf hin gearbeitet wird. Aber wir kommen vom Thema ab... :)
 
Wenn du sagst, dass sie unter bestimmten Umständen zulässig sein können, auch ohne die Einschränkung, dass sie der Abwehr größeren Unheils dienen müssen, dann sehe ich dies durchaus als Relativierung.

Damit "relativierst" du doch selber. Ich stimmt ja in gewisser Weise zu: eine Unrechtsgesellschaft - also eine in der Willkür herrscht - kann moralisch tatsächlich nicht sinnvoll begründet werden. Eine Gesellschaft in der Recht herrscht ist moralisch besser begründbar - besonders wenn das Recht dazu dient Unglück von der Gesellschaft abzuwenden. Was aber ist das "größere" Unglück? Wer entscheidet das? Wer kann sagen welches strafmaß legitim und verhältnismäßig ist? Am Ende wird nicht zu entscheiden sein ob demokratische Ideale oder vielleicht doch ein traditionelles Klientelsystem die moralisch überlegene Variante sind.

Doch die Forschung schreitet voran, und man kann davon ausgehen, auch wenn es freilich nicht mit letzter Sicherheit beweisbar ist, dass man sich immer weiter der Wahrheit annähert. Ich sehe keine Grund, warum dies in ethischen Fragen nicht auch möglich sein sollte.

Weil die höhere Instanz fehlt auf die man sich beziehen könnte. Am Ende kann man die eigenen Wertvorstellungen nur damit begründen, dass man selber daran glaubt - auch wenn man selber die für universell hält. Menschenrechte sind z.B. dem Sozialdarwinismus nicht per se überlegen. Sie werden es erst durch gesellschaftlichen Konsens. Ich bin auch der Meinung, dass eigentlich jeder durch Nachdenken ebenfalls du diesen Schluss kommen muss und Konsens darüber quasi zwangsläufig herrscht. Aber - wie gesagt - kann ich dies in ermangelung eines höheren Wesens nicht beweisen.
 
Zuletzt bearbeitet:
nebst meinen Genitalien fallen mir noch etliche andere Stellen ein, an denen ich nicht verstümmelt werden möchte.
Die von mir gepostete Liste war ja auch nur als exemplarisch zu betrachten und sicherlich nicht erschöpfend. Es gibt ohne Frage viele Dinge, die manche Menschen schlimm finden und die andere nicht stören. Doch niemand will, dass jemand anderes gegen seinen Willen etwas mit ihm tut. Er kann es per Definition nicht wollen. Das daraus begründete Recht auf die Unantastbarkeit der eigenen Person ist wie gesagt in meinen Augen das entscheidende, das einzige Grundrecht, von dem sich alle anderen Rechte ableiten.

Grausamkeiten und Brutalitäten sind ja nicht nur Diktaturen vorbehalten.
Hab ich ja auch nicht behauptet. Es gibt keinen Menschen und kein System, das ganz "frei von Sünde" wäre. Doch man muss auch auf Tendenzen schauen: In den USA (oder genauer, in bestimmten Staaten der USA) wurden 2008 37 Menschen hingerichtet, in China waren es über 5000, beim Holocaust kamen Millionen und zumeist Unschuldige ums Leben.


Ich weiß gar nicht, wieviele Leute denn aus der furchtbaren Diktatur wirklich befreit werden möchten.
Das ist in meinen Augen auch völlig irrelevant. Ich bin sicher, die meisten Deutschen fanden das Dritte Reich weniger schlimm als die Verwüstungen des Zweiten Weltkrieges. Die Mehrheit stand sogar hinter dem System. Noch in einer Umfrage aus den 50ern, also nach Kriegsende und als das volle Ausmaß des Holocaust bereits jedem, der nicht die Augen verschloss, bekannt war, gab in einer Umfrage die Mehrheit der Deutschen an, dass sie die Judenverfolgung als "für die Sicherheit des Reiches notwendig" erachtete. Ändert das irgendetwas an der Abscheulichkeit der Verbrechen der Nazis und daran, dass der Untergang des Dritten Reiches selbst mit allen damit verbundenen Kosten besser war als jede realistische Alternative? Ich denke nicht. Rechtfertigt dies umgekehrt z.B. die Verbrechen von "Bomber" Harris? In meinen Augen ebenso wenig.

Ich sehe in Diktaturen nicht das böse Schreckgespenst, was zumindest unseren geliebten Medien stets zeichnen.
Mal eine Frage, no offence: Hast du schon mal in einer Diktatur gelebt? Ich liebe "unsere Medien", wer auch immer dies sein soll, übrigens nicht, und glaube dem ÖR-Rundfunk besonders seit bestimmten Panorama-Berichten nicht so weit, wie ich spucken kann.

Ich habe überhaupt nichts gegen Hilfslieferungen von Lebensmitteln, Medikamenten oder auch wenn Ärzte in diese Regionen gehen. Aber wenn diese Hilfslieferungen dann aus Panzern, Raketen und Gewehren bestehen, dann sieht es für mich ganz anders aus.
Warum die Unterscheidung? Auch zivile Hilfslieferungen stellen ja einen Eingriff dar, der die jeweilige kultur vielleicht nachhaltig beeinflusst und verändert. Nach der Obersten Direktive bei Star Trek ist zumindest jede Einmischung in andere Kulturen untersagt, ganz gleich ob militärisch oder nichtmilitärisch.

Denn ich frage mich darüber hinaus noch: Woher will ich wissen, dass die Menschen dort leiden?
Die Nordkoreaner verhungern, weil ihr Herrscher seine Autosammlung vergrößern will. Die Chinesen werden von Panzern zermalmt, wenn sie friedlich demonstrieren. Die Zimbabwianer haben eine kaputte Wirtschaft, weil ihr Herrscher ständig neues Geld druckt und an seine Lakaien verschenkt. Die Iraner werden zu Tode gesteinigt, wenn sie einen Menschen des gleichen Geschlechts lieben. Du willst mir sagen, dass diese Menschen nicht leiden?

Eine Diktatur schränkt natürlich die Freiheiten des Einzelnen ein, verspricht dafür aber auch mehr Sicherheit.
ich bin SO in Versuchung, Bejamin Franklin zu zitieren... Ich für meinen Teils würde mich im Zweifelsfall jedenfalls für ersteres entscheiden.

Wenn ein Volk Not leidet, muss es sich wehren. In den allermeisten Fällen wird das nicht ohne Blut und Tote ausgehen, leider. Und wenn sie sich ihrer Tyrannen entledigt haben, dann können sie gern Staaten wie unseren um Hilfe bitten.
Ich ändere diesen Absatz mal ein wenig:
Wenn eine alte Frau in der U-Bahn überfallen wird, muss sie sich wehren. In den allermeisten Fällen wird das nicht ohne Blut und Tote ausgehen, leider. Und wenn sie ihre Angreifer abgewehrt hat, dann kann sie gern Menschen wie uns um Hilfe bitten.
Würdest du da noch zustimmen? Vermutlich nicht. Wo aber siehst du den entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Texten? Ich sehe nur einen in der Anzahl der betroffenen, und das ändert aus meiner Sicht nichts.

Wenn es um öffentliche Steinigungen bei Ehebruch geht - nunja. Marzialische Strafen eben. Aber Hinrichtungen gibt es auch noch in den USA und vielen anderen Ländern.
Entschuldige bitte, aber die Hingerichteten in den USA in allesamt vor einem rechtsstaatlichen Gericht verurteilte Schwerverbrecher. Natürlich gibt es das Problem von Justizirrtümern und Missbrauch, weshalb ich die Todesstrafe ebenfalls ablehne. Doch dies mit der grausamen Lynchjustiz für das opferlose "Verbrechen" des Ehebruchs zu vergleichen, welche zudem in erster Linie Frauen trifft und damit deren Unterdrückung dient, halte ich für mehr als pervers. Ein Unrecht rechtfertigt nicht ein anderes.

Regeln sind Zwänge. Nichts anderes.
Ich denke dies ist einer der Kernpunkte, bei denen ich ganz entschieden widersprechen muss. Regeln und Gesetze dienen eben der Minimierung von Zwang. Wenn ich niemanden töten darf, dann ist dies kein Zwang, im Gegenteil, es verhindert Zwang in Form von Gewalt.


Was aber ist das "größere" Unglück? Wer entscheidet das? Wer kann sagen welches strafmaß legitim und verhältnismäßig ist?
Schwierige Frage. Niemand ist allwissend und kann alle Konsequenzen seines Handelns vorhersehen. Im Zweifelsfall ist es die Pflicht des in der jeweiligen Situation Verantwortlichen, nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden.

Am Ende wird nicht zu entscheiden sein ob demokratische Ideale oder vielleicht doch ein traditionelles Klientelsystem die moralisch überlegene Variante sind.
Meines Erachtens schon, anhand seiner Resultate, nämlich dem Glück der Menschen, die unter ihm leben. Warum fliehen Menschen aus Afrika nach Italien, aus dem Iran nach Europa, aus Kuba in die USA, aus der DDR in die BRD, doch selten in die umgekehrte Richtung? Dies halte ich für einen starken Indikator für die moralische Überlegenheit eines Systems.

Weil die höhere Instanz fehlt auf die man sich beziehen könnte. Am Ende kann man die eigenen Wertvorstellungen nur damit begründen, dass man selber daran glaubt - auch wenn man selber die für universell hält. Menschenrechte sind z.B. dem Sozialdarwinismus nicht per se überlegen. Sie werden es erst durch gesellschaftlichen Konsens. Ich bin auch der Meinung, dass eigentlich jeder durch Nachdenken ebenfalls du diesen Schluss kommen muss und Konsens darüber quasi zwangsläufig herrscht. Aber - wie gesagt - kann ich dies in ermangelung eines höheren Wesens nicht beweisen.
Ich sehe das Fehlen eines "letzten Grundes" ehrlich gesagt nicht als Problem für die Rechtfertigung moralischer Prinzipien. Die Wissenschaft kommt ja auch ohne aus. Im Grunde halte ich das Konzept sogar für absurd: Wie sollte es einen Letztbeweis geben? Kein Mensch kann irgendetwas mit letzter Sicherheit wissen, auch nicht den Willen irgendeiner Gottheit, weshalb dieser als Letztbegründung ebenfalls nur ein (oft missbrauchter) Strohmann ist. Doch die Unmöglichkeit des Wissens widerspricht ja nicht der Existenz von Wahrheit. Kein Mensch weiß, dass es Atome gibt, auch wenn alles darauf hindeutet und es sie entweder geben oder nicht geben muss. Eins von beidem muss wahr sein. Auch ist es offensichtlich, dass 1 + 1 = 2 ist, obwohl man dies ebenfalls nicht beweisen kann. Ähnlich ist es meines Erachtens mit ethischen Fragen: Man kann keine Handlungsweise absolut rechtfertigen. Doch jeder Mensch will nicht, dass ihm bestimmte Dinge zustoßen, und es versteht sich von selbst, dass eine Erwartung nach dem Respekt dieses Wunsches durch andere gleichzeitig eine Verpflichtung hervorbringt, seinerseits diesen Wunsch bei anderen zu respektieren. Dieser in meinen Augen ebenso offensichtliche Grundsatz wie 1 + 1 = 2 sowie die Erfahrungswerte der Menschheitsgeschichte sind in meinen Augen ausreichende und vor allem überzeugendere Rechtfertigungen für bestimmte Handlungen als diejenigen der Herrscher und Befürworter vieler unfreier Gesellschaften, welche sich meist auf Macht und / oder Aberglauben begründen.

Im Übrigen möchte mich mich bei euch beiden für die interessante Diskussion bedanken. Ich denke allerdings, dass alle wesentlichen Argumente ausgetauscht sind und jeder dem jeweils anderen den eigenen Standpunkt verständlich gemacht hat. Wenn ihr noch etwas erwidern möchtet, dann tut dies gerne; ich lege keinen Wert darauf, das letzte Wort zu behalten und wäre auch an eurer Antwort auf diesen Post interessiert. Doch wie man sieht werden die Posts immer länger ;) und ein längeres Weiterführen der Diskussion würde wohl vermutlich nur dazu führen, dass wir uns im Kreis drehen oder in Details verzetteln. Daher wird dies mein letzter Post hier sein, sofern nicht noch irgendwelche grundlegenden Fragen zu dem bereits geschriebenen aufkommen.
 
[...] Ändert das irgendetwas an der Abscheulichkeit der Verbrechen der Nazis und daran, dass der Untergang des Dritten Reiches selbst mit allen damit verbundenen Kosten besser war als jede realistische Alternative? Ich denke nicht. Rechtfertigt dies umgekehrt z.B. die Verbrechen von "Bomber" Harris? In meinen Augen ebenso wenig.
Ja, es war besser als wenn H****r weiter diktiert hätte. Aber wie Du schon sagtest: Ein Unrecht rechtfertig nicht das andere. Aber die deutsche Geschichte fängt nicht mit H****r an. Und H****r hatte unter anderem auch nur so viel Erfolg durch das Unrecht des Versailler Vertrages.

Und da kommen wir wieder zu einem Punkt, der sich eigentlich viel mehr mit dem Thema beschäftigt. Mal eine Frage an Dich: Nehmen wir an, ein Staatenbund ignoriert die Menschenrechte. Nicht ein Staat oder eine Gruppe von Menschen, sondern Staatenbund, nennen wir ihn fiktiv "NATO". Die NATO würde ganz offensichtlich einen militärischen Aggressor unterstützen, nennen wir ihn hier einfach mal fiktiv "USA". Nehmen wir nun an, dass ein Staat, der seit Jahrhunderten und Jahrtausenden mit immer der gleichen Gesellschaftsform gelebt hat, unprovoziert angegriffen wird. Hat dieser Staat, nennen wir ihn fiktiv "Afghanistan", "Iran" oder "Irak" nun das Recht, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um die Aggression zurückzuschlagen? Und wenn dieser Aggressor nun ganz öffentlich die Menschenrechte an einem Ort, nennen wir ihn ebenfalls völlig fiktiv "Guantanamo", mit Füßen tritt, wieviel Wert haben dann die ausformulierten "Menschenrechte" noch? Sind sie überhaupt irgendwas wert?

Da kommen wir doch unweigerlich zu Deinem Punkt: Ein Unrecht rechtfertigt niemals ein anderes Unrecht. Und trotzdem lässt man die Menschen dort nicht leben, wie sie es für richtig halten. Denn dass sie es für richtig hielten, halte ich für ein Faktum. Sie lebten in einem Land, das sich niemals öffentlich für die Menschenrechte aussprachen. Wahrscheinlich wurden sie auch unterdrückt, kann ich mir gut vorstellen. Aber unter dem Strich haben sie offensichtlich nie so viel Not gelitten, um gegen ihre Herren aufzubegehren. Trotzdem mussten sie gewaltsam "befreit" werden?

Mal eine Frage, no offence: Hast du schon mal in einer Diktatur gelebt? Ich liebe "unsere Medien", wer auch immer dies sein soll, übrigens nicht, und glaube dem ÖR-Rundfunk besonders seit bestimmten Panorama-Berichten nicht so weit, wie ich spucken kann.
Naja, die DDR wird ja heute weitläufig als "Diktatur" bezeichnet. In dem Sinne: Ja, 17 Jahre lang.

Warum die Unterscheidung? Auch zivile Hilfslieferungen stellen ja einen Eingriff dar, der die jeweilige kultur vielleicht nachhaltig beeinflusst und verändert. Nach der Obersten Direktive bei Star Trek ist zumindest jede Einmischung in andere Kulturen untersagt, ganz gleich ob militärisch oder nichtmilitärisch.
Ja, bei Star Trek. Ich hingegen denke, dass nichtmilitärische Hilfe keinen Eingriff in die Regierungautorität oder die Autonomie eines Staates vornimmt. Und um genau diesen Punkt geht es mir.

Die Nordkoreaner verhungern, weil ihr Herrscher seine Autosammlung vergrößern will. Die Chinesen werden von Panzern zermalmt, wenn sie friedlich demonstrieren. Die Zimbabwianer haben eine kaputte Wirtschaft, weil ihr Herrscher ständig neues Geld druckt und an seine Lakaien verschenkt. Die Iraner werden zu Tode gesteinigt, wenn sie einen Menschen des gleichen Geschlechts lieben. Du willst mir sagen, dass diese Menschen nicht leiden?
Aus meiner Sicht? Ja, sie leiden - würde ich sagen.

Aber aus deren Sicht sieht das vielleicht ganz anders aus. Weißt Du, 1878 hat man Regierungsbeamte für weit weniger aus dem Fenster geworfen. Überall auf der Welt finden sich Beispiele, was wohl passiert, wenn ein Volk unterdrückt wird. Zuletzt wohl der Mauerfall in Deutschland. Sehr eindrucksvoll auch der Bürgerkrieg in den USA. In gewisser Weise auch der Unabhängigkeitskrieg. Der Spartacusaufstand. Die französische Revolution.

Die zentrale Frage in unserer beider Diskussion ist doch: Wenn wir meinen, dass ein Volk leidet, haben wir auch das Recht, es nach unseren Maßstäben zu beurteilen und Maßnahmen nach unserem Ermessen zu ergreifen?

Ich denke nicht. Ich denke, dass wir Not lindern können, indem wir nichtmilitärische Hilfe leisten. Das stürzt keine Regierung, zwingt niemandem unsere Weltanschauung auf (die ja auch nicht zwangsweise richtig sein muss) und die Leute können weiter leben wie bisher. Wenn das Volk leben will wie wir, dann muss es schon selbst aufbegehren und sich selbst eine neue Regierung schaffen. Und wenn sie dann als Partner für uns in Frage kommen, dann wird man weiter sehen. Wenn nicht, dann ist es eben so.

Ich ändere diesen Absatz mal ein wenig:
Wenn eine alte Frau in der U-Bahn überfallen wird, muss sie sich wehren. In den allermeisten Fällen wird das nicht ohne Blut und Tote ausgehen, leider. Und wenn sie ihre Angreifer abgewehrt hat, dann kann sie gern Menschen wie uns um Hilfe bitten.
Och menno. Wenn Du noch weiter änderst, dann ändere ich mal dahingehend, dass die alte Frau früher für den Tod von 1000 Menschen verantwortlich war und sich die Enkel der Getöteten nun an ihr rächen wollen.

Dann wird es zwar noch immer kein Recht nach unseren Gesetzen, aber verständlich. Und ob ich mit meinem Gewissen vereinbaren könnte, eine Massenmörderin geschützt zu haben? Naja, vielleicht schon, weil sie ja in dem Augenblick meinen Schutzinstinkt ansprach und ich in ähnlicher Situtation genauso handeln würde.

Aber worum es geht: Ich kann als Außenstehender nicht immer abschätzen, was da nun wohl warum wie passiert. Wenn mich jemand um Hilfe bittet, ist es etwas anderes, denn dann kann man zweifelsfrei von einer Bedrohungssituation sprechen. Im Falle eines Staates müsste mich (im Sinne eines Staates) schon die absolute Mehrheit um Hilfe bitten. Das ist natürlich unmöglich und unrealistisch. Aber ein eindeutiges Signal sollte schon gesetzt werden. Für ein eindeutiges Signal halte ich einen (landesweiten) Aufstand oder eine Revolution. Für ein nicht eindeutiges Signal halte ich dagegen die Aussage von einer Hand voll Hanseln.

[...] Entschuldige bitte, aber die Hingerichteten in den USA in allesamt vor einem rechtsstaatlichen Gericht verurteilte Schwerverbrecher.
Ja, also das "rechtsstaatliche Gericht" ist auch nichts weiter als ein Tribunal. Natürlich läuft es ganz anders ab als ein Standgericht. Insgesamt könnte man sagen, dass die Strafen im Allgemeinen auch wesentlich milder ausfallen. Nach unserer Definition "humaner". Übrigens auch ein Grund, warum ich persönlich hier lieber lebe als in einem Land, wo einem für das Tragen des falschen Schuhwerks Stockschläge auf die Füße verabreicht werden. Aber wie gesagt: Das sind meine Maßstäbe und die müssen nicht zwingend auf alle und jeden anwendbar sein.

Ich möchte übrigens auch nicht 3 mal täglich beten. Ich möchte nicht mal sonntags beten müssen. ich möchte mich ebenfalls auch nicht geißeln oder mein Leben in einem Kloster verbringen. Aber ich verurteile doch niemandem, der streng nach einem religösen Buch leben will und einen Interpreten dieses Buches als heilig und immer im Recht ansieht, nur weil es nicht meine Philosophie ist.

[...] Ich denke dies ist einer der Kernpunkte, bei denen ich ganz entschieden widersprechen muss. Regeln und Gesetze dienen eben der Minimierung von Zwang. Wenn ich niemanden töten darf, dann ist dies kein Zwang, im Gegenteil, es verhindert Zwang in Form von Gewalt.
Ja, Du tötest nicht, weil Du nicht getötet werden willst. Du stiehlst nicht, weil Du nicht bestohlen werden willst. Du gehst hoffentlich auch nicht fremd, weil Du selbst nicht betrogen werden willst. Du legst kein falsch Zeugnis ab, weil Du nicht willst, dass jemand wider Dir falsch zeugnis redet. Nun, das sehe ich genauso. Würde ich auch ohne Gesetze alles nicht tun.

In Deutschland sind aber noch viel mehr Sachen verboten, deren Sinn sich mir nicht erschließt und vorraussichtlich niemals erschließen wird. Und genau an diesen Punkten fangen Gesetze an, zum Zwang zu werden. Je nach Thema sogar zur Geißel oder Knebel. Denn wie ich schon schrieb: Das Rechtsempfinden ist eine ganz andere Kiste als die Gesetzgebung. Und das ist nunmal in jedem Land so. Deswegen denke ich auch, dass eben unser System nicht zwangsweise besser sein muss, als das eines anderen Staates. Und deswegen kann sich jeder frei seine Meinung zu einem Land und den dort herrschenden Zuständen bilden. Von mir aus auch selbst als Privatperson dort hin fahren und einen eventuellen Widerstand unterstützen. Aber niemals darf ein Staat über einen anderen urteilen und seine Maßstäbe als allgemeingültig anlegen.