Zinsentscheidung der Fed: Münzwurf oder Strategie?
Es ist eine der unvorhersehbarsten Entscheidungen der letzten Jahre. Heute Abend um 20 Uhr wird die US-Notenbank Federal Reserve ihren Zinsentscheid verkünden. Sicher scheint nur eins: Eine Zinssenkung steht an. Doch wie hoch sie ausfällt, darüber rätseln Analysten und Anleger gleichermaßen.
Die Prognosen schwanken zwischen einem sanften Schritt von 0,25 Prozentpunkten und einem deutlich größeren Cut von 0,5 Prozentpunkten. Was folgt, könnte nicht nur die amerikanische Wirtschaft, sondern die globalen Märkte nachhaltig beeinflussen.
Die Ausgangslage könnte dabei kaum ungewöhnlicher sein. Trotz elf Zinserhöhungen, die den Leitzins von nahezu null auf eine Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent hochgetrieben haben, scheint die US-Wirtschaft eine Rezession zu vermeiden.
Kredite sind teurer, Investitionen kostenintensiver, doch die Konjunktur bleibt robust. Ein Szenario, das die Märkte in der Vergangenheit selten erlebt haben.
Zinssenkung bei Rekordkursen
Ein weiteres Novum: Die US-Börsen notieren nahe ihrer Rekordstände. Der S&P 500 und der Russell 1000, der die Kleinwerte abbildet, sind nur noch wenige Punkte von den Allzeithochs entfernt.
Das ist ungewöhnlich, denn in der Regel starten Zinssenkungszyklen, wenn die Aktienmärkte schwächeln. Doch aktuell scheint alles anders.
„Der Markt fordert eine 0,5-Prozent-Senkung“, sagen die Experten der ING.
Doch diese Forderung birgt Risiken.
Denn der Markt hat die Zinssenkung bereits eingepreist. Aktien sind im Vorfeld stark gestiegen, weil Anleger darauf spekulieren, dass niedrigere Zinsen das Wachstum weiter antreiben. Unternehmen könnten dann günstiger Kredite aufnehmen, und die potenziellen Gewinne erscheinen in der Zukunft bei niedrigeren Zinsen rechnerisch attraktiver. Doch was, wenn die Fed nicht liefert?
Märkte drängen, die Fed zögert
Fed-Chef Jerome Powell steht vor einer heiklen Entscheidung. Die Marktteilnehmer wollen einen kräftigen Zinsschritt – am liebsten gleich 50 Basispunkte. Doch eine zu starke Reaktion könnte der Fed das Image verleihen, sich von den Märkten treiben zu lassen.
Das würde das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit gefährden.
„Es ist ein gefährliches Spiel“, warnt Tobias Basse von der NordLB.
Eine kleine Zinssenkung wäre das vorsichtige Signal, dass die Fed die Kontrolle behält.
Während die Europäische Zentralbank (EZB) bereits mit einem moderaten Tempo die Zinswende vollzieht, zeigt sich die Situation in den USA völlig offen. Das „Fed Watch Tool“ der Terminbörse CME schätzt die Wahrscheinlichkeit für einen größeren Zinsschritt auf 63 Prozent – kein klares Signal.
Auch die Deutsche Bank spricht von einer der „unsichersten Situationen“ seit über 15 Jahren. Die Märkte könnten auf jede Entscheidung heftig reagieren.
Volatilität und Unsicherheit
Was sicher ist: Die Börsen werden heute nervös reagieren. Ob die Fed mit einer sanften oder kräftigen Zinssenkung startet, könnte den Kursverlauf in den kommenden Wochen entscheidend prägen. Für Anleger ist das keine einfache Situation.
Die Kurse sind hoch, das Risiko einer Korrektur ist nicht zu unterschätzen. Besonders der technologielastige Nasdaq-Index steht unter Druck – sollte die Fed nicht im Sinne der Marktteilnehmer entscheiden, drohen Rückschläge.
Eines ist klar: Die Aktienkurse reflektieren bereits jetzt die Hoffnungen auf eine deutliche Zinssenkung. Analysten warnen, dass ein zu kleiner Zinsschritt schnell zu einer Enttäuschung führen könnte.
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Doch auch eine aggressive Zinssenkung birgt Risiken. Wenn die Konjunktur sich wider Erwarten abkühlt, könnte der Markt die Entscheidung im Nachhinein als zu mutig werten. In beiden Fällen ist die Volatilität programmiert.
Der Druck der Märkte
Die Märkte haben die Erwartung einer größeren Zinssenkung bereits vorweggenommen, doch das macht die Situation für Powell und sein Team nicht einfacher.
Eine zu starke Reaktion auf die Marktstimmung könnte den Eindruck erwecken, die Fed agiere nicht mehr unabhängig. Gleichzeitig wissen die Fed-Mitglieder um die Erwartungen und die möglichen Folgen für die Wirtschaft. Ein falscher Schritt könnte das Vertrauen in die Stabilität der US-Wirtschaft erschüttern.